DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Geyl, Ernst-Günter (11.2.1909 Hamburg – 28.12.1980) gab im Meldeblatt von 1946 als aktuellen Beruf Schriftsteller und Diplom-Volkswirt, als früheren Beruf Sachbearbeiter bei der Hess. Landesregierung an. Seit 1935 habe er in Darmstadt gewohnt. Als Adresse war im Meldeblatt die Osannstraße 37 genannt.

Geyl hatte 1938 an der Universität Hamburg eine philologische Dissertation zu dem Thema "Die Philosophie des sozialen Lebens im deutschen Idealismus" vorgelegt.

1942 legte er an der Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Frankfurt eine weitere Dissertation über "Die Lehre vom Volk und die Wirtschaftslehre" vor.

Nach Angabe der Entnazifizierungskartei war er am 1. Oktober 1941 der NSDAP beigetreten.

Im Entnazifizierungsverfahren gelang ihm die Einstufung als Entlasteter.

Geyl war Ehrenmitglied der Gesellschaft für Deutsche Sprache, Wiesbaden, und Ehrenvorsitzender der Gesellschaft für Deutsche Sprache, Zweig Darmstadt.

In einer 1949 erschienenen Schrift "Diskussion über 'Die deutsche Jugend' und 'Jugendpflege, Jugendbewegung'" ist ein Beitrag von ihm enthalten. Darin heißt es unter anderem:

"Nicht die positiven Ziele des Nationalsozialismus haben die Jugend verführt, sondern einfach die Tatsache, daß er an Gemüt und Opferwille appellierte und dem ziellosen Enthusiasmus irgendein, gleichviel welches, bestimmtes Ziel zuwies. Die den Nationalsozialismus ablösende Demokratie ist der Gefahr des Scheiterns ausgesetzt, wenn sie sich nur an den Verstand (oder gar nur an bestimmte materielle Interessen) wendet und damit das "Gemüt", den Enthusiasmus kalt läßt. Alsdann wird dieser nach neuen Bindungen suchen und, weil er jetzt noch zielunsicherer geworden ist, für eine erneute Verführbarkeit hochgradig anfällig sein. Dieser Gefahr läßt sich lediglich dadurch begegnen, daß auch das demokratische politische Leben mit einem höheren Ethos durchdringt, das den Enthusiasmus und den Idealismus an sich zu fesseln weiß. Deshalb dürfen die politischen Parteien ihre Aufgaben nicht nur in der Sphäre des Materiellen und der Interessenkämpfe suchen, sondern müssen die von ihnen jeweils vertretenen Grundgedanken des Sozialen, Liberalen usw. als wirkliche ethische Grundkräfte letzter humanitär-menschlicher Daseinsbestimmung auffassen, sollen sie das idealistische Wollen des Deutschen an sich fesseln. ...

Hinsichtlich der endgültigen Überwindung nationalsozialistischer Ideologien in der Jugend (und überhaupt) hat die Erfahrung bewiesen, daß es unzweckmäßig ist, wenn man den Nationalsozialismus restlos in allen seinen Thesen, Erscheinungsformen und mit allen Beweggründen, welche seine Anhänger ihm in die Arme trieben, lediglich in Bausch und Bogen verdammt und das absolute Gegenteil seiner als die allein echte Weisheit verkündet. Einmal sind die früheren Anhänger des Nationalsozialismus der vielfach auch berechtigten Meinung, daß sie selber zwar geirrt hätten, daß aber ihre Antriebe, die sie zum Bekenntnis des Nationalsozialismus veranlaßt hätten, durchaus nicht nur verwerfliche gewesen seien, und eine radikale Verdammung wird sie nur mißtrauisch machen, erneut in die Opposition treiben und nur die frühere Gesinnung noch mehr versteifen und verhärten. ... Die radikale Negation des Nationalsozialismus wird daher am stärksten von konkurrierenden Bestrebungen verlangt werden, die eben nur eine andere Form kollektivistischen Fetischismus erkämpfen wollen. Wir dürfen aber nicht zu einer mit dem Nationalsozialismus konkurrierenden Lebensform gelangen, sondern zu einer solchen, die mit diesem schlechterdings nichts gemein hat und in einer ganz anderen Lebensebene, in einer völlig anderen Sphäre basiert ist. Eine solche Auffassung, die mit dem Nationalsozialismus nicht konkurriert und daher mit ihm nicht einen erbitterten Konkurrenzkampf auszufechten hat, wird leichter anerkennen können, daß in ihm manche richtigen Gedanken vertreten waren, die er aber gänzlich verfälscht, ja pervertiert hat; und eben dadurch wurde er in seinen Wirkungen viel bösartiger und gefährlicher, als wenn er schlechthin das ausschließlich Falsche gepredigt hätte".

Die Interpretation sei dem Leser überlassen.

Das Adressbuch von 1949 verzeichnete ihn in der Osannstraße 37


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