Theater in Darmstadt DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Theater in Darmstadt Darmstadts Theatergeschichte reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück. Von herumreisenden Schauspielergruppen abgesehen, wurde 1683 ein Reithaus in ein Komödienhaus umgebaut, in dem Opern aufgeführt wurden. Im Jahr 1711 wurde dieses Haus zu einem repräsentativen Opernhaus umgebaut, dessen Betrieb allerdings 1718 endete.

Nach einer langen Pause gelang es dem Theaterliebhaber Großherzog Ludewig I eher zufällig, eine in finanzielle Schwierigkeiten geratene und in der "Alten Post" am Weißen Turm spielende Schauspielergruppe zu übernehmen, um u. a. mit ihr ab 1810 das "Großherzogliche Residenz-Theater" zu betreiben.

Nachdem dieses Haus jedoch schnell zu klein wurde, konnte 1819 das von Georg Moller geschaffene "Großherzogliche Hoftheater" mit fast 2.000 Zuschauerplätzen auf dem Gelände des heutigen "Haus der Geschichte" auf dem Karolinenplatz direkt am Herrngarten eröffnet werden (siehe untenstehende Fotos [7])
Großherzogliches Hoftheater ca. 1930
Großherzogliches Hoftheater, ca. 1930 [7]
Haus der Geschichte ca. 1993
Haus der Geschichte, ca. 1993 [7]


Nach dem Ende der Monarchie 1918 wurde aus diesem Theater das "Hessische Landestheater", das bis 1933 eine beachtete Rolle in der deutschen Theaterlandschaft spielte. Es galt in den Jahren der Weimarer Republik als Mittelpunkt des südwestdeutschen Theaterlebens und war eine der bedeutendsten Provinzbühnen der 1920er und 1930er Jahre. Viele Aufführungen gewannen internationalen Rang.

Nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wurde die Machtübernahme der Nazis in Darmstadt planmäßig vollzogen. Die Ergebnisse der Landtagssitzung vom 13. März ließen die Nazis als "legale" Inhaber der Regierungsgewalt hervorgehen.

Da die Nationalsozialisten bereits in Ihrem 25 Punkte-Programm von 1920 deutlich machten, was sie von Kunst und Kultur erwarteten, ließen die entsprechenden Aktivitäten nicht lange auf sich warten. Um ihren Einfluss auf die Kulturpolitik ausüben zu können, wurden nach wenigen Monaten u.a. eine Reichstheaterkammer und eine Reichskulturkammer gegründet und 1934 ein Reichstheatergesetz verabschiedet. Damit hatte der Reichspropagandaminister unmittelbaren Einfluss auf die Personalpolitik und die Spielplangestaltung der Theater.

Dem Theater wurde von den Nazis die Aufgabe zugewiesen, den Menschen völkisches Bewusstsein und Liebe zur heimatlichen Scholle, ein Gefühl für die Überlegenheit der arischen Rasse und eine heroische Einstellung zu vermitteln.
Nach der  Machtübertragung an die Nationalsozialisten mussten zahlreiche Mitarbeiter und Künstler das Theater verlassen.

Dieser Aspekt des Schicksals des Darmstädter Theaters und seiner Mitarbeiter und Künstler erhielt lange Zeit nicht die gebührende Aufmerksamkeit. So stellte Anja Göbel [1] in ihrer 1999 angenommenen Magisterarbeit, die 2001 leicht überarbeitet unter dem Titel "Das Hessische Landestheater in Darmstadt in der Frühzeit nationalsozialistischer Herrschaft" erschienen ist, fest, dass es eine eingehende wissenschaftliche Untersuchung der Situation des Hessischen Landestheaters in Darmstadt während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft bisher nicht gab.

In Darmstadt wurden nach Göbel insgesamt 23 Künstler und 15 Mitarbeiter des technischen Personals nach der Machtergreifung entlassen. Die Entlassungen am Hessischen Landestheater waren sehr gründlich. Sie reichten vom Generalintendanten bis zur Putzfrau. Die Entlassungen geschahen aus politischen oder rassischen Gründen. Eine Durchsetzung des Theaterpersonals mit zuverlässigen Nationalsozialisten sei kaum belegbar. Größten Wert auf die politische Gesinnung habe man jedoch bei der Besetzung der leitenden Posten gelegt. Diese Stellen seien sehr schnell mit politisch zuverlässigem Personal besetzt worden. Auch der Spielplan sei von tiefgreifenden Veränderungen betroffen worden. Der größte Teil der in der Weimarer Republik bekannten Autoren wurde verboten.

Seit 2004 ehrt das Staatstheater Gustav Hartung, den von den Nazis 1933 aus Darmstadt vertriebenen Intendanten mit einem Bild in der Bilderreihe ehemaliger Intendanten im Foyer des Hauses.

Erst 2009 beschäftigte sich die Ausstellung "Verstummte Stimmen" von Hannes Heer u. a. mit der Vertreibung der "Juden" und anderer "politisch Untragbarer" aus den hessischen Theatern. Sie wurde am 10. Oktober 2009 im Staatsarchiv Darmstadt der Öffentlichkeit vorgestellt und dort wie auch im Staatstheater präsentiert.

Gedenktafel im Staatstheater Darmstadt
Gedenktafel im Foyer des Staatstheaters (2013) [9]
(Bild anklicken zum Vergrößern)
Am 3. Juni 2011 wurde im Foyer des Staatstheaters in Darmstadt eine Gedenktafel enthüllt, die an die namentlich bekannten jüdischen und politisch verfolgten Mitarbeiter, die am Theater tätig waren, erinnert.

Nach der Darmstädter Brandnacht im September 1944 war das Theater eine Ruine. Dies blieb so bis Mitte der 1980er Jahre. Von "1986 bis 1993 wurde sie auf Initiative des Hessischen Staatsarchivs und der Technischen Universität Darmstadt unter Wahrung der historischen Bausubstanz und Rekonstruktion aller historischen Räume mit Ausnahme des alten Zuschauer- und Bühnenbereichs zu einem modernen Magazin- und Bürogebäude umgebaut." Das Theater zog als "Staatstheater Darmstadt" 1972 nach Provisorien in ein neues Theatergebäude auf dem Gelände des ehemaligen Neuen Palais zwischen der Hügelstraße, Sandstraße, Heidelberger Straße  und Wilhelminenstraße.

Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8], Fotos: [7], Gedenktafel: [9]

 

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