DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Deutsche
Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
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- Aktuelles Logo der DFG-VK
Unter maßgeblicher Mitwirkung der österreichischen Pazifisten Bertha von
Suttner (1843 - 1914), die 1905 als erste Frau den
Friedensnobelpreis
erhielt, und Alfred Hermann Fried (1864 - 1921) wurde am 9. November
1892 in Berlin die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) gegründet.
Bereits 1898 hatte sie in 69 Ortsgruppen ca. 6.000 Mitglieder.
Den
Ersten
Weltkrieg betrachtete die DFG - wie z.B. auch die große
Mehrheit
der Sozialdemokratie - als einen Verteidigungskrieg, trat jedoch
chauvinistischem Haß entgegen. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs
schien die Situation für die Friedensbewegung günstig. 1926 gab es 300
Ortsgruppen mit ca. 30.000 Mitgliedern. 1927 erhielt der langjährige
DFG-Vorsitzende Prof. Ludwig Quidde den Friedensnobelpreis.
Mit der "Machtergreifung" der Nazis war auch das Ende pazifistischer
Organisationen gekommen. Unterdrückung und Verfolgung setzten ein, das
formale Verbot erfolgte jedoch erst im September 1935.
In den von den Alliierten besetzten Zonen bzw. den neu gegründeten
Bundesländern wurde die DFG 1945 bzw. 1946 wieder zugelassen.
Parteipolitisch überwog eine Bindung an die SPD, weniger stark war sie
zur FDP, nur vereinzelt gab es Bindungen zur CDU. Das DFG-Mitglied
Fritz Eberhard (SPD) war im Parlamentarischen Rat an der Entstehung des
Artikels 4, Absatz 3 des Grundgesetzes ("Niemand darf gegen sein
Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.") maßgeblich
beteiligt, dessen Formulierung allerdings von der DFG als unzureichend
kritisiert wurde.
Eine kurze Darstellung der Geschichte der Deutschen
Friedensgesellschaft ist hier
zu finden.
Über die Tätigkeit der Darmstädter Gruppe der DFG in der Weimarer Republik
liegen wenige Informationen vor. Von Karl Heinz Spalt, einem
Darmstädter, der vor den Nazis flüchten musste und nach 1945 als
Germanistikprofessor in Wales lehrte, wissen die Autoren, dass auch er
bereits
als Gymnasiast Mitglied der DFG wurde. Hierzu wurde er nach eigener
Aussage nicht unwesentlich von seinem Lehrer Franz Como, der ebenfalls
führendes Mitglied der DFG in Darmstadt gewesen sei, motiviert. Bekannt
ist auch, dass Staatsanwalt Julius
Gilmer, der seit 1926 in Darmstadt
lebte und arbeitete, von 1928 bis zum Verbot durch die
Nationalsozialisten 1933 Mitglied und zeitweise Vorsitzender der
Darmstädter DFG war. Letzter Vorsitzender bis zum Verbot war Johann
Sebastian Dang (1892-1958), der spätere Lizenzträger des
Darmstädter Echos.Auch Karsten Anders war Mitglied in dieser Zeit.
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- Neugründung der Deutschen Friedensgesellschaft, Gruppe Darmstadt (1947) [6]
Nach dem Krieg wurde in Darmstadt am 18. Januar 1947
eine Ortsgruppe der neu gegründeten Deutschen Friedensgesellschaft
aufgebaut, die sich als überparteiliche Vereinigung zugleich für die
Europäische Union einsetzen sollte. Der einstimmig als kommissarisch
gewählter Vorstand bestand aus:
Johann Sebastian Dang,
Schriftleiter und "Darmstädter Echo"-Mitherausgeber,
Landgerichtsdirektor Julius Gilmer und Bürgermeister Julius Reiber.
Schriftführer wurde Sieger, Kassenwart Müller, Beisitzer Fröhlich und Otto Brambach.
