DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Leuschner, Wilhelm (15.6.1890 Bayreuth - 29.9.1944 Berlin-Plötzensee) war Gewerkschafter und Innenminister des Volksstaates Hessen, der im Widerstand gegen die Nationalsozialisten hingerichtet wurde.

Leuschner kam, als Sohn des Ofensetzers Wilhelm Leuschner und dessen Ehefrau Marie Leuschner (geb. Dehler) in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, 1909 als Holzbildhauer nach Darmstadt, wo er sich der Gewerkschaftsbewegung anschloss. Hier wurde er Bezirksleiter des Zentralvereins der deutschen Bildhauer. Im Wintersemester studierte Leuschner an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg. Er wurde Mitglied der SPD. 1911 heiratete er Elisabeth Batz. Von 1916 bis 1918 nahm Leuschner am Ersten Weltkrieg teil.

Im Jahr 1919 zog er für die SPD als Stadtverordneter in das Darmstädter Stadtparlament ein. Vorsitzender des Zusammenschlusses der Darmstädter Gewerkschaften wurde er 1919 und 1924 Mitglied des Hessischen Landtags. Von 1926 bis 1928 war er Bezirkssekretär des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Hessen und Hessen-Nassau. 1928 wurde er unter Staatspräsident Bernhard Adelung Innenminister in Hessen. Dieses Amt hatte er bis Mitte März 1933 inne. 1929 holte er Carlo Mierendorff als Pressesprecher ins Innenministerium. Er trat unter anderem mit Plänen zum Autobahnbau hervor. Das am 16. Juli 1926 im Freistaat Bayern verabschiedete "Gesetz zur Bekämpfung von Zigeunern, Landfahrern und Arbeitsscheuen" wurde für Leuschner zur Vorlage für das von ihm im Landtag des Volksstaates Hessen vorgelegte und am 3. April 1929 verabschiedete "Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens", ein unübersehbares Zeichen des Antiziganismus und weitverbreiteten rassistischen Denkens schon in der Weimarer Zeit. Auch nach Erkenntnissen des Politologen Herbert Heuß ist das Hessische Zigeunergesetz" eng mit dem Namen Leuschner verknüpft, da mit diesem Gesetz 1929 Darmstadt ausdrücklich zur "Nachrichtenzentralstelle für Zigeuner und Landfahrer für Hessen" bestimmt wurde. Damit wurde lange vor 1933 mit der lückenlosen Sondererfassung und Kontrolle der Sinti und Roma in Hessen begonnen.

Im Jahr 1931 veröffentlichte er die Boxheimer Dokumente, in denen der hessische Landtagsabgeordnete Werner Best, Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter Partei (NSDAP), Pläne zur Errichtung einer nationalsozialistischen Herrschaft niedergelegt hatte. Die Boxheimer Dokumente ließen die beabsichtigte Errichtung eines Terrorregimes deutlich erkennen, sie zeigten an, dass der Legalitätskurs der Nationalsozialisten bloße Fassade war. Vor allem aber profilierte sich Leuschner damit als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus.

1932 war Leuschner zum stellvertretenden Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftbundes vom Bundesvorstand ernannt worden und der ADGB entsendete ihn in den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts (IAA). Am 2. Juni 1933 wurde Leuschner für vier Tage inhaftiert und dabei misshandelt. Nach seiner Freilassung zwangen ihn die Nationalsozialisten, zusammen mit Robert Ley, dem Führer der Deutschen Arbeitsfront (DAF), die Sitzungen des IAA in Genf zu besuchen. Als bekannter Führer der inzwischen aufgelösten Freien Gewerkschaften sollte er die Anerkennung der Deutschen Arbeitsfront als Gewerkschaft erreichen. Da er jedoch von der Unterdrückung der Arbeiterbewegung berichtete, wurde er nach seiner Rückkehr verhaftet.

Von 1933 bis 1934 wurde Leuschner in "Schutzhaft" genommen. Stationen faschistischer Repression waren u.a. das Zuchthaus bei Butzbach, das KZ Lichtenburg bei Torgau und das KZ Bürgermoor bei Papenburg. Nach seiner Entlassung war er als Kleinfabrikant in Berlin tätig, musste sich jedoch anfangs täglich bei der Polizei im Zuge der politischen Überwachung melden. Er nahm Kontakte mit sozialdemokratischen, kommunistischen und christlichen Gewerkschaftsführern und auch zur Widerstandsbewegung Kreisauer Kreis auf, um gemeinsamen Widerstand zu organisieren. Da seine Firma kriegswichtige Patente zur Aluminiumverarbeitung besaß, traf er ab 1939 auch zahlreiche Mitglieder des militärischen Widerstands. Er war in einem demokratischen Nachriegsdeutschland als Vizekanzler vorgesehen.

Nach dem missglückten Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 wurde Leuschner verhaftet und gemeinsam mit Carl-Friedrich Goerdeler, Josef Wirmer, Ulrich von Hassel und Paul Lejeune-Jung am 8. September 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet.

In Darmstadt wird vielfältig an Leuschner erinnert:


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