DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Kaufhof
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Anzeige in der Eberstädter Zeitung vom 15.8.1933 [5]
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- Betriebszeitung "Kaufhof-Blätter" 1941 [1]
Als Firmengründer des "Kaufhof" gilt Leonhard Tietz (3.3.1849 Birnbaum/Posen - 15.11.1914 Köln), der am
14. August 1879 ein kleines Ladenlokal in Stralsund eröffnete. In schneller
Folge wurden weitere Kaufhäuser in anderen Städten eröffnet. Leonhard
Tietz war jüdischen Glaubens.
Im Darmstädter Adressbuch von 1929 wird das Kaufhaus Leonhard Tietz
"Tietz, Leonhard AG Kaufhaus, Marktplatz 7" erstmals erwähnt. Die
Darmstädter Geschichtswerkstatt nennt als Eröffnungsjahr 1928.
1925/26 begann die Tietz AG deutschlandweit auch sogenannte
EHAPE-Einheitspreisgeschäfte als
Tochterunternehmen zu gründen. Auch in Darmstadt gab es ab 1933 in der
Rheinstraße 2 ein EHAPE-Geschäft.
"Die
Nationalsozialisten und ihre Kampfverbände hatten schon lange vor der
Machtübernahme 1933 nicht nur generell gegen 'die Juden in der
Wirtschaft', sondern ganz gezielt gegen jüdische Warenhäuser
Hetzkampagnen geführt. Sie gelte es zu zerschlagen, weil sie den
deutschen Mittelstand und Einzelhandel ruinierten" heißt
es in einem
Beitrag der Darmstädter Geschichtswerkstatt.
Nach
der Machtübergabe an die Nationalsozialisten waren also die Tage des
Leonhard-Tietz-Unternehmens gezählt. Die Kaufhäuser wurden bereits 1933
"arisiert" und ab
10.7.1933 in "Westdeutsche Kaufhof A. G." umbenannt.
Wegen des guten Rufs der Kaufhäuser wurden dem neuen Firmennamen
"vormals Leonhard Tietz AG" bis 1936 angefügt.
Wie
auch viele andere Darmstädter Unternehmen wurde auch die
Kaufhaus-Filiale der Firma Leonhard
Tietz "arisiert". Dies wurde durch nebenstehende Werbeanzeige in
der Eberstädter Zeitung vom 15. August 1933 bekanntgegeben.
Die
Betriebszeitung "Kaufhof-Blätter" scheute nicht davor zurück,
Kriegswerbung zu betreiben. So enthält die Titelseite der Ausgabe
August/September 1941 ein Foto kämpfender deutscher Soldaten mit der
Bildunterschrift "Die
Überlegenheit von Mann und Waffe garantieren den
Sieg im Osten" (siehe Abbildung).
Nach
der Zerstörung 1944
wurde der Kaufhof zunächst in der Hindenburgstraße
wiedereröffnet, wechselte 1946 in ein Haus in der Ludwigstraße und
bekam 1953 seinen heutigen Platz mit dem Neubau Rheinstraße, Ecke
Ernst-Ludwig-Straße.
Das Kaufhaus wurde 2024 nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten geschlossen.
Die bereits zitierte
Geschichtswerkstatt kritisiert zu recht Werbeanzeigen und
Werbebroschüren, in denen der Kaufhof sein 70-jähriges (1998), sein
75-jähriges (2003) oder sein 80-jähriges Jubiläum feiert. Dies ist
schlicht eine Geschichtsfälschung, die so tut, als habe es die
widerrechtliche quasi Enteignung 1933 nicht gegeben. Eine wie auch
immer realisierte "Wiedergutmachung" macht den Rechtsbruch nicht besser
oder ungeschehen. Und die oben zitierten Jubiläumsfeierbroschüren
zeigen, dass dies noch immer vor dem breiten Publikum verschwiegen
wird.
Alfred Tietz, der Sohn des Firmengründers,
musste aus Furcht vor antisemitischen Aktionen nach Holland und später
nach Palästina fliehen.
Q:
[1]
[2]
[3]
[4], Abbildungen:
[1] (unten),
[5] (oben)
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