DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Ahl, Heinrich (1.7.1895 Groß-Rohrheim - 5.9.1962 Mannheim-Neckarau) war ein sozialdemokratischer Polizeibeamter, der von den Nationalsozialisten 1933 entlassen wurde.

Der Sohn eines Landwirts besuchte nach der Volksschule in Groß-Rohrheim und der Realschule in Gernsheim die Oberrealschule in Worms, die er 1911 mit der Mittleren Reife verließ. Statt Marine-Ingenieur zu werden, trat er 1912 in den Vorbereitungskurs der Polizeikommissare bei der Polizeiverwaltung in Worms ein. Seinen Militärdienst versah er von 1912 bis 1913 bei dem Infanterieregiment 118 in Worms. Gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, kam mit dem Infanterieregiment 115 an die Westfront, wo er im Oktober des gleichen Jahres durch einen Armschuss schwer verletzt wurde. Nach dem Lazarettaufenthalt wurde er zunächst zum Spionageabwehrdienst und 1916 als Feldpolizeikommissar zum Generalgouvernement Warschau versetzt und war auch Leiter der Kriminalpolizei in Lodz. Dort versah er nach eigenen Angaben Dienst als "Kriminalkommissar".

Zum Kriegsende gelang ihm nach kurzer Internierung in Polen die Flucht nach Hessen. Hier legte er 1919 die Prüfung für Polizeikommissare ab und arbeitete von 1919 bis 1923 in der Polizeidirektion Worms als Polizeikommissar, Polizei-Inspektor, Polizei-Amtsvorstand und schließlich als stellvertretender Polizeidirektor.

Von 1923 bis 1933 war er in Friedberg, Bad-Nauheim und Darmstadt als Polizei-Amtsvorstand und danach als Leiter des Landeskriminalamtes in Darmstadt tätig. Ab 1931 war er auch für die "politische Polizei" zuständig.

Ahl war Mitglied der Demokratischen Partei, trat als Redner in Wahlkämpfen auf und war auch Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold. Er habe sich "nach dem Zusammenbruch der bürgerlichen Parteien" der Sozialdemokratischen Partei zugewandt, schreibt Stadtarchivar Knöpp. Gleich Anfang März 1933 wurde Ahl "wegen politischer Unzuverlässigkeit" entlassen. Die Entlassung erfolgte nach seinen Angaben aufgrund seiner "Zugehörigkeit zur Demokratischen Partei und zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Als Zeugen wurden Bürgermeister Reiber, Darmstadt, und Regierungsdirektor Stürmer, Darmstadt, genannt. "Ich gehörte zu dem Kreise der Personen um den früheren Innenminister Leuschner. Im Auftrag dieses Personenkreises habe ich wiederholt Reisen unternommen und insbesondere mit dem jetzigen Polizeipräsidenten Steffan in Mainz zusammengearbeitet" schreibt er im "Fragebogen der Militärregierung von Kandidaten und Mitglieder für die Verfassungsberatende Großhessische Landesversammlung" [1].

In der NS-Zeit arbeitete Ahl bei Handels- und Industrieunternehmen in Frankfurt/Main und Biblis. Einer kurzzeitigen Verhaftung 1940, folgte im Februar 1945 eine weitere Verhaftung und Inhaftierung im Gestapo-Gefängnis in Bensheim. Nach der Befreiung vom Faschismus - Knöpp schreibt "Besetzung" - wurde er kurzeitig kommissarischer Bürgermeister von Groß-Rohrheim, bis ihn Ludwig Bergsträßer zum Regierungsdirektor der Deutschen Regierung der Provinz Starkenburg ernannte. Ab Dezember lautete die neue Bezeichnung "Regierungspräsident in Darmstadt". In dieser Behörde nahm er verschiedene Führungsfunktionen wahr, bis er am 1. Juli 1954 zum Regierungsvizepräsidenten ernannt wurde.

Der Darmstädter Kunstschaffende Horst Dieter Bürkle erinnert in seinem 2019 erschienen Buch "Unheil" an eine mehr als irritierende Äußerung des sozialdemokratischen Regierungsvizepräsidenten Ahl 1955 anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe. Wir zitieren wörtlich [5]:

"Als im Frühjahr 1955 auf der Mathildenhöhe eine Ausstellung der Wiener Secession stattfand, zog in der Tagespresse der amtierende Darmstädter Regierungsvizepräsident Heinrich Ahl in ungestörtem Einklang mit dem "Gedankengut" einstiger, sprich nationalsozialistischer, Kunstkritik vom Leder. In nahezu ungebrochener Fortsetzung des Sprachgebrauchs, wie er zur Zeit der Schandschauen an der Tagesordnung war, behauptete er, die Ausstellung habe "wieder einmal mit aller Deutlichkeit gezeigt, wo die offiziell anerkannte bildende Kunst heute steht. ... Den noch gesund empfindenden Menschen erscheint die Ausstellung als eine Fundgrube für den Psychiater." Und weiter: "Um hier endlich einen Wandel zu schaffen, wende ich mich an die gesamte Bevölkerung. Es gilt die angemaßte Monopolherrschaft der Abstrakten und ihrer Förderclique zu brechen". Diese Äußerung lässt, zurückhaltend formuliert, Zweifel an der intellektuellen Verarbeitung der nationalsozialistischen Kunstideologie aufkommen.

Mit Erreichung der Altersgrenze wurde Ahl am 1. Juli 1960 in den Ruhestand verabschiedet.

Seine Wohnungen befanden sich in der Hobrechtstraße 35 (1933) und in der Alicenstraße 26 (1946).


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