DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Edschmid, Kasimir (eigentlich Schmid, Eduard Hermann Wilhelm (5.10.1890 Darmstadt - 31.8.1966 Vulpera/Schweiz) gilt als der große Darmstädter Schriftsteller.

Nach dem Abitur am Ludwig-Georgs-Gymnasium (LGG) in Darmstadt studierte Edschmid von 1909 bis 1914 Germanistik, Romanistik und Geschichte an den Universitäten München, Paris, Gießen, Straßburg und Genf. Während des Ersten Weltkriegs begann er als freier Mitarbeiter bei der Frankfurter Zeitung und war für sie bis 1943 tätig.
Von 1915 bis 1935, in einer Beziehung mit Erna Pinner (1890-1987) lebend, bereisten sie meist gemeinsam Europa, Afrika und Südamerika. Er wurde zu einem bedeutenden Reiseschriftsteller seiner Zeit. 1919 gehörte er zu den Mitbegründern der "Darmstädter Sezession" und war auch bis 1921 deren Präsident. Der ab 1919 erscheinenden expressionistischen Zeitschrift "Tribunal" gehörte er als Mitarbeiter an. 1927 erhielt Edschmid den "Georg-Büchner-Preis" des Volksstaates Hessen.
Während des Nationalsozialismus wurde er, so heißt es, mit Schreib-, Rede- und Rundfunkverbot belegt, auch sollen Bücher von ihm verbrannt worden sein.
Der 1949 in Frankfurt gegründeten Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung gehörte er als Vizepräsident an. Er gehörte auch dem 1951 gegründeten PEN-Zentrum der BRD als Generalsekretär an und wurde 1960 dessen Ehrenpräsident.

Edschmid war literarisch sehr produktiv, seine Bibliografie soll über 700 Veröffentlichungen umfassen. Es war keine Frage, ihm 1955 das Große Bundesverdienstkreuz, dem 1960 noch das mit dem Stern hinzugefügt wurde, zu verleihen. Ebenfalls 1960 wurde er Ehrenbürger der Stadt Darmstadt, und die Ehrendoktorwürde (Dr. phil.) wurde ihm von der Universität Gießen verliehen. 1957 hatte ihm die Stadt Frankfurt bereits die Goetheplakette verliehen.

Bei diesen vielen Ehrungen stellt sich die Frage: Kasimir Edschmid, eine Lichtgestalt, die alle diese Ehrungen auch verdient hat? Über seine literarischen Qualitäten zu urteilen, fehlt den Autoren die Kompetenz. Wie viele andere seiner Generation zeigte sich 1914 auch bei ihm eine Kriegsbegeisterung. "Für Walter Benjamin stand Edschmid als Symbol für anspruchslose Belanglosigkeit" lesen wir im Begleitbuch zu einer Ausstellung im Jahr 2009. Seine Reiseberichte enthielten "durchaus rassistische Passagen" heißt es dort.

Über afrikanische Frauen schreibt er:

"Sie haben einen stärkeren Geruch als die Tiere. Deshalb legt man beim Jagd-Camping gern um das Zelt eines distinguierten Weißen ein paar Reihen Schwarzer - für alle Möglichkeiten eines Raubtierbesuchs. Selbst die gewaschensten haben einen leichten Affengeruch".

An Hans Grimm, dem Verfasser des von nationalsozialistischer Expansionspolitik handelnden Romans "Volk ohne Raum" schreibt er am 1.12.1932:

"... Ich habe zwei Befürchtungen, dass erstens infolge dieser andauernden geistigen Einstellungen die Nazibewegung zu rasch zusammenbricht und daher nicht dazu kommt, das wirklich Positive und Beschwingte in der Bewegung positiv umzusetzen - und dass zweitens, wenn die Bewegung doch zur Macht kommen sollte, dieses Gut von dritt- und viertklassigen Leuten vertan wird".

