DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Stuckart, Wilhelm (16.11.1902 Wiesbaden - 15.11.1953 (Autounfall bei Hannover) war ein deutscher Beamter, nationalsozialistischer Politiker und Präsident des Oberlandesgerichts in Darmstadt. Er wurde im sogenannten Wilhelmstraßen-Prozess als Kriegsverbrecher verurteilt.

Nach dem Besuch der Mittelschule an der Luisenstraße in Wiesbaden wechselte er auf das staatliche Realgymnasium und legte dort 1922 das Abitur ab.

Stuckart war bereits als Abiturient Mitglied im Jugendverband der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) und schloss sich nach dem Abitur 1922/23 dem Freikorps von Epp an.

Im Dezember 1922 schloss er sich der NSDAP an.

Er nahm 1923 "aktiv am passiven Widerstand im besetzten Gebiet teil. Dabei war er an den Sprengstoffattentaten in Wiesbaden und Pirmasens beteiligt, weswegen er zweimal von den Franzosen festgenommen wurde. Eine Beteiligung konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden", zitiert Köckritz aus Dokumenten des Bundesarchivs.

1922/23 begann er Rechtswissenschaften in München und Frankfurt am Main zu studieren und bestand am 29. Oktober 1926 das Referendarexamen in Frankfurt mit der Note "gut". 1928/1929 promovierte er an der Universität in Frankfurt am Main mit einer Arbeit über "Erklärungen an die Öffentlichkeit, insbesondere die Anmeldung zum Handelsregister". Im November 1930 folgte die zweite Staatsprüfung. Danach wurde er im Dezember 1930 zum Gerichtsassessor ernannt und Hilfsrichter in Rüdesheim und Wiesbaden, wurde jedoch im Februar 1932 entlassen, wahrscheinlich wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP. Seit dem 15. März 1932 gehörte er auch der SA an.

Bereits vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten war er Mitglied im Bund NS Deutscher Juristen, der NS-Volkswohlfahrt, des Reichsluftschutzverbandes, des Reichsbundes Deutscher Beamter, des Aero-Clubs Deutschland und des Volksdeutschen Clubs. 1936 wurde er auch Mitglied der SS (1936: SS-Standartenführer, 1937: SS-Oberführer, 1938: SS-Brigadeführer, 1942: SS-Gruppenführer und 1944 SS-Obergruppenführer).

Nach der Entlassung aus dem hessischen Justizdienst 1932 ging er nach Stettin, wo er als Anwalt und Rechtsberater der NSDAP arbeitete. 1933 war Stuckart kurzzeitig Staatskommissar für Pommern und Mitglied des Provinziallandtages von Pommern.

Am 15. Mai 1933 wurde er in das preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung als Leiter der Schulabteilung berufen, am 29. Mai zum kommissarischen Ministerialdirektor und am 30. Juni zum Staatssekretär im Kultusministerium ernannt. Im Herbst 1933 wurde er vom NS-Reichsrechtsführer Hans Frank als Mitglied in die Akademie für Deutsches Recht geholt und dort mit dem Vorsitz des Ausschusses für Verwaltungsrecht betraut.

Teilnehmer der Wannseekonferenz 1942
Teilnehmer der Wannseekonferenz 1942, darunter Stuckart [9]

Am 7. Juli 1934 wurde er Staatssekretär im neu gebildeten Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Am 1. Februar 1935 wurde ihm die Stelle des Oberlandesgerichtspräsidenten in Darmstadt übertragen, die er jedoch nur für kurze Zeit bekleidete, da Hitler am 7. März 1935 die Berufung in das Reichsministerium des Innern verfügte. Hier war Stuckart als Ministerialdirektor und Titular-Staatssekretär an der Ausarbeitung und Kommentierung der Nürnberger Rassegesetzgebung beteiligt. Den Kommentar verfasste er zusammen mit Hans Globke, dem späteren Chef des Bundeskanzleramtes unter Konrad Adenauer.

1942 nahm er als Staatssekretär an der Wannseekonferenz teil (siehe Abbildung).

Während des Krieges war Stuckart insbesondere auch mit Maßnahmen zur "Umvolkungs- und Siedlungspolitik" des NS-Regimes beschäftigt. 1943 wandte sich Stuckart in einem persönlichen Brief an Hitler mit der Bitte, als Soldat seinen "militärischen Einsatz" und seine "Soldatenpflicht" erfüllen zu dürfen:

"Mein Führer, ich erwarte Ihren Befehl und werde an der Stelle, wo Sie es für richtig halten, meine Pflicht aus heißem Herzen bis zum letzten Atemzug erfüllen".

Sein Wunsch wurde von Hitler nicht erfüllt.

Der letzten Reichsregierung nach dem Selbstmord von Hitler hatte Stuckart unter Admiral Karl Dönitz seit 3. Mai als Innen- und Erziehungsminister angehört.

Am 23. oder 26. Mai 1945 wurde Stuckart verhaftet und fungierte zunächst im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess als sachverständiger Zeuge. Im sogenannten Wilhelmstraßenprozess wurde er gemeinsam mit Ernst von Weizsäcker und anderen angeklagt.

Stuckart wurde wegen folgender Verbrechen angeklagt:

Stuckart verteidigte sich sehr geschickt, in einigen Punkten wurde er freigesprochen, wozu auch umfangreiche Stellungnahmen der "Entlastungszeugen" beigetragen haben. Er wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mitgliedschaft in verbrecherischen Organisationen am 11. April 1949 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die aber mit der Verbüßung der Untersuchungshaft als verbüßt galt. So war es zwar ein verurteilter Kriegsverbrecher, aber frei.

Im Entnazifizierungsverfahren wurde er als Mitläufer eingestuft und zu einer Geldstrafe von 50.000 (bei "Wikipedia" wird der Betrag mit 500 DM angegeben) DM verurteilt.

In der Bundesrepublik machte Stuckart, wie viele ehemalige (?) Nationalsozialisten schnell wieder Karriere. Er wurde Geschäftsführer des "Instituts zur Förderung der niedersächsischen Wirtschaft" und betätigte sich auch wieder politisch als stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). Diese Partei war auch Koalitionspartner der CDU-Bundesregierung unter Adenauer, aber auch in Nachkriegskabinetten in Hessen vertreten. Er war nach Wikipedia auch Mitglied der 1952 verbotenen nationalsozialistischen "Sozialistischen Reichspartei". Dort heißt es auch, dass er kurz vor seinem Tod in einem Verfahren nach Artikel 131 des Grundgesetzes die Festsetzung ruhegehaltsfähiger Dienstbezüge nach B 3 erreicht habe.

Stuckart hatte 1932 Lotte Köhl geheiratet. Aus deren Ehe ging 1936, 1940 und 1942 jeweils ein Sohn hervor.


Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8], Abbildung: [9]

 

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