DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Keyserling, Hermann Graf
Hermann Graf Keyserling
Hermann Graf Keyserling [5]
(20.7.1880 Könno/Livland - 26.4.1946 Innsbruck) war ein deutsch-baltischer Philosoph.

Nach dem Abitur 1897 studierte er Geologie in Genf und Dorpat (heute Tartu, Estland) und schloss das Studium nach Zwischenstationen in Dorpat und Heidelberg im Jahr 1902 in Wien mit einer Promotion ab.
Als nach dem Tod seiner Vaters (1895) seine Mutter fünfzehn Jahre später seinen Hauslehrer heiratete, sah der 20jährige Sohn Hermann, als Verfechter aristokratischer Ideale, diese Verbindung als nicht standesgemäß an und überwarf sich mit ihr.

In Wien schloss er Freundschaft mit dem rassistische Positionen vertretenden Schriftsteller Housten Stewart Chamberlain (1855-1927), der von der Überlegenheit der "nordischen Rasse" überzeugt war. K. betonte, es habe zwischen ihnen "keine sachliche und gesinnungsmäßige Übereinstimmung" bestanden. Angeblich trennten sich später ihre Wege.

1919 heiratete er - standesgemäß - die Gräfin Maria Goedela von Bismarck-Schönhausen (1896-1981), eine Enkelin des Reichskanzlers Otto von Bismarck, mit der er zwei Söhne hatte.

Im Jahr 1920 ließ er sich nach mehreren Zwischenstationen schließlich in Darmstadt nieder und wohnte im Prinz-Christians-Weg 4 (1924). Hier gründete er die von ihm so genannte "Schule der Weisheit".

Keyserling veröffentlichte mehrere philosophische Bücher, aber auch Reise(tage)bücher.

Nach Wikipedia [4] setzte sich K. ab 1931 verstärkt mit dem Nationalsozialismus auseinander. Dort heißt es:

"Er bezeichnete ihn als Irrationalismus, der zur Katastrophe führen müsse, und folgerte: „der Nationalsozialismus […] darf […] als Partei niemals zur Führung gelangen“. Allerdings bemühte er sich, auch positive Aspekte im Nationalsozialismus zu finden. In der nationalsozialistischen Presse wurde er heftig angegriffen. Nach der Machtübernahme Hitlers erhielt er Redeverbot. Er konnte auch nicht mehr publizieren und durfte nicht mehr ins Ausland reisen. Wegen seiner Berühmtheit im Ausland wurden diese Verbote aber zeitweilig gelockert".

Auch im Stadtlexikon [1] schreibt Ute Gahlings, dass er nach 1933 mit "Rede-, Ausreise und Publikationsverboten" belegt worden sei. "1939 musste Keyserling, eine Inhaftierung befürchtend, Darmstadt für immer verlassen", schreibt Gahlings.

Nach Klee [3] bezeichnete Kurt Tucholsky K. 1928 als "lebensfremden Plauderer" und kritisierte sein Buch "Das Spektrum Europas" unter dem Titel "Der Darmstädter Armleuchter". Zuckmayer bescheinigte K. "massive Eitelkeit und Selbstüberschätzung ...". Nach Klee biederte K. sich nach 1933 in Briefen an Hitler an, fand aber wenig Gegenliebe. Goebbels habe am 3.3.1940 im Tagebuch notiert: "Ich erlaube nun doch das Buch von Keyserling. Es ist abstrus geschrieben, dass es kaum Schaden stiften kann. Edelgequatsche".

Die Qualifizierung Keyserlings als von den Nationalsozialisten Verfolgten gerät auch durch eine andere Quelle ins Schwanken: In der von Goebbels herausgegebenen Wochenzeitung "Das Reich" findet sich 1941 (!!) eine Werbeanzeige für ein Buch Keyserlings. Dort heißt es:

     "Graf Hermann Keyserling
     Betrachtungen der Stille und Besinnlichkeit
     In diesem Buch zieht Graf Keyserling die Summe seiner Erkennt-
     nisse und Lebenserfahrungen. 264 Seiten, in Leinen 4,--!"

In dem 1977 erschienenen Buch von Heinz Willmann [6] heißt es: "In Darmstadt hatte der Graf sein Publikum unter Leuten, die im Gestern besser zuhause waren als in der neuen Wirklichkeit"
    
Graf Keyserling, ein von den Nationalsozialisten Verfolgter?

Q: [1] [2] [3] [4] [6], Abbildung: [5]

 

zurück zur Übersicht