In
einem Schreiben der Deutschen Friedensgesellschaft - Bund der
Kriegsgegner, Hauptgeschäftsstelle Frankfurt, Schweizerstraße, vom
11. Juni 1947 an die amerikanische Militärregierung in Wiesbaden wird
mitgeteilt, dass bis heute 46 öffentliche Versammlungen im Lande Hessen
stattgefunden haben. Außerdem seien 8 Ortsgruppen gegründet worden
(Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Wiesbaden, Giessen, Weilburg, Wetzlar
und Kassel) und 10 Arbeitsgemeinschaften. Die Mitgliederzahl in Hessen
betrage rund 4.500. Das Schreiben ist unterzeichnet von Josef
Kudrnofsky.
Im ersten Adressbuch der Stadt Darmstadt nach dem
Krieg von 1949 ist die Deutsche Friedensgesellschaft Darmstadt unter
Vereine aufgeführt:
Deutsche
Friedensgesellschaft, Darmstadt, Julius
Gilmer,
Landgerichtspräsident, Jahnstraße 130
Im nächsten Adressbuch 1952/53 findet sich der identische Eintrag.
In
einer Meldung im Darmstädter Echo vom 22.9.1949 unter der Überschrift
"Friedensring" geht es darum, dass in fast allen größeren Städten "sich
die einzelnen Friedensorganisationen zu einer Arbeitsgemeinschaft,
einem sog. Friedensring zusammengeschlossen" haben.
Unterzeichnet ist
der Artikel mit "Deutsche Friedensgesellschaft Darmstadt, Alexandraweg
28".
Dort ist der Arzt Dr. Walther Richtzenhain (1942) und nach
dem Krieg Christine Wilhelmina Richtzenhain, Psychologin, Heilpädagogin und später
Ärztin, gemeldet.
In dem Artikel im Darmstädter Echo vom
13.9.1949 "Wer den Frieden will, muß für den Frieden kämpfen - Eine
Gedenkfeier in der Stadthalle" wird unter anderem Dr. Richtzenhain mit
dem Satz "Dr.
Richtzenhain erinnerte an das unübersehbare seelische
Leid, das der Krieg gebracht hat" zitiert.
Am 24. Dezember 1949
berichtet das Darmstädter Echo unter der Überschrift
"Friedenskundgebung deutscher Frauen" von einer Entschließung der
Deutschen Friedensgesellschaft Ortsgruppe Darmstadt, die auch vom
Verband der Kriegs- und Zivilbeschädigten, Sozialrentner und
Hinterbliebenen unterzeichnet und an den Bundestagspräsidenten Köhler
adressiert ist, mit der Forderung "alles
zu tun, um dem Gerücht von dem
Aufstellen einer Wehrmacht - und sei es in irgendwelcher Form - auf
gesetzlichem Wege ein Ende zu bereiten". Unterzeichnet war
die
Resolution für die DFG von Frau Christine Wilhelmina Richtzenhain und für den
Kriegsopfer-Verband von Frau Auguste Krug.
Am 2. März 1950
berichtete das Darmstädter Echo unter der Überschrift "Für den
Frieden", ein kürzlich gegründetes "Darmstädter Friedenskomitee" habe
sich mit einem Aufruf an die Bevölkerung und alle Organisationen
gewandt, angesichts der Remilitarisierung ein eindeutiges Bekenntnis
zum Frieden zu formulieren. Der Aufruf ist von verschiedenen Parteien,
Verbänden, Jugendgruppen und Betriebsräten einzelner Firmen
unterzeichnet. Das Darmstädter Friedenskomitee bestehe aus fünf
Personen und setze sich aus den Spitzen der Friedensgesellschaft und
Vertretern anderer Organisationen zusammen. Für die nächste Zeit sei
eine Friedenskundgebung geplant.
Am 18. März 1950 berichtet das
Darmstädter Echo über eine geplante Veranstaltung zum Thema
"Remilitarisierung, Notwehrrecht und Friedensarbeit".
Über diese
Veranstaltung berichtete das Darmstädter Echo am 25. März 1950 in einem
längeren Artikel.
Knapp über hundert Einwohner seien erschienen. Nach dem Referat eines
Studenten habe sich ein "Schaffender
aus einem Darmstädter Werk" gegen
die Kriegstreiber ausgesprochen. Als dritte Referentin sprach sich Frau
C. W. Richtzenhain gegen "Gleichgültigkeit
gegenüber den Problemen des
Friedens" aus. "Man
müsse das Gewissen der gesamten Menschheit wecken
und sich an der Friedensarbeit aktiv beteiligen".
