DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Schenck AG Am 1. Oktober 1881 gründete Carl Schenck in Darmstadt das Unternehmen "Carl Schenck, Eisengießerei und Waagenfabrik". Er kaufte an der Landwehrstraße die Eisengießerei der Gebr. Reuling mit einer Fläche von 6.700 Quadratmetern. Das Produktionsprogramm umfasste u. a. Waggonwaagen, Fuhrwerkswaagen, Viehwaagen und Dezimalwaagen. Um seine Firma in jüngere Hände zu legen - sein einziger Sohn war gestorben - gründete der 59jährige am 1. Juni 1894 die "Carl Schenck Eisengießerei und Maschinenfabrik Darmstadt GmbH" und nahm seinen Schwiegersohn Dr. Georg Büchner und seinen Neffen, Ingenieur Emil Schenck, als Gesellschafter und Geschäftsführer in sein Unternehmen auf. Im Jahr 1897 wurde in der Raiffeisenstraße 6 in Arheilgen in der Nähe des Bahnhofs ein 30.000 qm großes Gelände gekauft und darauf Fabrikanlagen für den Kranbau errichtet.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 seien "etwa ein Drittel der Schenck´schen Gefolgschaft sofort zu den Fahnen " geeilt, schreibt Schenck. Der Begriff "Gefolgschaft" wurde bei Schenck zu dieser Zeit fast durchgängig für die Mitarbeiterschaft verwendet. Er fand auch im nationalsozialistischen Arbeitsrecht Verwendung. Er bezeichnete die Gesamtheit der Arbeiter und Angestellten eines Betriebes. Er drückte die bedingungslose Unterwerfung unter den Betriebsführer aus. "Alsbald wurden Rüstungsaufträge in größerem Ausmaß für die Werke in Darmstadt und Arheilgen übernommen. Man betrachtete das als selbstverständliche vaterländische Pflicht".
Der Guß von Granaten habe wegen der engen Raumverhältnisse nicht übernommen werden können, heißt es fast bedauerlich. Jedoch konnte Munition hergestellt werde.
Die fehlenden Arbeitskräfte wurden durch Frauen und Kriegsgefangene ersetzt, schreibt Schenck. Die Zahl der Beschäftigten sei von 750 vor dem Krieg auf 850 am Schluß des Krieges erhöht worden.
Auch den betriebsangehörigen Kriegstoten wird gedacht: "Auch draußen vor dem Feinde in West und Ost haben die Angehörigen des Unternehmens - und zwar dort in besonderem Maße - ihre volle Schuldigkeit getan. Davon zeugt die Feststellung, dass 43 Kameraden in dem vierjährigen Ringen den Opfertod fürs Vaterland gefunden haben. Ehre ihrem Andenken!"

Nach 1933 konnte sich das Werk weiter entwickeln. Der Bau der Reichsautobahn förderte die Produktion von Waagen. In den Jahren des Krieges scheint es der Firma sehr gut zu gehen. Schenck erwähnt zahlreiche Umbauten des Werkes, wie auch verschiedene soziale Leistungen für die Beschäftigten und die "Altveteranen".
Die Beteiligung an rüstungsrelevanter Produktion wird nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch scheint die Produktpalette (Wuchtmaschinen, Kraftwagenprüfstände, Flüssigkeitsbremsen u. v. a. m. durchaus rüstungsrelevant gewesen zu sein. In einer von einem früheren Mitarbeiter der Firma erstellten "Chronik" wird jedoch klargestellt, dass "Schenck ... wie alle deutschen Firmen in die Kriegsproduktion eingebunden" war. Die Produktion für den Heeresbedarf habe bei nahezu 13 Prozent des Gesamtumsatzes gelegen. Es seinen u. a. Bordkanonen und Granaten produziert worden.

Die Hessische Landeszeitung von 1941 berichtet von einer Feier der Betriebsgemeinschaft, in deren Rahmen auch der Gesang gepflegt wurde. So wurde die Feier u. a. durch das gemeinsam gesungene Lied "Volk ans Gewehr" eingeleitet. Der "stellvertretende Betriebsführer Pg. Wiemer begrüßte den Kreisfachabteilungswalter Pg. Belz, den Kreispropagandaleiter Pg. Fischer, den Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe Maintor, Pg. Schneider, den Ortsobmann der DAF, Ortsgruppe Maintor, Pg. Werner...". In seiner Rede streifte der stellvertretende Betriebsführer "die letzte Rede des Führers und erwähnte gleichzeitig nochmals die großen Leistungen unserer Wehrmacht. ... Zum Schluß gedachte er noch der Toten unserer Firma, die für Führer und Großdeutschland gefallen sind. ... Zur Verschönerung der Feier hatte sich liebenswürdiger Weise noch die bekannte Xylophonspielerin Frl. Edith Mann zur Verfügung gestellt".

