DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Abhör- und Spionagestation Darmstadt-Griesheim Zwischen Darmstadt und Griesheim (auf dem Gelände des "Griesheimer Sands", direkt am August-Euler-Flugplatz), aber auf Darmstädter Gemarkung betrieb die US-Armee zusammen mit den US-Geheimdiensten von 2004 bis 2008 eine Abhöranlage. Zuvor gab es diese Einrichtung, besser bekannt unter dem Begriff "Echelon", von 1971 bis zum 30. September 2004 in Bad Aibling bei Rosenheim. Dort sollen zeitweise bis zu 1.000 Mitarbeitern beschäftigt gewesen sein. Weitere Abhörstationen sollen in Menwith Hill Base (Großbritannien) und in der Türkei errichtet worden sein. Damals beschäftigte sich ein Ausschuss des Europäischen Parlaments mit dem Abhörsystem "Echelon" und stellte in einem Bericht fest, "dass innerhalb Europas sämtliche Kommunikation via E-Mail, Telefon und Fax von der NSA abgehört wird".

Inzwischen gibt es Zweifel, ob die Spionagestation in Bad Aibling wirklich geschlossen wurde. Denn die weißen Kuppeln des "Echelon"-Abhörsystems, die sogenannten Randome, wurden nicht abgebaut. Ein Verbindungskabel leite seither die abgefangenen Signale auf das Gelände der Mangfall-Kaserne, die nur ein paar hundert Meter entfernt liege, schreibt ein Nachrichtenmagazin. Hier residiere offiziell die "Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr" - ein Tarnname des Bundesnachrichtendienstes. Dort analysierten BND-Experten in enger Kooperation mit Abhörspezialisten der NSA Telefongespräche, Faxe und alles, was sonst noch über Satelliten übertragen wird.

Kernstück waren insgesamt fünf 16 Meter hohe Parabolantennen mit einem Durchmesser von rund 7 Metern. Die Investitionen lagen damals bei ca. 18 Millionen Dollar.
Im Militärjargon werden diese Einrichtungen "Fieldstations" genannt. Sie bilden die kleinste Einheit im Zusammenhang des weltumspannenden Abhörsystems "Echelon". Ihre Hauptmission besteht im Abfangen von Funkverkehr und Satellitenkommunikation, dem Abhören von Telefonaten, Faxen, Telegrammen, E-Mails, TV- und Radioübertragungen sowie militärischer Kommunikation.

"Die USA und vier weitere Staaten betreiben ein weltumspannendes Abhörsystem. Das Abhörsystem, Echelon genannt, ist als satellitengestütztes System zum Abfangen von Kommunikationsinhalten konzipiert. So werden Telefonate, Fax, Telexe und E-Mails in einem umfangreichen Maße belauscht und analysiert. ... Nach den Beschreibungen wird mit dem Echelon-System nicht nur Wirtschaftsspionage betrieben, sondern es wird auch die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger verletzt." So in der Kleinen Anfrage 14/3224 der FDP-Fraktion. In ihrer Antwort wiegelt die damalige SPD-Grüne-Bundesregierung ab und stellt fest, dass die "technischen Möglichkeiten und Kapazitäten in großen Teilen weit überzogen dargestellt werden". Die Einschätzung sachverständiger Stellen innerhalb der Bundesregierung sei der zuständigen Parlamentarische Kontrollgremium bekannt. Weiter heißt es dort "Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine Gefährdung der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger sowie der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch Echelon vor". Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden, sofern sie eine Relevanz für Deutschland haben, auch dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt.

Im Folgenden wird ausführlich aus Papieren der Stadt Griesheim berichtet, da sie sehr gut die "Zusammenarbeit" deutscher und US-Dienststellen erkennen und auch Fragen zum Einfluss des Umweltdezernenten Feuchtinger (Grüne) auf die von der SPD dominierten Stadtregierung (Oberbürgermeister Benz) entstehen lässt.

