DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Stadtbibliothek Die Darmstädter Stadtbibliothek ist eine "altehrwürdige" Institution. Bereits 1879 eröffnete der Darmstädter Volksbildungsverein eine Volksbibliothek. Ihre Aufgabe lag darin, "dem einfachen Volk" Bücher zur Bildung zur Verfügung zu stellen, wie dies Brigitte Neuhaus-Hofschen in dem sehr lesenswerten Beitrag im Stadtlexikon [2] beschreibt.

Umso weniger ist zu verstehen, dass auch sich dem Bildungsauftrag verpflichtete öffentliche Institutionen dazu hergeben, Werbung für die Bundeswehr zu betreiben.

Flyer Flyer
Flyer der Stadtbibliothek (Vorder- und Rückseite)
mit Bundeswehrwerbung aus dem Jahr 2003

So lag im Jahr 2003 der abgebildete Werbeflyer im Justus-Liebig-Haus, dem Sitz der Stadtbibliothek, und in der Stadtbibliothek selbst aus. Mancher Nutzer der Stadtbibliothek wunderte sich über dieses Engagement, so kurz nach dem spektakulären Kriegseinsatz der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien, der von nicht wenigen Juristen als völkerrechtswidrig bezeichnet wurde, jungen Menschen den Dienst in der Bundeswehr schmackhaft zu machen. Waren es betriebswirtschaftliche Gründe der Bibliotheksleitung, sich weniger der Bildung, sondern mehr der schnöden Militärwerbung hinzugeben, oder war es gar Druck von der Stadtspitze?

Es wurde darauf verwiesen, dass auch schon mit anderen Partnern solche Kooperationen stattgefunden hätten.

Die Anfrage, ob auch andere Institutionen, wie z.B. die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, sich zukünftig an die Stadtbibliothek wenden könnten, wurde damals - 2003 - verneint. Es wurde allgemein auf Werbeagenturen verwiesen, die sich dann mit der Bibliothek in Verbindung setzen würden.

Bleibt die Frage, warum hier ein Sachverhalt aufgegriffen wird, der schon einige Jahre zurück liegt. Die Antwort ist einfach: Mehr als in früheren Jahren versucht die Bundeswehr nach Aussetzung der Wehrpflicht, junge Menschen für das Kriegshandwerk zu begeistern und zu gewinnen. Hier verweisen wir auf die vielen Initiativen der Bundeswehr, in Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel Schulen, aber auch öffentlichen Messen für den Dienst mit der Waffe zu werben. Als Friedensorganisation wollen die Autoren - wo auch immer Werbung für das Kriegshandwerk betrieben wird - dagegenhalten.

Die Darmstädter Stadtbibliothek hat nach der Machtübernahme 1933 eifrig die Vorhaben der Nationalsozialisten ünterstützt:

Sie begann schon Anfang März 1933, also als noch ein demokratisch gewählter Oberbürgermeister im Amt war, mit der "Säuberung" unliebsamer Autoren und Bücher. Auch die Bevölkerung wurde durch Anschläge und Anzeigen aufgefordert, "Schmutz-, Schund- und linkspolitische Tendenzschriften" abzuliefern. Höhepunkte dieser Aktionen waren öffentliche Bücherverbrennungen.

Die neue Hessische nationalsozialistische Landesregierung setzte diese "Reinigungsarbeiten" verstärkt fort. So berichtete der Hessische Volksfreund am 9. Juni 1933:

"Zu der großen Reinigungsarbeit, die von der nationalen Regierung vorgenommen wird, gehört selbstverständlich auch die Entfernung von Schmutz und Schund und linkspolitischen Tendenzschriften aus öffentlichen Büchereien. Mit der Säuberung der Stadtbücherei von Büchern, die durch Tendenz, Darstellung oder geistige Haltung zersetzend wirken können, ist bereits Anfang März durch den den erkrankten Leiter vertretenden Herrn Dr. Fuhr begonnen worden. Es sind bis jetzt schon über 100 Bände der Schönen Literatur sowie, neben der Sperrung der Abteilung "Sozialismus und Kommunismus", eine große Reihe von Werken der belehrenden Literatur aus dem Bestand entfernt worden. Restlos ausgemerzt sind z. B. die Werke von Feuchtwanger, Emil Ludwig, Heinrich Mann, Glaeser, Remarque, Plivier, Toller, Arnold Zweig, Ehrenberg, Kerr u. a. ... ."

Der eifrige "Bibliotheks-Säuberer" im Interesse der Nationalsozialisten Dr. Otto Fuhr (21.2.1896 - 22.4.1968) setzte seine Bibliotheks-Karriere in der Stadt Kassel fort, wo er von 1951 bis 1961 Direktor der Volksbibliothek war. Zu seinen Ehren benannte die Stadt Kassel eine Straße nach ihm, die Otto-Fuhr-Straße.


Q: [1] [2] [3] [4], Abbildung: Autoren

 

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