DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Loeschke, Adalbert
Adalbert Loeschke
Adalbert Loeschke, ca. 1960 [13]
(19.10.1903 Angermünde - 1970) war ein deutscher Pädiater. Er studierte Medizin in Tübingen und Berlin und promovierte 1928 in Berlin mit einer Arbeit über "Aneurysma dissecans auf luetischer Grundlage". 1936 legte er in Göttingen seine Habilitation vor.

Adalbert Loeschke zog 1926 nach Darmstadt und wohnte zunächst in der Wilhelmstraße 25. Im August 1934 heiratete er Ilse Fölsche, mit der er vier Kinder hatte. Von 1939 bis 1941 war er als Truppenarzt bei der Reichswehr, und 1941 wurde der "Dozent Dr. Adalbert Loeschke zum Chefarzt des Kinderkrankenhauses in Litzmannstadt ernannt", meldete die Klinische Wochenschrift. Litzmannstadt nannten die Nazis die polnische Stadt Lodz im von den Nazis besetzten Polen.

Ein Jahr später wurde "der Dozent Dr. med. habil. Adalbert Loeschke (Kinderheilkunde) außerplanmäßiger Professor".

In der Litzmannstädter Zeitung vom 3.10.1942 wird er als Chefarzt der Städtischen Kinderkliniken im Zusammenhang mit der Prüfung von Kinderkrankenschwestern erwähnt.

Loeschke war 1937, nachdem die Aufnahmesperre in die NSDAP aufgehoben worden war, Parteimitglied geworden und blieb dies bis zum Kriegsende.

Loeschke verzog nach dem Krieg wieder nach Darmstadt. Das Meldeblatt enthält den Eintrag "9.8.1945 Landwehrstraße 7 ½", wo er mit Familie, die Ehefrau war 1945 mit Kinder aus Göttingen nach Darmstadt zugezogen, wohnte. Daher musste er sich in Darmstadt einem Entnazifizierungsverfahren stellen. Auf der Entnazifizierungskarte ist neben der Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Ärztebund (NSAeB) von 1934 bis 1945 auch eine SA-Mitgliedschaft von 1933 bis 1945 (Sturmführer) vermerkt. Nachdem er zunächst als Mitläufer eingestuft und zu einer Sühne von 2.000 Reichsmark verurteilt worden war, ist auf der Karteikarte beides gestrichen und enthält den Vermerk "eingestellt". Bereits im Amtlichen Mitteilungsblatt für die Stadt Darmstradt Nr. 12 vom 11.8.1945 ist Loeschke wieder unter Kinderarzt als "Prof. Dr. Loeschke, Landwehrstr. 7 ½" verzeichnet. Auch Im Adressbuch 1952/53 ist Loeschke als Kinderarzt "Prof. Dr. med., Landwehrstr. 7 ½" verzeichnet.

Im Jahr 1953 zog die Familie in das als Eigentum erworbene Haus in der Osannstraße 33. Unter dem 1.9.1953 verzeichnet das Meldeblatt "Eheleute mit 4 Kindern". Ende März/Anfang April 1955 ist ein Umzug nach Berlin-Zehlendorf, Täubchenstraße 17 vermerkt. Im Februar/März 1969 kehrte offenbar die Ehefrau nach Darmstadt in die Osannstraße zurück.

1957 wurde Loeschke in der Sektion Pädiatrie Mitglied der Leopoldina in Halle. Von 1958 bis 1970 leitete er den Berliner Paritätischen Wohlfahrtsverband.
In der medizinischen Dissertation von Christa Rinck geb. Eckinger aus dem Jahr 1965 geht hervor, dass Loeschke das Amt des Dekans der Medizinischen Fakultät der Freien Universität Berlin inne hatte. In dem Papier der Berliner Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin wird mitgeteilt, dass nach dem Bau der Mauer 1961

"diese "Kinderärztlichen Abende" unter Leitung von Adalbert Loeschke nur noch im Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus (KAVH) stattfanden. . Nachdem zunehmend mehr Westberliner Kinderkliniken eigene Fortbildungsveranstaltungen durchführten, wandte sich der damalige Vorsitzende der "Vereinigung Westberliner Kinderärzte", Heimo Isbert, in Schreiben an Loeschke und die Chefärzte aller Westberliner Kinderkliniken 1964 und 1968 mit dem Vorschlag, doch wieder eine Berliner Gesellschaft zu gründen, die die wissenschaftlichen Themen vertreten sollte".

