DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Holtzmann, Ernst (21.11.1902 Gießen - 14.7.1996 Darmstadt) war von
1948 bis 1967 in führender Stellung im Darmstädter Magistrat tätig:
- vom 21.12.1948 bis 27.6.1952 als Stadtrat
- vom 27.6.1952 bis 22.6.1962 als Stadtrechtsrat und
- vom 22.6.1962 bis
30.11.1967 als Bürgermeister
In einem vom Hessischen
Landtagspräsidenten herausgegebenen biografischen Handbuch wird über
Holtzmann Folgendes ausgeführt:
"Dr. Holtzmann, Ernst, CDU. Geboren am 21.11.1902 in Gießen. Abitur. 1921
bis 1924 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Gießen und
München. 1928 Staatsexamen, 1930 Promotion. 1928 bis 1941 in der
Stadtverwaltung Darmstadt, 1932 Rechtsrat. 1941 bis 1945 Kriegsdienst.
1945 bis 1947 Rechtsanwalt in Darmstadt. 1947 Oberrechtsrat, 1948
Stadtrechtsrat. Von Juni 1962 bis November 1967 Bürgermeister der Stadt
Darmstadt. 1964 Mitglied der 4. Bundesversammlung. Mitglied des
Hessischen Landtags vom 1.12.1954 bis 30.11.1966."
Nach einer im
April 2011 vorgelegten Studie des Historiker Hans-Peter Klausch war
Holtzmann seit 1.6.1940 mit der Mitgliedsnummer 7.655.333 Mitglied der
NSDAP.
Es
überrascht nicht, sondern zeigt die
Anpassungsfähigkeit vieler ehemaliger Nationalsozialisten, dass auch
Ernst Holtzmann die Zeichen der neuen Zeit erkannte. So findet sich
seine Unterschrift neben vielen anderen auf der
Gründungsurkunde
der Darmstädter Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit vom
10.11.1954.
-
- Nachruf auf Holtzmann in "Der Leibgardist" [9]
Laut Adressbuch 1942 wohnte Stadtrechtsrat Dr. H. in
der Landgraf-Georg-Straße 144 (Eigentümer: Bauverein für
Arbeiterwohnungen). Im Adressbuch 1952/53 ist er dort noch immer als
wohnhaft verzeichnet.
In seiner Eigenschaft als
Hessischer Landtagsabgeordneter setzte sich Holtzmann 1956 für eine gesetzliche
Regelung des "Zigeunerproblems" ein, indem er einen Gesetzentwurf
einbrachte mit dem Ziel, auch in Hessen die bayerische
"Landfahrerordnung" einzuführen. Die bayerische "Landfahrerordnung"
wurde
vom Bayerischen Landtag 1953 verabschiedet und schränkt einen Teil der
Grundrechte ein; soziale Aspekte der sog. Landfahrer wurden im Gesetz
nicht angesprochen.
Seine Rede im Hessischen
Landtag am
7.3.1956 zeigt, dass Holtzmann auch elf Jahre nach dem Ende des
menschenverachtenden NS-Regimes, in dem über 500.000 Roma ermordet
wurden - diesem System diente er als Mitglied der NSDAP in gewisser
Weise ja auch - der NS-Rassenideologie noch immer anhing. So
führte er
u.a. aus:
"Das Thema … befaßt sich mit
einer besonderen Gruppe
von Menschen, die der zivilisierten Welt immer wieder Schwierigkeiten
gemacht haben. … Man muß eben erkennen, daß es sich hier um eine Gruppe
von Menschen handelt, die man in ihren Lebensgewohnheiten einer
besonderen Regelung unterstellen muß, wenn man nicht immer wieder vor
Schwierigkeiten stehen will."
In seiner Rede ging er
mehrfach
auf das von SPD-Innenminister Leuschner
eingebrachte und von der
SPD-Mehrheit im damaligen Landtag des Volksstaates Hessen
verabschiedete "Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" vom
3.4.1929 ein und wollte hieraus Anleihen nehmen.
In
einer Rede im Hessischen Landtag, immer noch zu seinem Antrag
"Landfahrerordnung" am 6.2.1957 führte er u. a. aus:
"Als
die Bayern seinerzeit das Gesetz erließen, stellten sie fest - genaue
Ermittlungen sind sehr schwer, weil gerade die Fahrenden sich nur sehr
schwer statistisch erfassen lassen - daß damals in Bayern etwa 12.000
Fahrende vorhanden waren. … daß von diesen 12.000 Personen etwa 60
Prozent kriminell sind. …"
Die Initiative
Holtzmanns fand im
Landtag keine Mehrheit. "Innenminister
Schneider (SPD), sprach sich
entschieden dagegen aus, ein Gesetz zu verabschieden, das in die Nähe
der Rassengesetze oder eines der anderen diskriminierenden Gesetze der
Dritten Reiches gerückt werden könne …"
Auf
Grund
Holtzmanns führender politischer Funktionen in der Stadt Darmstadt als
hauptamtlicher Stadtrat und als CDU-Landtagsabgeordneter halten die
Autoren
einen Bericht über die politische Vergangenheit des ehemaligen
Bürgermeisters für unumgänglich und appellierten am 6.2.2013 an
Oberbürgermeister Partsch (Grüne) und die politischen Fraktionen im
Darmstädter Stadtparlament, einen entsprechenden Beschluß zu fassen.
Die
Sozialdemokratische Fraktion empfahl in ihrer Antwort, sich an den
Magistrat zu wenden, da "Herr
Dr. Holtzmannn … Mitglied des Magistrats
der Stadt Darmstadt (war)".
Der
Oberbürgermeister sah in
seiner ausführlichen Antwort vom 24.6.2013 letztlich keinen Anlass für
eine Untersuchung, weil bei Holtzmann ein aktives Eintreten für die
Ziele der Nazis nicht eindeutig nachzuweisen sei.
Alle
anderen angeschrieben Fraktionen sahen keinen Anlass, auf den Vorschlag
der Autoren zu antworten.
Inzwischen
berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 9.7.2014, dass
Historiker im Auftrag des Hessischen Landtags unter anderem auch die
Biografie von Holtzmann weiter untersuchen sollen.
An der Bernhardsackerschneise zwischen der Straße nach Dieburg und dem Rotsuhlweg wurde einer Eiche zu Ehren von Ernst Holtzmann der Name
"Ernst-Holtzmann-Eiche" verliehen. Die Veröffentlichung [8]
nennt die Daten des Baumes: Durchmesser 1,40 m, Umfang 4,39 m, Höhe 29 m und ein Alter von ca. 400 Jahren.
Q:
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[8], Abbildung:
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