DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Mohr, Robert (24.12.1909 Frankfurt/Main - 3.2.1989 Solingen) war Beamter im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), von 1941 bis 1942 Kommandeur eines Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes in der Sowjetunion, Leiter der Staatspolizeistelle Darmstadt von Oktober 1942 bis Januar 1944 und anschließend in gleicher Funktion in Magdeburg.

Mohr besuchte die Westend-Mittelschule in Frankfurt, anschließend das Goethe-Gymnasium, die Höhere Landwirtschaftsschule in Weilburg/Lahn und bis zum Abitur im Jahr 1930 die Oberrealschule in Gießen. Daran schloss sich das Studium der Rechtswissenschaft mit vier Semestern in Gießen, einem Semester in Genf und drei Semestern in Marburg an.

Noch während des Studiums trat er am 1. März 1933 der SS und am 1. Juni 1933 der NSDAP bei. Seit 1. Mai 1933 war er SS-Rottenführer.

Das Referendariat hatte er am Oberlandesgericht (OLG) in Kassel absolviert. Die dreijährige Probezeit als Referendar verbrachte er am Amtsgericht (AG) Weilburg, in der Stadtverwaltung Weilburg, am Landgericht (LG) Limburg und am OLG Frankfurt. Das große juristische Staatsexamen hatte er am OLG Düsseldorf abgelegt.
Im Jahr 1937 bewarb er sich u. a. beim Reichsinnenministerium und wurde dort als Justitiar der Rechtsabteilung und Personalabteilung eingestellt.

Nach einer anderen Quelle trat Mohr nach der Großen Staatsprüfung im Januar 1938 als Assessor in den Dienst der Gestapo, wobei er zunächst im Geheimen Staatspolizeiamt (Gestapa) bzw. Reichssicherheitshauptamt in Berlin arbeitete.

Nach der Ernennung zum Regierungsrat im Juli 1940 wurde ihm Ende 1940 oder Anfang 1941 im RSHA die Leitung des Referats für Allgemeine Personalangelegenheiten übertragen. Damit oblagen ihm unter anderem sämtliche Personalfragen hinsichtlich der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der Sowjetunion. Von November 1941 bis September 1942 war Mohr, mittlerweile zum SS-Sturmbannführer befördert, Kommandeur des Einsatzkommandos 6 der Einsatzgruppe C, die in der Ukraine operierte. In dieser Zeit wies er die Ermordung von mindestens 1.331 jüdischen Männern, Frauen und Kindern, von Geisteskranken oder Partisanen an. Seit März/April 1942 setzte Mohr dafür auch Gaswagen ein.

Im Oktober 1942 übernahm Mohr als Regierungsrat die Führung der Geheimen Staatspolizeistelle Darmstadt. Dort organisierte er die Deportationen von Juden in die Vernichtungslager. In dieser Zeit wohnte er in Darmstadt-Eberstadt, Darmstädter Strasse 218.

Am 15. Februar 1944 übertrug das RSHA Mohr die Leitung der Staatspolizeileitstelle Magdeburg. Da seine Leistungen nach Einschätzung des RSHA "über dem Durchschnitt" lagen, erfolgte am 20. April 1944 die Ernennung zum Oberregierungsrat und zum SS-Obersturmbannführer.

Nach dem Ende des Krieges tauchte Mohr erst einmal unter, wurde aber am 16. August 1945 festgenommen und nach Nürnberg gebracht. Von dort gelang ihm im Juli 1946 die Flucht. Am 21. Mai 1947 wurde er in Düsseldorf, wo er sich unter dem falschem Namen Gerhard Lindzuß niedergelassen hatte, erneut verhaftet und in Darmstadt interniert. Doch auch hier gelang ihm wieder die Flucht.

Erst zwölf Jahre später, am 12. Novemver 1959, konnten die Behörden Mohr in Wuppertal wieder aufspüren und auf Grund eines Haftbefehls vom 26. August 1947 verhaften.

Mohr hatte unter dem falschen Namen Bujara mit seiner Familie in der Gegend von Remscheid gelebt und war als Handelsvertreter tätig gewesen. Der Haftbefehl stützte sich auf die Beschuldigung, er habe bei der am 17. März 1943 widerrechtlich erfolgten Inhaftierung des jüdischen Oberlandesgerichtsrats Dr. Ernst Mayer aus Darmstadt verantwortlich mitgewirkt und sich einer schweren Freiheitsberaubung mit Todesfolge schuldig gemacht. Der Richter war später in einem KZ umgekommen. Bei seiner Befragung am 22. Mai 1947 konnte er sich an einen Oberlandesgerichtsrat Dr. Ernst Mayer nicht erinnern. Die Verantwortung hierfür würden andere tragen wie zum Beispiel der ehemalige Regierungsrat Fenz oder Kriminalrat Hellenbroich. Er sei sich keiner strafbaren Handlung bewusst.

Am 11. Mai 1960/19. Mai 1960 beantragte der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Darmstadt in dem Ermittlungsverfahren gegen den früheren Leiter der Staatspolizeistelle Darmstadt und Oberregierungsrat Robert Mohr wegen Verfolgung Unschuldiger und Freiheitsberaubung im Amt mit Todesfolge die Voruntersuchung zu eröffnen.

Darin wird Mohr beschuldigt,

" im Jahr 1943 durch mindestens 22 selbständige Handlungen
  1. als Beamter vorsätzlich zum Nachteil von Personen, deren Unschuld ihm bekannt war, die Eröffnung und Fortsetzung einer Untersuchung beschlossen zu haben,
  2. davon in mindestens 19 Fällen jeweils dieselbe Handlung zugleich als Beamter vorsätzlich und widerrechtlich Menschen eingesperrt zu haben, wobei der Tod der ihrer Freiheit Beraubten durch die ihnen während der Freiheitsentziehung widerfahrene Behandlung verursacht worden ist."

Im einzelnen handelte es sich um
Nach einem langjährigen Verfahren wurde Mohr 1963 in erster Instanz zu acht Jahren Zuchthaus und fünf Jahren "Ehrverlust" verurteilt. Nach zweimaliger Revision wird das Urteil 1967 bestätigt. Gegenstand dieses Verfahrens war allerdings nur Mohrs Beteiligung an den Erschießungen und Vergasungen tausender Juden, Kommunisten, Zivilisten und Geisteskranken während seiner Zeit in der Ukraine.

Für die Organisation der Deportation Darmstädter Juden in die Vernichtungslager wird Mohr nicht mehr zur Verantwortung gezogen.

Unter dem Aktenzeichen 2 Js 135/73 verfügte die Staatsanwaltschaft Darmstadt im Oktober 1975 die Einstellung eines weiteren Ermittlungsverfahrens:

"Das Ermittlungsverfahren gegen
1. den Oberregierungsrat a. D. Robert Mohr in Burg an der Wupper,
2. den Bankdirektor Günter Fentz in Wiesbaden
3. den Polizeibeamten a. D. Bruno Böhm in Steinau
4. den Polizeibeamten a. D. Georg Albert Dengler in Stuttgart Zuffenhausen wird eingestellt."

Es heißt dort weiter:

"Weder Böhm noch Dengler machten Angaben zur Sache. Zwar liegt die Vermutung nahe, daß ihnen auf Grund ihrer Funktion innerhalb der Gestapostelle nicht verborgen blieb, daß die deportierten Juden getötet wurden. Da jedoch Zeugen oder andere Beweismittel, mit deren Hilfe diese Vermutung erhärtet werden könnte, nicht vorhanden sind, kann auch ihnen letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, daß sie den eigentlichen Zweck der Deportationen kannten".


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