DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Callmann (auch: Kallmann), Peter Karl (auch: Carl) (23.12.1879 Darmstadt -1943 Minsk) war in Darmstadt Staatsanwalt, Amtsgerichtsrat und Landgerichtsrat. Callmann entstammte einer Familie, die seit Jahrhunderten in Darmstadt ansässig war. Er gehörte zunächst der "israelitischen Glaubensgemeinschaft" an, ließ sich jedoch, nachdem er volljährig geworden war, evangelisch taufen. Am 1. März 1898 legte er am Neuen Gymnasium (1890 wurde ein Teil des Ludwig-Georgs-Gymnasium als "Neues Gymnasium" abgetrennt und in einem Neubau in der Lagerhausstraße (heute Julius-Reiber-Straße) untergebracht) sein Abitur ab und studierte anschließend an den Universitäten Lausanne, München und Gießen Rechtswissenschaften. Die erste juristische Staatsprüfung legte er 1901 mit der Note "Gut" ab.

Als Einjährig-Freiwilliger diente er bei einem Reiterregiment in München. Im Jahr 1904 promovierte er über das Thema "Zu den Vorschriften des BGB über den gutgläubigen Eigentums- und Pfanderwerb an beweglichen Sachen" in Gießen. Die zweite juristische Staatsprüfung bestand Callmann 1905 mit "Gut".

Von 1906 bis 1914 war er als Großherzoglicher Gerichtsassessor im Justizdienst beschäftigt.

Im Jahr 1906 heiratete Callmann Else Becker, eine Tochter des Darmstädter Oberlandesgerichtsrats a. D. Becker. Aus dieser Ehe sind zwei Söhne hervorgegangen.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Callmann zum Kriegsdienst einberufen. Hier wurde ihm das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse sowie die Hessische Tapferkeitsmedaille verliehen.

Am 31.7.1918 ernannte ihn das Großherzogliche Ministerium der Justiz zum Staatsanwalt in Darmstadt. Mit Wirkung vom 1.1.1925 wurde er zum Amtsgerichtsrat in Darmstadt und im Mai 1928 zum Landgerichtsrat am Landgericht Darmstadt ernannt.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde Callmann im November 1933 auf Grund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.4.1933 mit Wirkung vom 1.3.1934 in den Ruhestand versetzt. Ein Jahr später erhielt Callmann unter dem 18.12.1935 vom Reichsminister der Justiz seinen Entlassungsbescheid: "Auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes in Verbindung mit § 4 der 1. Verordnung dazu vom 14. November 1935 (RGBl. I S. 1333) treten Sie mit Ablauf des 31. Dezember 1935 in den Ruhestand". Der Grund war einfach: Callmann war Jude.

Da Callmanns Frau "Arierin" war, lebte er, im Nazi-Jargon, in einer "privilegierten Mischehe". Diese Tatsache und seine Auszeichnungen aus dem 1. Weltkrieg erklären, dass er - trotz bereits 1933 einsetzender antisemitischer Verfolgungen - bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges relativ unangefochten in Darmstadt leben konnte.

Dies änderte sich nach Kriegsbeginn. Im Winter 1939/40 wurde er mit anderen jüdischen Bürgern zu Straßenarbeiten gezwungen. In einem Strafverfahren gegen den diese Arbeiten beaufsichtigenden SA-Mann namens Späth wegen Annahme von Vergünstigungen und auch gegen Angehörige der zur Straßenarbeit gezwungenen Menschen wurde Callmann wegen erwiesener Unschuld freigesprochen. Späth wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Trotzdem war Callmann weiterhin Schikanen der Gestapo ausgesetzt. In dieser Auseinandersetzung hatte er es vor allem mit dem Leiter des "Referats für Judenangelegenheiten" Bruno Böhm zu tun.

Ein von Böhm in Callmanns Schreibtisch geschmuggeltes Flugblatt, ein sogenanntes Feindflugblatt, führte zu Callmanns Verhaftung und Verschleppung in ein KZ nach Minsk, in dem er 1943 ermordet wurde.

In Gedenken an Callmann wurde am 22. März 2012 vor dem Haus Hügelstraße 9, seinem letzten frei gewählten Wohnsitz, ein Stolperstein verlegt.


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