DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Waffenschau der Fachschule des Heeres
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- Waffenschau am Griesheimer Sand 1982
Am 16. Juni 1981 versammelten sich rund 2.000 BürgerInnen auf dem
Luisenplatz in Darmstadt. Die meisten der Anwesenden waren Schülerinnen
und Schüler im Alter zwischen 15 und 19 Jahren und gehörten somit zu
jener Zielgruppe, für die die Veranstaltung der Bundeswehr am
Griesheimer Sand, die am selben Tag stattfand, primär gedacht war.
Durch das demonstrative Fernbleiben von der "Waffenschau" und der
Darstellung der Arbeit von Bundeswehrsoldaten in verschiedenen
"nachgespielten" militärischen Szenarien sowie durch die Teilnahme an
Demonstrationen wurde zu den Vorgängen in Darmstadt eine
unmissverständliche Haltung eingenommen. So fand vormittags eine
sogenannte Schülerkonferenz mit 400-500 Schülern in verschiedenen
Arbeitsgruppen über Kriegs- und Friedensfragen statt, nachmittags eine
Kundgebung mit gut 2.000 Menschen auf dem Marktplatz und eine
Abendveranstaltung u. a. mit Erich Fried in der Aula der
Fachhochschule (heute Hochschule Darmstadt). Auch vor dem
"Truppenübungsplatz" wurden demonstrative
Aktionen geboten. Es wurde einerseits zum Ausdruck gebracht, dass man
sich nicht einer einseitigen Einflussnahme seitens des Militärs
aussetzen wollte. Andererseits wurde den Interessen des Militärs und
den damit verbundenen Werten und Konsequenzen (!) für soldatisches
Handeln eine Absage erteilt.
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- Waffenschau am Hessentag 2014:
32 Jahre später hat es die Bundeswehr nötig,
auf Volksfesten Kinder für das Militär zu begeistern. [6]
Zur Vorgeschichte: Im Mai 1981 lud der Kommandeur der Fachschule des Heeres für Erziehung und Wirtschaft,
Oberst Dr. Günther Roth, Schulleiter aus Darmstadt ein, um die aus
seiner Sicht bestehende Bedrohung durch den Warschauer Pakt
aufzuzeigen. Rechtzeitig vor Beginn der Selbstdarstellung des Militärs
sollten möglichst viele Schulpädagogen von der Notwendigkeit der Arbeit
der Bundeswehr überzeugt werden. Die Pädagogen ihrerseits sollten die
Jugendlichen von der Unverzichtbarkeit des Militärdienstes überzeugen
können. In seinen Ausführungen der "Logik des Kalten Krieges" wies
Oberst Roth ausdrücklich darauf hin, dass er bereit wäre, geschulte
Soldaten vor der geplanten Veranstaltung in den Unterricht zu schicken,
um "theoretische Fragen", die Aufgaben des Militärs betreffend, zu
diskutieren. Am 16. Juni ginge es jedoch in erster Linie um eine
Demonstration der Praxis.
Die "Militärschau" war als
außerschulische Veranstaltung deklariert, und somit lag die
Entscheidung zur Teilnahme im Ermessen des jeweiligen Schulleiters. Da
die Schulleiter sich aber natürlich nicht über die jeweilige
Einstellung der Lehrer zur Bundeswehr-Veranstaltung
hinwegsetzen
konnten, wurde von den Rektoren beim Staatlichen Schulamt auch kein
Antrag auf allgemeine Unterrichtsbefreiung gestellt. Dies bewirkte,
dass
sich nachträglich die Verantwortlichen in der Politik, sprich der
damalige Schuldezernent Peter Benz (SPD), und letztendlich der
Oberbürgermeister als oberster Dienstherr von jeglicher Verantwortung
für die Teilnahme von Schülern an der Militärveranstaltung freisprechen
konnten.
Die "Militärschau" / Teil 1:
Ungefähr 2.000
Schülerinnen und Schüler aus Darmstadt, dem Landkreis
Darmstadt-Dieburg, und einzelnen Gemeinden aus dem Odenwald wurden in
27 Bussen zur Starkenburg-Kaserne gefahren. Die Zielsetzung der
Militärs wurde von diesen offen benannt: "...eine positive
Grundeinstellung zur Notwendigkeit des Wehrdienstes schaffen...".
Viele
der hier Anwesenden wurden unvorbereitet auf die
Bundeswehrveranstaltung geschickt. Diese war mit zwei Tagen vor
Schuljahresende zeitlich so platziert, dass die Möglichkeit,
anschließend den Problemkreis im Unterricht zu diskutieren, nicht
gegeben war. Eine Gruppe mit je 30 Schülerinnen und Schüler wurde
jeweils einem Feldwebel zugeteilt. Die rund 40 Unteroffiziere waren zur
"bundeswehrgerechten Betreuung" der einzelnen Gruppen abkommandiert.
Einer der Unteroffiziere vermittelte recht deutlich, wie diese
inhaltlich ausgefüllt war: Die Veranstaltung sei nichts anderes als
eine Betriebsbesichtigung, "... nur dass wir keine Backmischungen
haben,
sondern Panzer." Vorträge über technische Details von Waffen und
technischem Gerät, aber auch Gespräche mit "einfachen Soldaten" fanden
statt.
Die "Militärschau" / Teil 2:
Olivgrüne Busse fuhren
die Teilnehmer und Teilnehmerinnen anschließend zur mit
NATO-Stacheldraht bestückten Hauptpforte des Geländes "Griesheimer
Sand". Oberst Roth hatte den Schülern eine "Übung unter gefechtsmäßigen
Bedingungen" versprochen. Die Beweglichkeit des Kampfpanzers Leopard
wurde demonstriert. Schützenpanzer "Marder" und Spähpanzer "Luchs"
wurden vorgeführt. Teile des Fallschirmjägerbataillons 252 aus Nagold
sprangen ab und demonstrierten ihre Präzision. Eine Luftlandeoperation
wurde mit leichten und mittleren Transporthubschraubern durchgeführt.
Im Tiefflug wurde die "Kampfweise" von Panzerabwehrhubschraubern
gezeigt. Nicht gezeigt wurde, welche Auswirkungen Bomben und Granaten
auf Menschen und ihre Lebenswelt haben. Die Faszination Technik, die
vor allem bei jüngeren männlichen Veranstaltungsteilnehmern zu
beobachten war, machte eine kritische Auseinandersetzung mit Auftrag
und Ziel der Bundeswehr und den Mechanismen militärischen Denkens und
Handelns unmöglich. In der Tageszeitung wurde von 12-14jährigen
Schülern berichtet, die den Spezialpanzer "Biber" beim Verlegen von 20
Meter langen Panzerbrücken beklatschten.
Bemerkenswert bleibt,
dass Tausende von Schülern ohne weiteres vom Unterricht freigestellt
werden, wenn die Bundeswehr "ruft", während Friedensorganisationen
Informationsveranstaltungen in Schulen, wenn überhaupt, nur unter
großen Schwierigkeiten genehmigt bekommen.
Solche
Werbeveranstaltungen sind in Hessen seit dem 4. November 2010 durch
eine von der Regierung Koch (CDU) und Hahn (FDP) abgeschlossene
Kooperationsvereinbarung zwischen dem Hessischen Kultusministerium und
der Bundeswehr abgesichert.
Q:
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[5], Fotos: Autoren (oben),
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