DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Fachschule des Heeres für Erziehung und Wirtschaft Die Bundeswehr bzw. die Politik versuchte schon seit Ende der 1960er Jahre durch Schaffung eigener Bildungseinrichtungen mit von den Kultusministerien anerkannten Abschlüssen entsprechende Angebote für jungen Menschen zu offerieren und sie damit für die Bundeswehr zu gewinnen (Zivile Ausbildung bei der Bundeswehr). So bestanden 1970 bereits 54 Bundeswehrfachschulen. An diesen Bundeswehrfachschulen wurden Lehrgänge zur Erlangung der Mittleren Reife, der Fachschulreife für Wirtschaft und Technik, der Hochschulreife und ein Aufbaulehrgang "Verwaltung" angeboten. Die Abschlüsse berechtigten zu Stellungen im gehobenen Dienst bei Bund, Ländern und Gemeinden. Im Weißbuch 1970 wird die Bildung von Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München angekündigt. Merke: Wer an einer Einrichtung der Bundeswehr ausgebildet wird, entwickelt zu ihr auch eine positive Einstellung.
Anzeige im Y-Magazin der Bundeswehr 04/2014
Anzeige im Y-Magazin der Bundeswehr (2014)
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So wurden bereits mindesten seit 1970 Ingenieure und Betriebswirte an technischen Akademien der Streitkräfte, auch in Darmstadt, ausgebildet.

In einer 1994 von Hauptmann Harald Beck erstellten und dem Schulkommandeur Oberst Dr. Peter Balke herausgegebenen Informationsschrift über die "Fachschule des Heeres für Erziehung und Wirtschaft" heißt es:

"Die Fachschule des Heeres für Erziehung und Wirtschaft in Darmstadt ist eine zivilberuflich qualifizierende Bildungseinrichtung, an der längerdienende Unteroffiziere mit Portepee (Unteroffiziere mit dem Dienstgrad Feldwebel und höher) zu "Staatlich geprüften Betriebswirten" (seit 1977) und "Staatlich anerkannten Erziehern" (seit 1981) ausgebildet werden. Ziel dieser Bildungsmaßnahme ist es, besonders leistungsfähigen Unteroffizieren neben ihrer militärischen Ausbildung auch eine zivilberuflich anerkannte Qualifikation zu vermitteln und sie damit auf die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes, aber auch für herausgehobene Verwendungen in der Laufbahn der Unteroffiziere vorzubereiten".

Die Ausbildung zum "Staatlich anerkannten Erzieher" dauerte drei Jahre. Darin enthalten war ein einjähriges Praktikum, das in sozialen zivilen (!) Einrichtungen wie Kindergärten, Erziehungsheimen, Behinderteneinrichtungen usw. abzuleisten war. Die Ausbildung zum "Staatlich geprüften Betriebswirt" dauerte zwei Jahre. In beiden Ausbildungszweigen konnte die Mittlere Reife bzw. Fachhochschulreife durch Zusatzprogramme erworben werden. Die Schule führte außerdem Lehrgänge über "Menschenführung und Methodik" und "Grundlagen der Elektronik" (von 1980 bis 1992) durch.

Als 1981 unmittelbar nach Eröffnung der Bundeswehrfachschule bekannt wurde, dass die Bundeswehr sich in sozialen Einrichtungen der Darmstädter Region um Praktikanten-Plätze bemühte, entstand in kurzer Zeit ein breites Bündnis - von der Gewerkschaft ÖTV über Jugendgruppen und Kindergärten bis zur DFG-VK - das sich aus pädagogischen und gesellschaftspolitischen Gründen gegen "Erzieher in Uniform" wandte.

So informierte das Darmstädter Echo am 20.11.1981 unter der Überschrift "Eltern lehnen Zeitsoldaten als Erzieher ab" über die Argumente der Eltern und der Mitarbeiter pädagogischer Einrichtungen gegen die Militarisierung der Erziehung.

Im März 1982 fand im vollbesetzten Bühnensaal im Justus-Liebig Haus ein Erfahrungsaustausch zum Thema "Soldaten als Erzieher" statt. Die Eltern und Pädagogen bezweifelten, dass soldatische Tugenden wie Disziplin, Gehorsam und hierarchisches System vereinbar seien mit einer auf Autonomie, Solidarität, Kritikfähigkeit und Kreativität ausgerichteten Pädagogik.

Die Kritik hielt weiter an. So berichtete das Darmstädter Echo am 24.10.1982 von einer Diskussion der Elterninitiative mit dem Leiter der Darmstädter Heeresfachschule.

Der damalige SPD-Jugend- und Sozialstadtrat Peter Benz sicherte den Bundeswehr-Praktikanten gegen den eindeutigen Willen der Eltern per Dienstanweisung einen Praktikantenplatz in kommunalen Einrichtungen zu. Diese Auseinandersetzung hielt in den folgenden Jahren an.
Am 23.10.1999 berichtete das Darmstädter Echo, dass die Heeresfachschule für Erziehung und Wirtschaft 2001 trotz Protesten unter anderem des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten und späteren Darmstädter Oberbürgermeisters Walter Hoffmann aufgelöst werden solle.

Dass die Bundeswehr aber nach wie vor staatlich anerkannte ErzieherInnen ausbildet, macht die Anzeige oben (Doppelklick zum Vergrößern) im Y-Magazin der Bundeswehr 04/2014 deutlich.

siehe auch Stichwort "Soldaten in Schulen"

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