In einem weiteren Brief an Grimm schreibt Edschmid am 15. Mai 1933:

" Zu meinem Entsetzen sah ich, dass mein Name plötzlich auf einer Liste auftauchte, die zur Säuberung der Bibliotheken vorderhand bestimmt sein soll und infolgedessen ist es auch geschehen, dass in ein paar Städten meine Bücher verbrannt worden sind. Die Scham, der Schmerz und die Enttäuschung, die es mir bereitet hat, mich plötzlich mit der ganzen zersetzenden Literatengesellschaft zusammen zu sehen, gegen welche sich jede Faser in meinem Herzen wehrt, kann ich nicht schildern. Wenn ich mir überlege, was ich seit Jahren von jener Seite her, von Weltbühne und Tagebuch, BT und Voss (d.h. Berliner Tageblatt und Vossische Zeitung, die führenden liberalen Blätter, Anmerkung der Autoren) usw. auszustehen hatte, weil meine Einstellung eben immer positiv für Deutschland war, weil ich nie auch nur die Spur einer marxistischen Bewegung hatte, wenn ich denke, dass ich immer wieder die Welt durchstreift habe von den Einkünften aus meiner Schriftstellerei, um für positive deutsche Dinge eintreten zu können ... . Und ich kann nicht mehr atmen, wenn gegen alle Vernunft und gegen alle Gerechtigkeit mein Name mit den Leuten genannt wird, die ich verachtet habe. Man mag mich für einen Juden gehalten haben (ich habe den besten arischen Stammbaum, den man sich denken kann) ...".

Bleibt noch die Frage der Trennung von Erna Pinner, die aus einer jüdischen Frankfurter Familie stammte. 1935 wurde sie aus der Reichskammer für Bildende Künste ausgeschlossen. Die im gleichen Jahr beschlossenen Nürnberger Rassegesetze belegten sexuelle Beziehungen zwischen Nichtjuden und Juden mit Strafe. Angesichts des weiter anwachsenden Antisemitismus entschloss sie sich zur Emigration nach England. Edschmid sah offenbar seine Existenz - nach der Anbiederung an die Nazis - weiterhin im faschistischen Deutschland und folgte Pinner nicht. Nach mehreren Treffen im Ausland - Edschmid konnte ins Ausland reisen - trennten sie sich etwa 1938. Edschmid pflegte aber auch weiterhin Kontakte zu höchsten Nazi-Funktionären.
Als Edschmid seinen Wohnsitz 1943 in Ruhpolding hatte, pflegte er engen Kontakt zum NS-Reichsstatthalter in Wien, Baldur von Schirach. Dazu passt gut, dass er 1947 im Entnazifizierungsverfahren von Henriette von Schirach als Entlastungszeuge auftrat. Die Abteilung für Volksbildung im Magistrat der Stadt Berlin, hat im Februar 1946 ein Verzeichnis der auszusondernden Literatur herausgegeben, das Literatur aufführte, die Autoren nannte, deren sämtliche Werke aus dem Bestande zu entfernen sind (Liste AI) und eine Liste AII, die festlegte, welche einzelnen Titel bestimmter Autoren endgültig zu entfernen sind. Diese Liste könne nicht als abgeschlossen gelten.

In dieser Liste ist auch Kasimir Edschmid mit folgenden Titeln aufgeführt:
Zu den oben aufgeführten Ehrungen kommt natürlich noch eine Straßenbenennung hinzu: Seit 1981 heißt im Park Rosenhöhe ein Weg "Edschmidweg". Außerdem wird Edschmids Grabstätte auf dem Alten Friedhof (1 G 110) als Ehrengrab auf Kosten der Darmstädter gepflegt.

Am Albertsbrunnenweg, Abzweig vom Schnampelweg, wurde einer Eiche zu Ehren von Kasimir Edschmid der Name "Edschmideiche" verliehen. Die Veröffentlichung [10] nennt die Daten des Baumes: Durchmesser 1,09 m, Umfang 3,43 m, Höhe 31 m und ein Alter von ca. 300 Jahren.

Bleibt die Frage, ob dieser Schriftsteller, der wohl zu einem der größten Opportunisten in der NS-Zeit gezählt werden muss - oder war er gar ein überzeugter Nazi und passte sich nach 1945 nur dem Zeitgeist an - diese ganzen Ehrungen wirklich verdient.

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