DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Windkanal in Griesheim, Ansicht von Nord-Osten (ca. 2007)
Windkanal in Griesheim, Ansicht von Nord-Osten (ca. 2007)
(An der Stirnseite der Reichsadler mit abgeschlagenem Hakenkreuz)
Windkanal Griesheim Von den sich auf dem Gelände des ehemaligen August-Euler-Flugplatzes in Griesheim befindlichen Gebäuden stellt der Windkanal ein bemerkenswertes bauliches Objekt dar. Er wurde nach Entwürfen von Dr.-Ing. Franz Nikolaus Scheubel (7.3.1899 Heilbad Heiligenstadt - 6.8.1976 Darmstadt, NSDAP seit 1.5.1937), der 1933 Nachfolger des gestorbenen Professors Carl Eberhard wurde, in den Jahren 1935 bis 1936 im Auftrag der Technischen Hochschule (TH, heute Technische Universität - TU) gebaut. An die Bauzeit in der Nazi-Zeit erinnert heute noch ein Reichsadler mit abgeschlagenem Hakenkreuz.

Damals befand sich auf dem Gelände auch der Sitz der Deutschen Forschungsanstalt für Segelflug (DFS). Es war im Dritten Reich eines der Zentren der Flugtechnikforschung, sowohl für militärische wie für zivile Zwecke.

Die Dimensionen des 3-Meter-Windkanals wurden so konzipiert, dass eine längerfristige Nutzung bis in die heutigen Tage möglich war und ist. Die Strömungsforschungen der TH stellten einen nicht unwesentlichen Beitrag dar, die daraus gewonnenen Erkenntnisse direkt in die militärische Flugzeugproduktion des Dritten Reiches einfließen zu lassen.

Der Windkanal wurde sowohl von der Technischen Hochschule als auch von der DFS bis Kriegsende 1945 betrieben. In den letzen Kriegstagen wurden alle wesentlichen technischen Anlagen des Windkanals ausgebaut, um sie nicht den anrückenden US-Militärs übergeben zu müssen. Es wird spekuliert, dass die unübliche vertikale (anstatt horizontale) Konstruktion und die "fehlenden technischen Innereien" dazu führten, dass der Windkanal nicht als flugtechnische Anlage von den US-Militärs eingestuft wurde. Somit wurde auf Demontage bzw. Vernichtung verzichtet.

Das Gebäude diente nach 1945 zunächst den US-Amerikanern als Kasino. Als 1954 den Deutschen wieder erlaubt wurde im Bereich der Luftfahrt zu forschen, richtete die TH eine Professur für Luftfahrttechnik ein. Berufen wurde Prof. Dr. Günther Bock (10.6.1898 Berlin-Charlottenburg - 21.2.1970 München), der seit Anfang der 1930er Jahre einen Lehrstuhl für Flugzeugbau an der TH Danzig hatte. Bis zum Zusammenbruch des faschistischen Systems war er verantwortlicher Leiter der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt in Berlin gewesen. Er baute das Institut in Darmstadt neu auf, nahm den Windkanal erneut in Betrieb und ließ Teile der technischen Ausrüstung erneuern. Das Gebäude ging wieder in den Besitz der TH über.

Unter Bocks Nachfolger Dr.-Ing. Xaver Haver, der 1966 sein Amt antrat, wurde in den 1970er Jahren der Windkanal aus- und umgebaut. Die letzte Modernisierung erfolgte 1988. Seit 1992 steht er als "wichtiges Zeugnis der technischen Entwicklung im Flugzeugbau" unter Denkmalschutz. Es ist das einzige Gebäude auf diesem Areal, das in Form, Material und Funktion original erhalten ist. Es ist der größte erhaltene Windkanal aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und der einzige seiner Art in Deutschland.

In der TU-Zeitung "hoch 3" vom 9. Oktober 2006 wird der Windkanal zum 70. Geburtstag gewürdigt als der "größte, der an einer deutschen Universität betrieben wird, und der älteste, der in Europa noch für Forschungszwecke genutzt wird", erklärte Professor Tropea vom Fachgebiet für Strömungslehre und Aerodynamik der TU Darmstadt. Ohne Windkanäle wäre der moderne Luftverkehr nicht möglich erklärte er weiter.

"Was passiert im Windkanal? Ein Windkanal dient dazu, die aerodynamischen Eigenschaften von Objekten zu untersuchen und zu vermessen. Typisch ist die Untersuchung der aerodynamischen Eigenschaften von Flugzeugen und Autos. Windkanäle bestehen aus einem oder mehreren großen Gebläsen, die Luftströmung erzeugen, aus Gleichrichterelementen und einer Düse, die für eine möglichst gleichmäßige, unverwirbelte Strömung sorgen. Zum Windkanal gehört auch die eigentliche Messstrecke, in der die Untersuchungen durchgeführt werden". [3]

Hat man früher nach Aussagen von Mitarbeitern des Instituts dort Militärflugzeuge bzw. Teile davon für die DASA getestet, liest man in der bereits zitierten Schrift hoch 3, dass "Einer der wichtigsten Partner der TU Darmstadt (ist) der deutsch-französische Flugzeugbauer EADS" ist. Aktuelle Forschungsschwerpunkte seien Grundlagenuntersuchungen zur Aerodynamik, zur Erfassung von atmosphärischer Turbulenz, Hochauftriebkonfigurationen, Turbulenzmodellierung und Halbmodellmesstechniken.

Zur Erinnerung: Die European Aeronautic Defence and Space Company (EADS) ist Europas größter Luft- und Raumfahrt-, sowie zweitgrößter Rüstungskonzern. Die DASA war ebenfalls bis ins Jahr 2000 ein deutscher Luft- und Raumfahrtkonzern und Exporteur von Rüstungsgütern.

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