DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Six, Franz Alfred
(12.8.1909 Mannheim - 9.7.1975 Bozen) war nicht nur ein führender
NS-Brigadeführer, SS-Obersturmbannführer und Holocaust-Propagandist.
Ihm gelang auch eine Fortsetzung seiner Karriere nach 1945 u. a. als
Verlagsleiter des Leske-Verlags in Darmstadt und Werbechef der Porsche
Diesel Motorenbau GmbH.
Der Sohn eines Möbelhändlers
studierte Zeitungswissenschaften, Staatswissenschaften, Geschichte und
Publizistik in Heidelberg und war im Heidelberger NS-Studentenbund
aktiv. Nach seiner Promotion bei Professor Arnold Bergsträßer (Titel
der Dissertation: "Die politische Propaganda des Nationalsozialismus im
Kampf um die Macht", Heidelberg, 12. Dezember 1936) habilitierte
er mit einer
Arbeit über "Die Presse der nationalen Minderheiten im Deutschen Reich"
am 1. Dezember 1936 ebenfalls in Heidelberg. Bergsträßer, der übrigens in
Darmstadt geboren wurde, verließ ein Jahr später Deutschland wegen
seiner teils jüdischen Abstammung und ging in die USA. Six wurde 1937
Professor für Zeitungswissenschaften in Königsberg. 1940 wurde er Dekan
der Auslandswissenschaftlichen Fakultät der Berliner Universität.
Bereits
als NS-Studentenpolitiker gründete er das Institut für
Zeitungswissenschaft an der Universität Königsberg, organisierte im
Auftrag Reinhard Heydrichs (geb. 1904, gest. 1942) den Aufbau der
Auslandswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Berlin und baute
im SD-Hauptamt (SD = Sicherheitsdienst) eine effiziente Presseabteilung
auf. Sein Spezialgebiet war die Erforschung der "weltanschaulichen
Gegner" des NS-Regimes. Für Hachmeister [1] war er "zeitweise einer der
fünf institutionell mächtigsten SD-Führer" (neben
Heydrich, dessen
Stabsführer Wilhelm Albert, dem Gestapo-Organisator
Werner Best und
SD-Auslandschef Heinz Jost). Auch der Straßburger Agrarhistoriker
Professor Günther Franz ("Der deutsche Bauernkrieg"), der als
28jähriger
in Marburg auf eine Professur berufen wurde, war als ehrenamtlicher
Berater im SD-Hauptamt tätig. Der SS-Brigadeführer Six war der
Vorgesetzte Adolf Eichmanns. Von 1939 bis 1942 war Six Amtschef im RSHA
(Reichssicherheitshauptamt),
und anschließend bis 1945 im Auswärtigen Amt.
Six
wurde im Januar 1946 von den US-Suchtrupps verhaftet.
Seine
"wissenschaftlichen Arbeiten" laut Gesamtverzeichnis haben einen
beachtlichen Umfang (siehe Abbildung):
- Veröffentlichungen
Franz Alfred Six [5]
Im Nürnberger Einsatzgruppenprozess musste er sich für seine
Verbrechen
verantworten. Six beteuerte, er sei zwar überzeugter Nationalsozialist
und SS-Führer gewesen, habe aber mit Erschießungen von Juden und
Partisanen nichts zu tun gehabt. Das Gericht fand seine Aussagen zwar
wenig glaubwürdig, konnte aber "nicht
mit wissenschaftlicher Gewissheit
erkennen", dass Six aktiv am Mordprogramm der
Einsatzgruppen beteiligt
war. Doch sei es augenscheinlich, hieß es im Urteilsspruch, dass Six
Teil einer Organisation war, "die
Gewalttaten, Vergehen und
unmenschliche Handlungen gegen die Zivilbevölkerung beging".
-
- Reduzierung der Strafe von 20 auf 10 Jahre
[6]
(Bild anklicken zum Vergrößern)
Er wurde zu 20 Jahren, später 10 Jahren Haft verurteilt (siehe Abbildung), aber bereits im Oktober 1952 vom
US-Hochkommissar für Deutschland, John Jay McCloy, begnadigt und am
1. November 1952 aus der Haft entlassen. Statt der vom Gericht verhängten 20
Jahre hatte er nur viereinhalb Jahre absitzen müssen.
Hachmeister [1] zitiert den ehemaligen BND-Präsidenten Konrad Porzner über
eine mögliche Mitarbeit von Six beim Bundesnachrichtendienst (BND) wie folgt:
"
…dass Herr Prof. Six weder hauptamtlicher noch nebenamtlicher
Mitarbeiter und auch nicht Quelle des Bundesnachrichtendienstes bzw.
seiner Vorläuferorganisation gewesen ist. Es kann allerdings auch nicht
mehr beurteilt werden, ob ehemalige Mitarbeiter der
Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes private Beziehungen
zu Prof. Six unterhielten."
Wer die
Formulierungskünste der Geheimdienste kennt, liest hieraus sehr wohl
"Kontakte" zwischen Six und westlicher/westdeutscher Geheimdienste.
Seine
Anschrift in Hamburg nach seiner Entlassung aus Landsberg war
Hamburg-Blankenese, Krähenhorst 5.
Das Essener
Anwaltsbüro des FDP-Politikers und Rechtsanwalts Ernst Achenbach (NSDAP ab 1937) - der Anwalt war seit 1950 als Verfechter
einer Generalamnestie für NS-Täter aufgetreten und hatte damals im
Düsseldorfer Landtag einen entsprechenden Entwurf eingebracht -
beantragte im Dezember 1952 beim Bonner Auswärtigen Amt, den früheren
Abteilungschef Six als Beamten zur Wiederverwendung gemäß Art. 131
Grundgesetz anzuerkennen und das ihm zustehende Übergangsgehalt
festzusetzen. Zudem beschäftigte er Six im Büro des "Vorbereitenden
Ausschusses zur Herbeiführung einer Generalamnestie". Hier traf Six
auch wieder auf Werner Best.
Im Bundesanzeiger von
1953 gibt es folgenden Eintrag:
"HRA 595 -
27.11.53: C. W. Leske in Darmstadt. Dr. Werner Wittich ist als
persönlich haftender Gesellschafter ausgeschieden. Gleichzeitig ist in
die Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter der
Verlagskaufmann Professor Dr. Franz Alfred Six in Hamburg Blankenese
eingetreten".
Das Adressbuch der Stadt Darmstadt
von 1949 verzeichnet die "Druckerei Leske, C. W. Buchdruckerei" in der
Heinrichstraße 192. Unter dieser Adresse ist auch "Wittich, L. C.
Buchdruckerei und Verlag" verzeichnet. Diese Funktion kam
wohl auch unter Mithilfe von Werner Best und Achenbach zustande. Six
war auch Mitglied der FDP geworden.
Vom Herbst 1953
an lebte Six in Darmstadt, um sich den Verlagsgeschäften zu widmen.
Nach Hachmeister führte Six den Verlag noch mindestens bis 1956.
Im
Jahr 1957 wurde er Werbeleiter bei Porsche. Später, etwa ab 1963, war
er in Essen selbständiger Unternehmensberater.
In
den 1960er Jahren geriet Six noch in eine Reihe juristischer Verfahren,
so z. B. im Eichmann-Prozess, wo er allerdings nur in Deutschland
vernommen wurde.
Q:
[1]
[2]
[3]
[4],
Abbildung: [5]
[6]
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