DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Karl Ströher um 1942
Karl Ströher (Mitte) um 1942 [1]
Ströher, Karl (15.3.1890 Rothenkirchen - 26.11.1977 Darmstadt) war Chef der Wella AG Darmstadt und ein Förderer der Kunst, der aber auch mit dem NS-Regime paktierte.

Ströher, Kind eines Friseurs und Perückenmachers besuchte die Leipziger Handelshochschule und stieg in das väterliche Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder ein. Das Programm umfasste vor allem Perücken und Dauerwellen-Apparate. 1937 gründeten sie ein Zweig-Werk in Apolda und beschäftigten dort 450 Personen, auch Zwangsarbeiter aus den von Deutschland besetzten Ländern. Nach 1939 wurde die Produktionspalette um Rüstungsgüter erweitert.

Die Ströhers pflegten enge Verbindungen zu den Nationalsozialisten. Sie waren stark mit dem Nazi-Regime verstrickt, schreibt "Der Spiegel" [1], und profitierten von der Verfolgung der Juden. "Sie setzten Zwangsarbeiter ein, beteiligten sich an der Rüstungsproduktion, die Umsätze explodierten ab 1939". Sie besaßen auch Anteile an einer Nürnberger Spezialfabrik für Transformatoren, wo ebenfalls Zwangsarbeiter eingesetzt wurden. Ströher habe auch nach der Machtergreifung die Nazis mit Geldspenden unterstützt.

Offenbar war Ströher, er gehörte den von den Nazis bekämpften und seit 1935 als zerschlagen geltenden Freimaurern an, ein glühender Anhänger Hitlers. So zitiert "Der Spiegel" aus einem Schreiben im März 1938 kurz vor der Reichstagswahl an Hitler:

"Sie haben Großdeutschland geschaffen. Jeder deutsche Mann wird Ihnen daher am 10. April dankbar seine Stimme geben. Dies tun selbstverständlich auch die früheren Freimaurer, die in ihrer Mehrheit vorbildliche deutsche Männer sind."

1941 "übernahmen" sie die zum "Feindvermögen" erklärte holländische Firma Hollander & Kohn. "Die Ströhers machten die Arisierung beim Finanzamt noch steuermindernd geltend ..." heißt es im Spiegel.

Nach 1945 habe sich Ströher vom Bürgermeister von Rothenkirchen bescheinigen lassen, dass "der Fabrikant im Dezember 1944 wegen Verweigerung des Hitlergrußes und Mitwirkung an den Ereignissen des 20. Juli in Plauen in Haft gekommen sei". Im Rahmen der Entnazifizierung wurde er als Belasteter eingestuft. Ströher wurde in Abwesenheit zu zehn Monaten Haft verurteilt, der er sich jedoch durch Flucht in die Westzonen entzog.

Hier baute er zunächst in Hünfeld, ab 1950 in Darmstadt, die Wella AG zu einem weltweit operierenden Unternehmen auf. Ströher wurde zu einem Kunstsammler und Mäzen, hatte 1950 einen "Ströher-Preis" für Malerei begründet, gründete eine Karl-Ströher-Stiftung, man wählte ihn in den Vorstand der "Freunde und Förderer des Hessischen Landesmuseums in Darmstadt" und glaubte wohl so, sein Engagement für das NS-Terrorregime vergessen machen zu können. Seine politische Rehabilitation war gelungen - auch ohne eine historische Aufarbeitung seiner "Verstrickung".

2003 wurde der Wella-Konzern für rund 6,6 Milliarden an den US-Kosmetikkonzern Procter & Gamble verkauft. Im November 2010 gab der Konzern bekannt, dass er das Werk Darmstadt bis Ende 2014 schließe und die rund 1.000 Mitarbeiter auf die Standorte Schwalbach und Kronberg verteile. Fünf Jahre später wurde die Firma weiter verkauft und der Sitz des Geschäfts Wella wieder nach Darmstadt auf das alte Gelände zurück verlegt.


Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6]

 

zurück zur Übersicht