DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Born, Eckehard
(geb. 27.8.1914 Offenbach) war ein Darmstädter
Lehrer, zuletzt Oberstudiendirektor an der Georg-Büchner-Schule (GBS)
in Darmstadt.
Born, Sohn eines Lehrers, verlebte seine Jugend in
Darmstadt und legte
1933 die Reifeprüfung am Realgymnasium Darmstadt ab. Ab Sommersemester
1933 studierte er in Heidelberg Deutsch, Englisch und Geschichte,
wechselte nach drei Semestern nach Würzburg und setzte im
Wintersemester das Studium in Erlangen fort. Dort promovierte er 1937
(Tag der mündlichen Prüfung 16.2.1937) zum Dr. phil. bei
Prof. Maurer mit der Arbeit
"Die Mundart in Darmstadt und in seinem Umland".
Seine Lehrer waren die Professoren Maurer, Brotanek, Erich Freiherr von
Guttenberg, Hampe, Hops, Mathes, Panzer, F. R. Schröder, von Wiese und
Zimmermann. Die Dissertation selbst beschäftigt sich mit einer
Thematik, die keine Nähe zur nationalsozialistischen Ideologie erkennen
lässt. Im Vorwort seiner Dissertation jedoch dankt Born vor
allem "meinem verehrten
Lehrer Professor Friedrich Maurer, der das Thema
gestellt und die Arbeit während ihres Entstehens mannigfach durch
seinen Rat gefördert hat".
Wer war
dieser von Born so verehrte Lehrer?
Maurer (1898 Lindenfels - 1984 Merzhausen bei Freiburg) besuchte auch
in Darmstadt das Gymnasium, studierte an den Universitäten Frankfurt,
Heidelberg und Gießen Germanistik und wurde 1931 Professor in Erlangen,
1937 in Freiburg und blieb dies auch nach 1945. Maurer war aber auch
Mitglied des republikfeindlichen "Stahlhelm - Bund der Frontsoldaten",
war zeitweise Mitglied der SA, trat nach Ende der Aufnahmesperre 1937
der NSDAP, dem
NS-Lehrerbund, dem NS-Dozentenbund und dem
NS-Altherrenbund der deutschen Studenten bei. 1937 und 1938 war er
Dekan der philosophischen Fakultät und 1940 bis 1944 wurde er gar als
Prorektor zeitweise mit der Leitung der Universität betraut. Seit
1938/39 arbeitete Maurer beim SS-Ahnenerbe mit. 1941 wurde Maurer
innerhalb der Philosophischen Fakultät Vertrauensmann des
NS-Dozentenbundes.
Zurück zu Born. Auch Born war am
1.5.1937 der NSDAP beigetreten und
gehörte bereits ab 1.11.1933 der Schlägerabteilung der Partei, der SA
als Sturmmann an. Während des Studiums war er ab 1.5.1933 bis 1938
Mitglied des NSDStB (Studentenbund). Weitere Mitgliedschaften bestanden
im NSLB und der
NSV. In den Entnazifierungsunterlagen
gibt er als Religion "gottgläubig" und als Adresse Olbrichweg 19 an.
Der Staatsanzeiger vom 27.11.1946 berichtet unter Personalien von der
Entlassung von "Studienassessor Dr. Eckehard Born, Darmstadt" zum
3. Oktober 1946. In einem Vermerk des Regierungspräsidenten Darmstadt
vom 13.5.1947 heißt es:
"Personalakten
sind keine vorhanden, Dr. Born ist beim Regierungspräsidenten Dst.
nicht bekannt geworden. Dr. B. ist
am 3.10.46 aus dem Schuldienst entlassen worden".
Es liegt nahe, dass die enge Nähe Borns zum NS-Regime der Grund für die
Entlassung war. Doch das Entnazifizierungsverfahren endete mit einer
"Weihnachtsamnestie", und da man Lehrer brauchte, ist davon auszugehen,
dass seine Rückkehr in den Schuldienst sehr bald stattfand.
Born
hatte
das 1961 gegründete Studienkolleg in Darmstadt aufgebaut und bis 1969
geleitet. Danach wurde ihm die Leitung des Darmstädter Gymnasiums
"Georg-Büchner-Schule" übertragen. In den bewegten Jahren von 1969 ff.
erlangte er dort unter anderen "Berühmtheit" im sogenannten Fall Lüdde.
Heinz Günter Lüdde war ein junger Studienassessor, der Ende der 1960er
Jahre mit emanzipatorischen Ideen frischen Wind in die Schule bringen
wollte.
"Doch
seine
Lehrmethoden erscheinen selbst im sogenannten
Bildungsmusterland derart fortschrittlich, daß Darmstadts
Regierungspräsident Hartmut Wierscher dem Assessor Ende September wegen
'pädagogischen Fehlverhaltens' und verfrühter Sexual-Aufklärung zum
zweitenmal innerhalb von zwölf Monaten das Lehrverhältnis kündigte".
schrieb
der Spiegel 1969. Ein Grund für die Kündigung war "Ein
Liebesversuch", eine Kurzgeschichte von Alexander Kluge. Dabei handelte
es sich nicht, wie der Titel vermuten ließ, um einen Beitrag zur
sexuellen Aufklärung. Nein. Es handelte sich um medizinische Versuche,
die in der Nazi-Zeit von Ärzten an KZ-Häftlingen vorgenommen wurden.
Bei diesem Thema erinnerte sich Born sicherlich an seine Vergangenheit
in der Nazizeit, daran, dass er selbst der Partei angehört hatte, die
die Vernichtung der Juden auf ihrer Agenda hatte. Es stellt sich die
Frage, ob seine scharfe Reaktion hierin auch eine Begründung findet.
"Regierungspräsident Wierscher
rügte wegen der bei Kluge im Mittelpunkt
stehenden sexuellen Problematik einen in keiner Hinsicht
gerechtfertigten, fast brutal anmutenden Zwang auf die Schüler".
Sein
Vizepräsident ergänzte:
"Es
sei eine Zumutung, daß sich junge Menschen
im Alter von 15 und 16 Jahren in die Verhältnisse eines
Konzentrationslagers hineindenken sollen und auch in die Psyche mehr
oder weniger schwuler SS-Leute, die, vor den Gucklöchern stehend, das
Verhalten von zwei sterilisierten Juden beobachten".
Es
sei hier daran erinnert, dass der Frankfurter Auschwitz-Prozess, der
die menschenfeindlichen Praktiken in den Konzentrationslagern
offengelegt hatte, gerade drei Jahre zurück lag.
Die Kündigung stieß bei Schülern und zahlreichen Eltern nicht auf
Zustimmung. Schulstreiks und Demonstrationen waren die Folge.
Schulleiter Born drohte den Eltern von 200 Schülern die Möglichkeit
eines Schulverweises an. Der Darmstädter Pädagogik-Professor Gamm
wandte sich im Einvernehmen mit dem Hochschulrektor gegen die
Disziplinierung von Lüdde. Borns Vergangenheit als Nationalsozialist
hat ihm nicht geschadet, er wurde in Ehren Ende der 1970er Jahre in den
verdienten Ruhestand verabschiedet.
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