Die Stadt Griesheim erfährt etwa im Mai 2003 von den Vorhaben der Verlagerung der Anlage von Bad Aibling nach Griesheim-Darmstadt. Sie bittet mit Schreiben vom 22.5.2003 den Regierungspräsidenten um Informationen "über eine angeblich geplante Satelitenempfangsanlage der Amerikanischen Streitkräfte". Vom Regierungspräsidenten erhalten sie die Auskunft, dass eine solche Anlage zwar geplant gewesen sei, sie jedoch zurückgestellt wurde. Am 9.7.2003 erfährt die Stadt Griesheim, dass "die Amerikaner ursprünglich eine Anlage im Bereich ihres Standortes am Eberstädter Weg geplant hätten, von diesem Standort aber wieder Abstand genommen worden sei, da hier ein FFH-Gebiet betroffen wäre. Darauf hin sei erneut der Standort auf dem ehemaligen August-Euler-Flughafen ins Gespräch gekommen. Weitere gesicherte Erkenntnisse gebe es nicht. Am 16.9.2003 erfährt die Stadt Griesheim durch einen Telefonanruf des Regierungspräsidiums (RP), dass drei Tage später eine Besprechung stattfinden solle, auf der möglichst bereits über eine Zustimmung nach § 37 Abs. 2 BauGB entschieden werden solle. Am 25.9.2003 fordert die Stadt Griesheim vom RP eine gutachterliche Untersuchung über eine mögliche Strahlenbelastung wegen unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung. Bereits am 30.9.2003 erhält die Stadt Griesheim per E-Mail von den amerikanischen Streitkräften die Information, dass die Zustimmung nach § 37 BauGB zum Bau der Radarstation erteilt worden sei. Hiergegen legte die Stadt Griesheim Widerspruch ein. Sie erhält darauf hin vom RP den Hinweis, dass Griesheim im baurechtlichen Sinne nicht betroffen sei, sondern die Stadt Darmstadt, die dem Vorhaben nicht widersprochen habe. Wäre dieser Widerspruch erfolgt, hätte die Anlage nicht errichtet werden dürfen. Am 9.10.2003 erfährt Bürgermeister Leber in einem Gespräch mit Vertretern der amerikanischen Streitkräfte, dass die Planung bereits seit Monaten in Zusammenarbeit mit deutschen Behörden betrieben worden sei und ursprünglich der Standort am Eberstädter Weg vorgesehen war, jedoch auf Betreiben der Oberen Naturschutzbehörde aufgegeben und der Standort auf dem ehemaligen August-Euler-Flugplatz festgelegt worden sei. Eine Gesundheitsgefährdung durch Strahlenbelastung sei nicht zu erwarten. Am 15.10.2003 geht ein Schreiben des damaligen Umwelt-Stadtrats Feuchtinger (Grüne) mit Datum vom 13.10.2003 bei der Stadt Griesheim ein, wonach er aus dem Darmstädter Echo von der geplanten Radarstation erfahren habe. Am gleichen Tag erhält sie auch ein Schreiben der Bauaufsicht der Stadt Darmstadt, in dem die Auffassung des RP bezüglich der gesundheitlichen Unbedenklichkeit der Anlage noch einmal mitgeteilt wurde. Auch wird vor "selbst ernannten Gutachtern" gewarnt, die mehr Verwirrung als Aufklärung bringen würden.

Nun berichtete am 20. Juni 2013 das Fernsehmagazin Panorama (NDR), dass am Eberstädter Weg auf einem schon von der US-Armee genutzten Gelände offenbar wieder eine Spionageeinrichtung arbeitet. Schilder auf dem Gelände bezeichnen es als "Dagger-Complex", in dem "vor allem Armee-Leute der 66th Military Intelligence Brigade arbeiten, das aber auch von der amerikanischen Lauschbehörde National Security Agency (NSA) mit finanziert wird", schreibt der Spiegel. Anfragen bei US-Dienststellen seien erfolglos. Rund 400 Mitarbeiter würden jeden Tag auf dem Gelände in einem kleinen Haus verschwinden, schreibt das Darmstädter Echo. Sie arbeiteten wohl in unterirdischen Räumen. Auch das Hessische Innenministerium hat angeblich keine Erkenntnisse, "was die Amerikaner in ihren Bunkern machen".
Obwohl Deutschland kein besetztes Land mehr ist, sondern angeblich volle staatliche Souveränität genießt, ist staatlichen Stellen angeblich nicht bekannt, was US-Dienststellen auf deutschen Boden treiben. So erklärten alle Sicherheitsbehörden im Juli 2013, dass sie von den Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes "National Security Agency" (NSA) überrascht seien! Wie hieß es in der oben zitierten Bundestagsdrucksache: "Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden im Übrigen auch dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellt".
Neuesten Meldungen zufolge steht aber in Kürze ein erneuter Umzug von Griesheim/Darmstadt nach Wiesbaden bevor. Dort baue die US-Armee ein neues Consolidated Intelligence Center. Sobald diese ca. 124 Millionen Dollar teure Anlage aus abhörsicheren Büros und einem Hightech-Kontrollzentrum fertig sei, werde der Dagger-Complex in Griesheim/Darmstadt geschlossen.

Die "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Gruppe Darmstadt" protestiert schärftens gegen diese Spionageeinrichtung - wie gegen alle Spionageeinrichtungen - und fordert die sofortige Schließung - wie sie dies auch 2003 und 2004 bezüglich der Spionageeinrichtung auf dem ehemaligen August-Euler-Flugplatz, gemeinsam mit der dortigen Bürgerinitiative tat. 
Der Hinweis auf Artikel 10 des Grundgesetzes, wonach "das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis ... unverletzlich" sind erscheint in diesem Kontext wie ein Satz aus einer anderen Welt. Nach Claus Arndt, über viele Legislaturperioden Mitglied des Deutschen Bundestages und in dieser Eigenschaft auch Mitglied in der sogenannten G10-Kommission, deren Aufgabe es ist, die Geheimdienste zu kontrollieren, sei die Bundesrepublik theoretisch souverän, in der Praxis jedoch nicht.

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