In einem weiteren Papier mit dem Titel "Die Anfänge der Kinderheilkunde in Berlin (5) - Kaiserin Auguste Victoria Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche", leider ohne Datum, aber mit der Anmerkung: "Zusammenstellung: Th. Lennert, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Charité-Universitätsmedizin, Campus Benjamin Franklin" enthält eine kurze Vita, die hier wörtlich wiedergegeben wird:

Adalbert Loeschke (1903 - 1970)

Geboren in Angermünde. Studium der Medizin in Tübingen und Berlin. 1928 Promotion zum Dr. med. 1928-30 Physiol. Chemie in Leipzig, 1930-32 Pädiatrie in Göttingen (Beumer), 1932-41 in Köln (Kleinschmidt), dort 1936 Habilitation. 1939-41 Truppenarzt, 1941- 45 kommissarischer Leiter der Kinderklinik in Litzmannstadt / Lodz. 1945-1954 Kinderarzt in Darmstadt. 1954-70 Direktor des KAVH und Ordinarius für Kinderheilkunde an der FU.

Glykogen-Speicherkrankheiten, Chemotherapie der Säuglingsdyspepsie, Infektionsprophylaxe auf Neugeborenenabteilungen, Niere und Wachstum, Therapie mit Wachstumshormon, aber auch Schutz von Kindern vor Gewalttätigkeiten, kindgerechte Architektur. Lehrbuch für Kinderpflege. Mit Klose: "Lehrbuch der Kinderheilkunde".

1966 Vorsitzender der Deutsch. Ges. für Kinderheilkunde und Kongreßpräsident in Berlin.

Mitglied der Leopoldina. Ehrenmitgliedschaften in Chile, Japan, Türkei und Österreich, sowie der Deutschen Gesellschaft. Starkes Engagement in der Verbesserung der studentischen Lehre. Beginn einer Departmentbildung an seiner Klinik.

Loeschke hat als Direktor der Kinderklinik eine von der Firma Nestle herausgegebene Schallplatte zum Thema "Aus der Geschichte der Berliner Pädiatrie" besprochen. Ob auch weitere geschäftliche Beziehungen zwischen Loeschke und der Firma Nestle bestanden, ist nicht bekannt.

1966 wurde Prof. Dr. Adalbert Loeschke Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ). Vom 24. -25. März 1972 fand im Hörsaal des Physiologisch-Chemischen Institutes der Martin-Luther-Universität in Halle/Saale ein "Adalbert-Loeschke Gedächtnis Symposium" statt.

Auffällig ist, dass in keiner der zitierten Quellen auf Loeschkes Mitgliedschaft in der NSDAP, dem NSAeB und der SA hingewiesen wird. Vermutlich hat sich diese Frage aufgrund Loeschkes Aktivitäten als Kinderarzt nach 1945 überhaupt nicht gestellt. Weiter stellt sich die Frage, was das NS-Regime bewog, einen anerkannten Kinderarzt im Krieg in das besetzte Polen zu entsenden. Bestand seine Aufgabe darin, polnische Kinder zu behandeln, oder die Kinder der angesiedelten Deutschen, oder war er gar an der Ermordung polnischer Kinder beteiligt? Eie Frage, die der dringenden Klärung bedürfte. Leider erbrachten Nachfragen bei jenen Autoren, die sich mit dem "Getto Litzmannstadt" beschäftigen, (noch) keine Erkenntnisse.


Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12], Abbildung: [13]

 

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