DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Grund, Peter
-
- Plakat zur Ausstellung "Schaffendes Volk" im Jahre 1937
(15.10.1892 Pfungstadt - 26.1.1966 Darmstadt) studierte an
der Technischen Hochschule Darmstadt (heute Technische
Universität Darmstadt) und lebte bis 1922 in Darmstadt. Von 1919 bis
1922 lehrte er an der Landesbau-Gewerbeschule in Darmstadt. Von 1923
bis 1933 arbeitete er in Dortmund und baute dort 1928 die Kirche St.
Nicolai, eine der ersten Eisenbeton-Kirchen, sowie die Industrie- und
Handelskammer. 1933 wurde Grund als Professor und Leiter an die
Kunstakademie Düsseldorf berufen sowie Leiter der Landesstelle der
Reichskammer der bildenden Künste in Düsseldorf und schließlich 1935
bis 1937 NSDAP-Referent für Städtebau. Im Jahr 1937 organisierte er als
künstlerischer Leiter die Reichsausstellung "Schaffendes Volk" in
Düsseldorf, wo er auch prominentes Mitglied der NSDAP war. Dort wirkte
er bis 1938. Einer anderen Quelle zufolge wurde Grund 1937 als Direktor
der Akademie der Künste in Düsseldorf entlassen und aus der
Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen. Der Biograph Paul
Girkon klammerte Grunds Tätigkeit während des Nationalsozialismus in
seiner erstmals 1952 und dann 1962 in Darmstadt erschienenen
wohlwollenden Biographie, die er Grund zum 60. und 70. Geburtstag
widmete, elegant aus. Nüchtern heißt es dort: "In den Jahren 1936/37
wurde Grund die künstlerische Leitung der Düsseldorfer Ausstellung
übertragen. Im Zusammenhang mit den architektonisch hochwertigen
Dauerbauten der Ausstellung und ihren immateriellen Stahltürmen wurden
die ersten Einfamilien-Häuser der Rheinparksiedlung errichtet,
Wohnhaustypen, für die der Einklang von Innenraum und Landschaftsraum
wesentlich war. Zweckmäßigkeit und Schönheit, Wirtschaftlichkeit und
Wohnlichkeit waren in bemerkenswertem Fortschritt in ihnen vereint."
Über
das Lob der Siedlungsarchitektur vergaß der Autor zu bemerken, dass mit
der "Düsseldorfer Ausstellung" die "Große Reichsausstellung
'Schaffendes Volk'" und die in Verbindung damit errichtete
"Schlageterstadt" gemeint war, eine der bedeutendsten Ausstellungen des
Nationalsozialismus.
Im September 1946 wurde in der
Sitzung des Bau- und Personalausschusses der
Stadtverordnetenversammlung darüber diskutiert, Grund als technischen
Beigeordneten der Stadt Darmstadt einzustellen. Der damalige
Oberbürgermeister Ludwig Metzger bemerkte dazu laut Protokoll:
"Was Prof. Grund betrifft, müsse allerdings die Spruchkammer vorher
entscheiden, da eine geringe Belastung hinsichtlich einer kurzen
Mitgliedschaft bei der Partei besteht."
Gegen eine
Einstellung von Grund erhoben die Stadtverordneten Lang (CDU), Gisbert
(SPD) und Ziegs (SPD) Widerspruch. Es wurde gefragt, "ob es unbedingt
notwendig sei, einen Belasteten in eine derart führende Stellung zu
berufen". Der Stadtverordnete Ziegs meinte, "dass man es sich nicht
erlauben könne, einen Belasteten einzusetzen, man solle sich nach einem
anderen technischen Beigeordneten umsehen". In der
Stadtverordnetenversammlung am 12.6.1947 jedoch wurde Grund von
Oberbürgermeister Ludwig Metzger als neuer städtischer
Oberbaudirektor vorgestellt. Grund selbst schien seine
nationalsozialistische Vergangenheit nicht zu problematisieren.
Am
22.7.1955 wurde Grund von der TH Darmstadt zum Ehrensenator ernannt.
"Nicht oft ist die Bedeutung eines großen Werkes von den Zeitgenossen
in so maßgeblicher Weise anerkannt worden" stellte Girkon fest. Auch
die Stadt Darmstadt bemühte sich um eine angemessene Ehrung ihres
Oberbaudirektors. In der Sitzung am 25.10.1957 nahm der Magistrat
"zustimmend davon Kenntnis, dass der Oberbürgermeister mit Schreiben
vom 17.10.1957 vorgeschlagen hat, Oberbaudirektor Prof. Grund das Große
Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
(Halskreuz) zu verleihen. Außerdem wird beschlossen, Oberbaudirektor
Prof. Grund anlässlich der Vollendung seines 65. Lebensjahres am
15.11.1957 die Silberne Verdienstplakette der Stadt Darmstadt zu
verleihen". Der Antrag zur Verleihung des Verdienstordens scheiterte
jedoch an Grunds politischer Vergangenheit. In der Magistratssitzung am
7.8.1959 wurde erneut über den Antrag auf Verleihung des
Verdienstordens an Grund verhandelt. In einer Niederschrift heißt es:
"Der Oberbürgermeister gibt dem Magistrat das Schreiben des
Regierungspräsidenten vom 29.7.1959 sowie den Inhalt der Personalakten
Prof. Grund aus seiner Tätigkeit in Düsseldorf bekannt. Nach
eingehender Aussprache nimmt der Magistrat zustimmend davon Kenntnis,
dass der Oberbürgermeister nach nochmaliger Prüfung der Richtlinien für
die Verleihung des Verdienstordens dem Regierungspräsidenten mitteilen
wird, die Stadt habe die Verleihung aufgrund der Verdienste des
Oberbaudirektors Prof. Grund in den Jahren nach 1945 beim Wiederaufbau
der Stadt Darmstadt beantragt; dies sei der für die Stadt maßgebliche
Gesichtspunkt. Im übrigen müsse die weitere Behandlung der
Angelegenheit der für die Weiterleitung zuständigen Behörde - unter
Würdigung der nunmehr aus früherer Zeit bekannt gewordenen Tatsachen -
überlassen bleiben."
-
- Straßenschild vor der Umbenennung (2019)
Das Bundesverdienstkreuz hat Grund nie erhalten. In Darmstadt-Kranichstein erinnerte an ihn seit 1967
die Grundstraße. Nach Vorlage der im Auftrag der Stadt Darmstadt im Mai 2019 vorgelegten
Untersuchung "Projekt Darmstädter Straßennamen" [9],
die eindeutig belegt hat, dass Peter Grund ein überzeugter Nationalsozialist war, hat der Magistrat beschlossen, die
Straße umzubenennen. Ihr neuer Name lautet seit Mai 2023 Mirjam-Pressler-Straße.
In Darmstadt erinnert an ihn der Peter-Grund-Bau im Klinikum Darmstadt. In Darmstadt baute Grund außerdem u.a. den
Aachener Hof, das John-F.-Kennedy-Haus, die ehemalige
Filiale der Commerzbank in der Rheinstraße, das Fußballstadion am Böllenfalltor und die Hauptkläranlage.
Q:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10], Abbildung: Autoren
zurück zur Übersicht