DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
HEAG - Hessische Elektrizitäts-AG
Am 15. April 1912 wurde in Darmstadt die Hessische Eisenbahn
Aktiengesellschaft (HEAG) gegründet. In ihr vereinigten sich die
bislang unter städtischer Hoheit betriebenen Elektrizitätswerke und die
Dampfstraßenbahn, die von der Süddeutschen Eisenbahngesellschaft (SEG)
betrieben worden war. Die Geschäftsfelder waren die Stromversorgung und
der Betrieb der Straßenbahn.
Die Machtübernahme
der Nationalsozialisten in Hessen und Darmstadt im Jahr 1933 hatte auch
Auswirkungen auf die HEAG. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates,
Oberbürgermeister Rudolf Mueller (1869-1954) verlor diesen Posten
ebenso wie die SPD-Stadtverordneten Wesp, Georg Wiesenecker (1884-1958)
und Kurt Ziegs (1884-1971), Justizrat Dr. Hugo Bender (Wohnung:
Heinrichstraße 43) und Prof. Otto Berndt (1857-1940). Sie wurden durch
Stadtverordnete der NSDAP ersetzt. Den Vorsitz im Aufsichtsrat übernahm
der im April neu ernannte NSDAP-Oberbürgermeister Heinrich Müller
(1896-1945), und 1934 dessen Nachfolger im Oberbürgermeisteramt Otto
Christian Wamboldt (1884-1945). Weitere neue Mitglieder des
Aufsichtsgremiums waren Bürgermeister Dipl. Ing. Otto Kopp (Wohnung:
Heidenreichstraße 27), Stadtkämmerer Dr. Aloys Fink (Wohnung:
Landskronstraße 44) und Stadtdirektor Dr. Ernst Stroh. Im Vorstand der
HEAG amtierten bis 1945 Albert Iven (ab 1934) und Gustav Brandis
(Wohnung: Voglerweg 5).
Auch unter den Mitarbeitern
gab es Veränderungen. Entlassene wurde durch Neueinstellungen ersetzt, sicher
durch viele NSDAP-Mitglieder. Genaue Aufzeichnungen hierüber liegen
leider nicht vor. Bereits vor 1933 war der Organisationsgrad der
Nationalsozialisten sehr hoch und nach der Machtübergabe stieg er
weiter an, so dass eine eigene NS-Betriebszelle, die NSBO, begründet
wurde, die später in der "Deutsche Arbeitsfront" aufging. Es gab eine
Abteilung der Werkschar, eine Werkfrauengruppe, und viele Fahrer
gehörten dem NS-Kraftfahrerkorps (NSKK) an. Der Betriebsrat wurde
ersetzt durch einen Vertrauensrat, an dessen Spitze der Betriebsobmann
Georg Maul stand. Die Überwachung des Personal wurde durch ein
Blockwalter- und Zellenwalter-System gesichert. Jede der bei der HEAG
bestehenden 17 Zellen mit je einem Zellenwalter an der Spitze bestand
aus bis zu 10 Blocks mit je einem Blockwalter an der Spitze.
Vorstandsvorsitzender
Brandis, NSDAP-Mitglied, hieß nun Betriebsführer. Über seine
Einstellung wird Widersprüchliches berichtet: er habe sich gegen das
Transportverbot von Juden in Straßenbahn und Bus gewandt, sagen die
einen, andere erinnern, wie er bei Betriebsversammlungen auf die
nationalsozialistische Ausrichtung der HEAG hingewiesen und Mitarbeiter
zur Rede gestellt habe, die ihn nicht mit "Heil Hitler" grüßten. Auch
habe er Mitarbeitern mit Folgen gedroht, wenn sie sich weiter gegen
Staat und Führer stellten.
-
- Bild aus der HEAG-Chronik von 2012
Im Betrieb gab es ab 1937
die Mitarbeiterzeitung "Der HEAG-Kamerad", die hauptsächlich der
Vermittlung der NS-Ideologie diente.
Im Mai 1941
wurde die HEAG - bei gleicher Abkürzung - in "Hessische
Elektrizitäts-Aktiengesellschaft" umbenannt.
Der
Kriegsbeginn 1939 zog durch die Einberufung vieler männlicher
Mitarbeiter
zur Wehrmacht große Veränderung nach sich. In den ersten neun Monaten
des Krieges wurden von den ca. 800 Mitarbeitern 233 zum Kriegsdienst
einberufen. Dafür mußten neue Mitarbeiter, überwiegend Frauen,
eingestellt werden. Auch der Verkehr der Straßenbahnen musste
eingeschränkt werden.
Ende des Jahres 1941 konnten
Straßenbahnbetrieb und Stromversorgung nur mit Hilfe von
Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern aufrecht erhalten werden.
Die
Chronik [2] gibt an, dass nach unvollständigen Unterlagen zwischen 1941 und
1945
52
Belgier und eine Belgierin,
15 Männer und zwei Frauen aus den Niederlanden,
55 Italiener und
27
Franzosen,
also insgesamt 149 Zwangsarbeiter
beschäftigt waren.
Hinzu
kamen ab 1942 russische Kriegsgefangene, die in einem Lager auf dem
Werksgelände am Böllenfalltor (Nieder-Ramstädter-Strasse 245)
untergebracht waren. Im Dezember 1942 war das Lager mit 40 Russen
belegt. Im Jahr 1942 erhielt die HEAG zweimal russische Kriegsgefangene
aus dem Mannschafts-Stammlager XIIa Limburg. Die Verpflegung erfolgte
durch eine eigens dafür eingerichtete Küche. Eingesetzt wurden sie in
der Wagenhalle, beim Bau der O-Bus-Strecke nach Ober-Ramstadt und bei
Gleis- und Pflasterarbeiten. Ein russischer Kriegsgefangener sei am 7.
Juli 1943 bei einem Unfall gestorben, das HEAG-Lager am Böllenfalltor
am 3.August 1943 aufgelöst worden. Als Lagerleiter gibt die HEAG in
einem Schreiben "An das Arbeitsamt Darmstadt" den Meister Friedrich R.,
als Sachbearbeiter den Dipl.-Ing. Karl K. an. Die verblieben russischen
Kriegsgefangenen seien an ein Bauunternehmen nach Biebesheim
abkommandiert worden. Warum dies geschah, ist leider nicht bekannt. In
den Veröffentlichungen der HEAG kam der Einsatz dieser Zwangsarbeiter
nicht vor.
Ab 1939 musste die HEAG, so die Chronik,
in
Luftschutzmaßnahmen investieren. Es ging um Splitterschutz für
freistehende Transformatoren, um Tarnanstriche für Gebäude und
Straßenbahnen, um nächtliche Luftschutzwachen und 1943 um die Verlegung
eines Hochspannungstransformators von Darmstadt nach Erbach, um ihn im
Katastrophenfalle vor Zerstörung zu schützen und auch die Notversorgung
der Stadt mit Strom zu sichern.
Die Reduzierung der
Treibstoffzuteilung führte zu Einschränkungen im Busverkehr. Dies
führte z. B. auch zur Einrichtung eines Oberleitungs-Busverkehr
zwischen Böllenfalltor und Ober-Ramstadt ab 1. März 1944.
Q:
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