Von 1954/55
bis 1983/84 wird im Adressbuch, Abschnitt "Vereine" als Adresse für die
Deutsche Friedensgesellschaft der Alexandraweg 28 angegeben. Bis
1974/75 ist dort auch Dr. Christine W. Richtzenhain gemeldet. Frau
Richtzenhain war am 26. März 1975 verstorben. Das Anwesen im
Alexandraweg 26 wurde von Frau Richtzenhain der Stadt Darmstadt mit
Auflagen geschenkt.
Über Aktivitäten der damaligen Zeit bis Ende
der 70er Jahre liegen den Autoren keine Unterlagen vor. Mit der
Diskussion um die sogenannte Nachrüstung (NATO-Beschluss vom 12.
Dezember 1979) entwickelte sich die mittlerweile in DFG-VK umbenannte
Friedensgesellschaft zu einer tragenden Säule der Friedensbewegung - in
Darmstadt wie im gesamten Bundesgebiet. Seit dieser Zeit gab es in
Darmstadt viele friedenspolitische / antimilitaristische
Veranstaltungen, an der die Darmstädter DFG-VK-Gruppe führend beteiligt
war.
Beispielhaft soll an folgende Aktionen erinnert werden:
- aktive Beteiligung an den Ostermärschen
ab 1980
- Erstellen des ersten
Darmstädter Alternativen Stadtführers, Organisation von
Stadtrundfahrten (1981)
-
Mitorganisator der Sonderbusse am 10. Oktober 1981 und des Sonderzuges
am 10. Juni 1982 zu den Großdemonstrationen in Bonn
- Aktionen auf dem Griesheimer
Sand (Mai 1981)
- Mitveranstalter des großen
Friedensfestivals auf dem Meßplatz am 8. Mai 1983
- Beteiligung an der Menschenkette
zwischen Stuttgart und Neu-Ulm (1983)
- Kontakte zu Aktiven der Friedens- und
Ökologiebewegung der ehemaligen DDR (1984 bis 1989)
- Beobachtung militärisch genutzter
Liegenschaften in Darmstadt, "Bürger beobachten Militär" (1985)
- Beteiligung an Blockade-Aufrufen (1985)
- Flugblatt zu gesellschaftlichen
Disziplinierungsprozessen (1985)
-
Aktionen anläßlich der Versenkung des Greenpeace-Schiffes "Rainbow
Warrior" durch französisches Militär (1987)
- Kriegssteuerboykott (1987)
- Flugblatt und Seminar zur Sozialisation
in der Familie (1989)
- Aktionen zum Golfkrieg (1991)
- Flugblatt
zur Rüstungsproduktion in Darmstadt und Umgebung (1993)
- Kranzniederlegungen für den unbekannten
Deserteur anläßlich des Volkstrauertages (1989 ff.)
- Aktionen im Rahmen öffentlicher
Gelöbnisse von Bundeswehrsoldaten
- Beratung für Kriegsdienstverweigerer in
Schulen und Betrieben
- Aktionen zum Jäger 90 / Eurofighter 2000
- Aktionen zu Auslandseinsätzen der
Bundeswehr
- Aktionen am Darmstädter Hauptbahnhof an
Einberufungsterminen für Rekruten
- Kino- und Plakatwerbung
- regelmäßige Beratung für
Kriegsdienstverweigerer
Heute
hat die DFG-VK bundesweit ca. 4.500 Mitglieder, in Darmstadt ca. 60.
Die Aktivitäten und die Mitgliederzahl der DFG-VK Darmstadt sind - wie
auch bei anderen politisch arbeitenden Gruppen - im Vergleich zu den
1980er Jahren aus vielfältigen Gründen zurückgegangen.
Im Jahr
2000 veröffentlichte die DFG-VK Darmstadt die erste Auflage des Buches
"Von
Adelung bis Zwangsarbeit - 173 Stichworte zu Militär und
Nationalsozialismus in Darmstadt".
Seit einiger Zeit arbeitet die Gruppe
an einer erweiterten Neuauflage, deren Entwicklung im Internet
unter www.dfg-vk-darmstadt.de
zu verfolgen ist. Für Hinweise sind die Autoren dankbar.
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