DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Löhr, Walter
(27.9.1911 Darmstadt - 4.10.1976 Darmstadt) war von 1953
bis 1972 Abgeordneter des Deutschen Bundestages und von 1959 bis 1973
auch Abgeordneter im Europäischen Parlament. Er gehörte nacheinander
der NSDAP, der SPD und ab
1947 der CDU an.
Nach dem Abitur in Darmstadt
studierte Löhr von 1932 bis 1937
Wirtschaftswissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in
Frankfurt und promovierte 1938 mit einer Arbeit über "Das
Leistungsprinzip in der Lohngestaltung". Nach kurzer Beschäftigung im
Hessischen Landesdienst in Darmstadt (Statistisches Landesamt Hessen)
war er von 1938 bis 1940 Referent bei der Devisenstelle Darmstadt. Noch
wissen die Autoren nicht, welches seine konkreten Aufgaben und
Zuständigkeiten
bei der Devisenstelle waren. Anschließend war er bis 1945 beim
Reichsamt für Wirtschaftsaufbau und als Generalbevollmächtigter für
Sonderfragen der chemischen Erzeugung in Berlin tätig.
Nach
1945 war er
Vertragsangestellter (Dezernent) für Wiederaufbau beim
Regierungspräsidenten in Darmstadt und ab 1946 Geschäftsführer des
Verbandes der Chemischen Industrie - später auch Dozent an
der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und Industriedirektor bei
Röchling in
Völklingen.
Politisch engagierte sich Löhr zunächst - für seinen bisherigen
Lebenslauf eher unerwartet, aber vielleicht politisch ganz opportun –
bei der SPD, wechselte aber bereits 1947 zur CDU. Dort wurde er
Mitglied im Kreisvorstand Darmstadt der CDU und auch im Landesvorstand
der hessischen CDU.
Von 1954 bis 1967 war er
CDU-Landesschatzmeister.
Während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter gehörte er u. a. den
Ausschüssen für Beamtenrecht, für Außenhandelsfragen, für Atomfragen,
für Verteidigung und für Wirtschaftspolitik an. Eine kleine Meldung im
SPIEGEL (1965) unter "Personalien" bringt etwas Licht in seine
politische Einstellung. Dort heißt es:
Walter Löhr, 54, Professor Dr. rer. pol. und CDU-MdB aus Darmstadt, der
1947 von der SPD (Mitgliedsnummer: 906) zur CDU überwechselte, weil die
Sozialdemokraten nach seiner Ansicht den "Aufbau unseres Vaterlandes
methodisch mittels dem Sozialprinzip zur Erreichung eines wahren
sozialistischen Staates" vernachlässigten, und nach eigener Aussage ein
Freund des portugiesischen Diktators Salazars ist, unterwies junge
DGB-Mitglieder aus Darmstadt und Hanau auf einer Diskussion im Bonner
Bundeshaus: "Diktatur ist von sich aus nichts Schlechtes. Es kommt nur
darauf an, ob sich der Diktator im Sinne des Gemeinwohls verzehrt."
Antwort eines Gewerkschafters: "Ich bin erstaunt, daß es ein
Abgeordneter des Deutschen Bundestages wagt, im Bundeshaus als dem Sitz
der Staatsgewalt, die vom Volke ausgeht, zu sagen, Diktatur an sich sei
nichts Schlechtes. …".
Diese Aussage für einen gewählten Volksvertreter ist etwas schwer
verständlich, aber vieleicht auf dem Hintergrund seiner Biografie
erklärlich. Sie schadete seiner weiteren politischen Laufbahn jedoch
ebenso wenig, wie seine Nähe zu den Nationalsozialisten: Immerhin trat
er im Mai 1933 dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund
(NSDStB) und am 1. November 1933 der Sturmabteilung (SA), also der
Schlägerbande der NSDAP, bei. Allerdings wurde er aus der
SA wieder ausgeschlossen, aus leider nicht bekannten Gründen. Für
seine Mitgliedschaft in der NSDAP von 1941 bis 1945 erhielt er im
Entnazifizierungsverfahren das Prädikat "Mitläufer" und wurde zu einer
Sühnezahlung von 1.000 Reichsmark verurteilt.
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