Am 2. Januar 1874 unterzeichneten die Gemeinde Griesheim und das Königlich-Preußische Kriegsministerium als Vertreter der Reichsmilitärverwaltung einen Vertrag, der den Verkauf des im Süden und Südosten liegenden Teil des "Griesheimer Sandes" zum Gegenstand hatte. Die Grundlagen für eine Nutzung durch das Militär waren geschaffen - es wurde ein Schießplatz für die 11. Artillerie-Brigade eingerichtet. Der Gemeinde fiel der Entschluss zum Verkauf des Geländes sicherlich nicht schwer, denn in dem Vertrag verpflichtete sie sich zwar für Schäden, die durch die Schießübungen außerhalb des Geländes entstehen sollten, aufzukommen, hatte aber im Gegenzug das Recht erworben, den durch die Pferde der sogenannten "bespannten Einheiten" entstehenden Mist zu versteigern. Die daraus erzielten Einnahmen kamen ausschließlich der Gemeindekasse zugute. Dies war ein äußerst einträgliches Geschäft. So machte der Erlös bis zu einem dreifachen der Kosten aus, die man den Geschädigten zu zahlen hatte. Der Erlös hatte eine für die damalige Zeit unglaubliche Höhe von jährlich 15.000 Reichsmark. Schon im Jahr 1897 versuchte das Militär der Gemeinde dieses Recht streitig zu machen. Dies konnte aber vor dem Reichsgericht zugunsten Griesheims eingeklagt werden.
August Euler, ein Luftfahrtpionier der ersten Stunde, pachtete um die Jahreswende 1908/09 einen Teil des Griesheimer Sandes. Er baute und erprobte dort Flugzeuge und gründete den ersten Flugplatz Deutschlands.
Der Truppenübungsplatz und Flugplatz wandelte sich vor dem Ersten Weltkrieg zu einem Militärflugplatz, einem Lager für Kriegsgefangene. Detailliert wird die Nutzung des Griesheimer Sandes in dem sehr empfehlenswerten Werk [13] beschrieben.
Der "Griesheimer Sand" spielte auch bei der Bildung des Volksstaats Hessen 1918/1919 eine Rolle. Auf dem Griesheimer Sand waren mehrere tausend Soldaten stationiert. Gewerkschaftssekretär Delp berichtete 1920 - inzwischen SPD-Landtagsabgeordneter - dass sich am Abend des 8. November 1918 im Griesheimer Lager Soldatenräte gebildet hätten. Nachts hatten sich 5.000 Soldaten von dort und aus Darmstädter Kasernen vor dem Neuen Palais versammelt und verlangten unter anderem die Gefangennahme des Großherzogs. Die Zahl der Soldaten hätte sich bis auf 7.000 erhöht. Auf Vermittlung Delps seien die Soldaten jedoch in die Kasernen zurückgekehrt. Am 11. November erlies der Arbeiter und Soldatenrat einen Aufruf, in dem er feststellte, dass "Die Regierungsgewalt ... auf das Volk übergegangen (ist)". Damit war faktisch der Volksstaat Hessen gegründet, nach der Wahl am 16. Januar 1919 auch tatsächlich.
Der Hessische Volksfreund vom 24.4 1931 berichtete, dass der Darmstädter Flughafen von der Nieder-Ramstädter Straße (heute Lichtwiese) auf den Griesheimer Sand verlegt werden solle. Der bisherige Standort sei "unzulänglich" geworden. Außerdem würden für ca. "250 schon längere Zeit erwerbslose Wohlfahrtsunterstützungsempfänger Arbeit" geschaffen.
Nach einer anderen Quelle wurde 1934, kurz nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, der "Griesheimer Sand" neuer Standort für den "Darmstädter Flughafen". Er war bis zu diesem Zeitpunkt auf der Lichtwiese. Die neuen örtlichen Gegebenheiten erlaubten den Einsatz größerer Flugzeuge und eine Steigerung der Starts und Landungen - nicht zuletzt im Interesse der militärischen Planungen der faschistischen Machthaber. Obwohl sich der "Griesheimer Sand" mit dem darauf errichteten Flughafen auf Griesheimer Gemarkung befand und ein Drittel des damaligen Griesheimer Gemeindelandes ausmachte, wurde er als "Darmstädter Flughafen" bezeichnet. 11. Juli 1980 wurde er in August-Euler-Flugplatz umbenannt.
1937 wurden das Flughafengelände und die östlich gelegenen Gemarkungsteile nach Darmstadt eingemeindet. Der "Ausgemeindungserlass" wurde mit "höheren Gesichtspunkten" begründet. Im wesentlichen aber war der Grund für diese Vorgehensweise mit dem Wunsch der Offiziere nach höherem Sold begründet; Darmstadt rangierte in einer höheren Ortsklasse. 1938 wurde der Flughafen von Griesheim für 550.000 Reichsmark an Darmstadt verkauft.
Im Zweiten Weltkrieg war der "Griesheimer Sand" Schulungsstandort für Luftwaffenverbände, Jagdstaffeln und andere Einheiten. Kurz vor dem Ende des Krieges zerstörten deutsche Truppen die noch erhaltenen Flughafengebäude durch Sprengung, um sie den anrückenden Alliierten nicht überlassen zu müssen.
Nach 1945 waren hier eine US-amerikanische Armeeaufklärungseinheit und Luftabwehrraketen stationiert. Im Süden des Geländes befand sich eine Funkzentrale. In einem ehemaligen Flugplatzgebäude befand sich die Redaktion der Militärzeitung "Stars and Stripes".
Der "Griesheimer Sand" ging weit über das Gelände hinaus, das heute umgangssprachlich so bezeichnet wird. So berichtete das Darmstädter Echo am 14. August 1948, dass auf diesem Gelände ein Wohngebiet für "Ungarn-Deutsche" entstehen solle.
Als 1992 die bis zu diesem Zeitpunkt noch verbliebene US-amerikanische Rettungshubschrauberstaffel nach Wiesbaden verlegt und der militärische Flugverkehr endgültig eingestellt wurde, entbrannte ein Interessenstreit. Die Nutzungskonzepte des an das Land Hessen rückübereigneten Geländes reichten von einem Gewerbepark über einen Privatflugplatz für Unternehmer und andere finanziell privilegierte Bevölkerungskreise bis hin zu Siedlungskonzepten mit sozialem Wohnungsbau und einem Konzept, das ehemalige Flugplatzgelände auf dem "Griesheimer Sand" zum Naturschutzgebiet zu erklären. Letzteres wurde im April 1996 dauerhaft verwirklicht.
Bis 2015 befand sich auf dem "Griesheimer Sand" eine Abhör- und Spionagestation der US-Streitkräfte.
Heute ist der "Griesheimer Sand" Standort u. a. für mehrere Fachgebiete der Technischen Universität Darmstadt
und des "Fördervereins August-Euler-Luftfahrtmuseum e. V.".
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