Vom Einsatz von Fremd- oder Zwangsarbeitern ist in der 1941 erschienen Schrift nichts zu lesen.

Nach Unterlagen des Stadtarchivs haben bei der Fa. Schenck mindestens 123 russische Zwangsarbeiter und mindestens 184 französische Zwangsarbeiter ab 1942 arbeiten müssen.

Untergebracht waren sie u. a.
in der Arheilger Turnhalle in der Frankfurter Straße
in der Bessunger Turnhalle
in der Aumühle in Wixhausen
in der Heidelberger Straße 131
in der Kahlertstraße 41 und
in der Landwehrstraße.

Auf eine Anfrage der Autoren im Jahr 1995 hinsichtlich der Beschäftigung von Zwangsarbeitern antwortete die Fa. Schenk, Abt. Verkaufsförderung (R. Schneider) mit Datum vom 14. Februar 1995 u. a.: "Wir haben in unseren Archivunterlagen sehr gründlich nachgesehen, konnten aber keine Hinweise mehr auf die Beschäftigung von Zwangsarbeitern finden. Wie Sie vielleicht wissen, wurde unser Werk ebenso wie Darmstadt durch Bombeneinwirkungen 1944 stark beschädigt. Möglicherweise sind hier auch erhebliche Unterlagen und Archivmaterialien verloren gegangen."

Auf eine Anfrage der Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter unter dem NS-Regime, Stuttgart, Büro Hessen vom 24. März 1999 betreffend Entschädigung für Zwangsarbeit während des NS-Regimes antwortete die Firma unter dem 3. Mai 1999, dass sie „die von Ihnen angegebene Zahl von ca. 180 in der Zeit von 1941 bis 1945 bei der Fa. Carl Schenck eingesetzten ausländischen Zwangsarbeiter … weder dementieren noch bestätigen“ könne. Haus interne Untersuchungen seien bisher ohne Ergebnisse geblieben. Über Inhalt, Struktur und den Rechtscharakter der damals verhandelten Bundesstiftung zur Entschädigung lägen ihnen - außer Presseartikeln - keinerlei konkrete Informationen vor.

Auf die erneute Frage der Interessengemeinschaft mit Schreiben vom 10. November 1999, ob die Firma der Stiftungsinitiative beigetreten sei, gibt das Antwortschreiben vom 20. Dezember 1999 erst gar keine Antwort. Dem Hinweis auf Unterlagen im Stadtarchiv wolle man allerdings nachgehen.

Diese Stellungnahme einer über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Darmstädter Firma macht einfach sprachlos: Von der Ausbeutung der Zwangsarbeiter profitierte man gerne, verantwortlich für eine nachträgliche ja auch nur symbolische "Entschädigung" fühlte man sich nicht.

Nach 1945 wurden aufgrund von Gesetzen der amerikanischen Militärregierung die beiden Geschäftsführer Dipl.-Ing. Ludwig Büchner (ein Enkel des Firmengründers) und Dipl.-Ing. Robert Wilms wegen Mitgliedschaft in der NSDAP oder anderer Organisationen entlassen.

In der Veröffentlichung der DFG.VK Darmstadt aus dem Jahr 1993 mit dem Titel "Geschäfte mit dem Tod bringen Bombenprofit" [10] heißt es zur Fa. Schenck:

"Die Carl Schenck AG (Maschinenbau) baute Motorenprüfstände für Militärfahrzeuge ( Rad- und Kettenfahrzeuge), die z. B. in der Wehrtechnischen Dienststelle WTD 41 der Bundeswehr in Trier stehen (Soldat und Technik 1/90, S. 23-27; Wehrtechnik 12/88, S. 54)".

In der im Jahr 2000 erschienen 1. Auflage des vorliegenden Lexikons schrieben die Autoren hinsichtlich der aktuellen kriegsrelevaten Produktion:

"Im Zusammenhang mit unzulässigen Lieferungen von kriegstauglichem Material in Spannungsgebiete wurde bei der Firma Schenck nach Ausbruch des Golfkrieges (1991) durch die Staatsanwaltschaft umfangreiches Material sichergestellt. Da kein eindeutiger Nachweis geführt werden konnte, wurde keine Anklage erhoben. Dass die Firma Rüstungsgüter produziert, steht außer Frage (z. B. Kreisel zur Steuerung von Raketen, Auswuchtmaschinen)."

Seit dem Jahr 2000 ist die Carl Schenck AG eine Tochtergesellschaft des global agierenden Dürr-Konzerns. Im Jahr 2004 wurde der Schenck Technologie- und Industriepark eröffnet.


Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10]

 

zurück zur Übersicht