DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Brandis, Gustav
Gustav Brandis
Gustav Brandis [2]
(17.5.1876 Tettens/Ostfriesland - 1948 Darmstadt) absolvierte nach dem Besuch der Volksschule eine Schlosserlehre und legte nach vier Semestern am Bremer Technikum das Ingenieursexamen als Maschinenbauer und Elektrotechniker ab. Nach dem Studium arbeitete er als Dreher, später als Ingenieur einer westfälischen Hütte für Dampfmaschinenbau.

Von 1898 bis 1905 war er Ingenieur in einem Mühlheimer Kabelwerk und sammelte dabei als Montageingenieur viele Auslandserfahrungen. 1905 wechselte er zum Rheinisch - Westfälischen - Elektrizitätswerk (RWE) und leitete ab 1908 im Auftrag der RWE den Ausbau des Leitungsnetzes im Kreis Düsseldorf.

1912 wurde er als Oberingenieur zur gerade gegründeten "Hessische-Eisenbahn-Aktiengesellschaft" (HEAG) nach Darmstadt versetzt und gehörte als Oberingenieur auch dem Vorstand der HEAG an. 1917 stieg er zum Prokuristen auf. Von 1919 bis 1945 war er Vorstandsvorsitzender der HEAG.

In dieser Eigenschaft war Brandis, auch Mitglied der NSDAP, zum Betriebsführer ernannt worden.
In der Chronik der HEAG aus dem Jahr 2012 heißt es, dass sein Verhalten als Unternehmensvorstand nach 1945 als zwiespältig beurteilt werde. "Einige Zeugen im Zuge des Entnazifizierungsverfahrens hoben seine Bekanntschaft mit SPD-Größen wie Wilhelm Leuschner hervor und betonten, er habe sich lange gegen das Verbot gesperrt, Juden von Bus und Straßenbahn auszuschließen. Brandis selbst behauptete, ihm habe 1933 die Entlassung gedroht, die er durch Beitritt zur Partei abgewendet habe. Mitarbeiter der HEAG sagten hingegen aus, Brandis habe bei Betriebsversammlungen immer darauf hingewiesen, dass die HEAG zu 90 Prozent nationalsozialistisch sei, und habe Mitarbeiter zur Rede gestellt, die ihn nicht mit 'Heil Hitler' grüßten".

"Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Brandis sich in seiner Eigenschaft als Betriebsleiter immer für die NS-Idee einsetzte", stellt der Leiter des Stadtarchiv Darmstadt, Dr. Engels fest.

So existiert von Brandis ein Schreiben vom 25. September 1933 an viele Mitarbeiter, in dem er ihnen vorwarf, sich gegen die nationale Revolution und ihre Ziele vergangen zu haben. Wenn sie sich weiter gegen Staat und Führer stellten, hätten sie die Folgen zu tragen. Mehrere leitende Mitarbeiter sagten später aus, sie seien in die NSDAP eingetreten, weil die Direktion ihnen
dies nahegelegt habe.

Aus den vielen Verhandlungen vor den Entnazifizierungskommissionen kommen uns diese Aussagen bekannt vor.

In der Chronik heißt es weiter: "Regelmäßige Betriebsappelle, bei denen häufig Propagandaredner der NSDAP auftraten oder Betriebsführer Gustav Brandis mit markigen Reden an das Durchhaltevermögen appellierte, dürften auch nicht viel geholfen haben. In einem Mehr Haltung in der Heimat übertitelten Aufruf vom November 1943 - kurz zuvor waren beim ersten schweren Luftangriff auf Darmstadt auch mehrere HEAG-Beschäftigte ums Leben gekommen - mahnte Brandis die Gefolgschaftsmitglieder, fest zur Heimatfront zu stehen und in diesem Sinne auch auf andere Volksgenossen, mit denen sie während ihrer Arbeit in Kontakt kämen, einzuwirken. …  Weiter wetterte er gegen die Verräterclique, die Italien zur Niederlegung der Waffen gebracht hätten, gegen die englischen und amerikanischen 'Plutokraten' und warnte vor der drohenden Bolschewisierung Deutschlands, denn Plutokraten und Bolschewisten (würden) einer einheitlichen Lenkung der Juden unterliegen. … Wenn Deutschland zusammenbrechen würde, werden die Bolschewisten freie Hand in Europa haben. Daran sollen alle die Törichten denken, die sich ein vorzeitiges Kriegsende wünschen, um weitere Blutopfer oder Beschränkungen ihrer Bequemlichkeit zu vermeiden. Nach weiteren Hetztiraden schloss Gustav Brandis mit der Aufforderung, tapfer weiter zu kämpfen bis zum Endsieg, auch wenn es dazu noch vieler Opfer bedürfe."

Brandis gehörte auch dem Vorstandsrat der Vereinigung von Freunden der Technischen Hochschule Darmstadt u. a. für die Geschäftsjahre 1937 bis 1939 an.

Nach 1945 blieb Brandis und das zweite Vorstandsmitglied Albert Iven bis zur Pensionierung am 1.9.1945 - Brandis war inzwischen 69 Jahre alt - im Amt.

Straßenschild
Straßenschild vor der Umbenennung (2019)
Die Stadt Darmstadt ehrte auch diesen Nazi-Funktionär, indem sie 1952 eine Straße nach ihm benannte (Brandisstraße, eine Stichstraße an der Heidelberger/Goethestraße), und am Haus Brandisstraße 2 war nach [3] eine Gedenktafel mit Reliefbüste von Brandis angebracht. Die Tafel war 2014 nicht mehr vorhanden.

Nach Vorlage der im Auftrag der Stadt Darmstadt im Mai 2019 vorgelegten Untersuchung "Projekt Darmstädter Straßennamen", die eindeutig belegt hat, dass Brandis ein überzeugter Nationalsozialist war, hat der Magistrat der Stadt Darmstadt beschlossen, die Straße in Jonathan-Heimes-Straße umzubenennen. Die Umbenennung erfolgte 2023.

Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6], Abbildungen: [2], Autoren

 

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