DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Konzentrationslager Osthofen Osthofen war in den 1930er Jahren eine ca. 10 km von der Kreisstadt Worms entfernt liegende Gemeinde mit etwa 5.000 Einwohnern. Die NSDAP hatte bei Wahlen bereits 1928 deutlich über dem Reichs- und Landesdurchschnitt liegende Ergebnisse.

Osthofen Eingang
Eingangsportal zum Lager Osthofen


In einer stillgelegten Papierfabrik, die einem jüdischen Osthofener Fabrikanten gehörte, befand sich zwischen März 1933 und Juli 1934 das erste Konzentrationslager des damaligen Volksstaates Hessen (siehe Fotos oben [7]). Zunächst als "wildes Lager" von örtlichen SA- und SS-Männern für politische Gegner am 6. März 1933 eingerichtet, wurde es durch den seit dem 13. März 1933 als "Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen" zuständigen Dr. Werner Best auf dem Wege einer Durchführungsbestimmung der "Reichstagsbrandverordnung" zum 1. Mai 1933 offizielles Konzentrationslager. (siehe Faksimile unten [9])

Erlass von Werner Best
Erlass von Werner Best



Mindestens 250 Personen, die meisten davon aus Osthofen, Worms, Alzey und Umgebung, waren bereits im März und April in Fußmärschen oder größeren Sammeltransporten mit LKWs in dieses Konzentrationslager gebracht worden.

Best ernannte mit Anordnung vom 1. Mai den Osthofener SS-Sturmbannführer Karl d’Angelo, vor 1933 zeitweise Vorsitzender der NSDAP-Ortsgruppe, zum ehrenamtlichen Lagerleiter und unterstellte ihn der Dienstaufsicht des Polizeiamtes Worms.

Anfangs waren die äußeren Umstände der Haft zusätzlich erschwert, weil es für die Häftlinge weder Decken noch Betten oder sonstige Möbel gab. Sie mussten auf dem blanken Betonboden schlafen, nur unzureichend geschützt durch etwas Stroh. Auch gab es keine Möglichkeit, die Kleidung zu wechseln. Tag und Nacht musste man die Sachen tragen, in denen man eingeliefert wurde. Erst nach und nach besserten sich diese Verhältnisse. Unter Anleitung eines Mithäftlings, des Schreinermeisters und SPD-Landtagsabgeordneten Johann (Jean) Beckenbach bauten sich die Häftlinge Schlafpritschen, Tische und Bänke. Jede Verbesserung ihrer Lage mussten sich die Häftlinge selbst organisieren.

Im Lager Osthofen waren nach Schätzungen zwischen 2.000 und 3.000 "Schutzhäftlinge" eingesperrt, die dort zwischen sieben Tagen und 15 Monaten verbringen mussten. Die Häftlinge waren überwiegend politische Gegner der Nazis und gehörten einer der beiden Arbeiterparteien SPD und KPD an, ab Sommer 1933 aber auch Juden, Oppositionelle aus den Reihen der Kirche und andere missliebige Personen. Aus den Bezirk Darmstadt waren die uns bekannten Carlo Mierendorff, Karl Schreiber und Philipp Benz in Osthofen inhaftiert.

In der Presse (siehe Foto rechts [8]) wurde Osthofen als "Umerziehungslager für verwilderte Marxisten" gefeiert und als "hervorragend ausgestattete Besserungsanstalt" dargestellt, in der man mit "humansten Mitteln versucht, die verführten Volksgenossen wieder ihrem Volke zuzuführen".

Osthofen in der Offenbacher Zeitung vom 6. Mai 1933
Osthofen in der Offenbacher Zeitung vom 6. Mai 1933

Zwar kam es in Osthofen gegenüber den politischen Häftlingen nicht zu solchen Exzessen wie sie in dieser Zeit z.B. im Konzentrationslager Dachau schon üblich waren, doch auch hier waren Gewalt und Unterdrückung praktisch an der Tagesordnung.

Zuerst waren in Osthofen nur Männer aus der näheren Umgebung eingesperrt. Später, nach dem Erlass vom 1. Mai 1933, kamen die sogenannten "Schutzhäftlinge" praktisch aus ganz Süd- und Rheinhessen. Der Weg nach Osthofen ging in der Regel über die "Braunen Häuser", Gestapo-Gefängnisse oder SA-Keller größerer Städte. Die Häftlinge kamen nach Zeugenaussagen in den meisten Fällen mit Anzeichen körperlicher Misshandlung in Osthofen an.

Als Orte der Misshandlung sind bekannt:
- Amtsgerichtsgefängnis in Alzey
- Polizeipräsidium in Darmstadt
- Brauereikeller Dieburger Straße (heute Biergartenkeller Dieburger Straße) in Darmstadt
Landgerichtsgefängnis Rundeturmstraße in Darmstadt
- Schutzhaftgefängnis der SS (Gefängnis Riedeselstraße) in Darmstadt
- Polizeigefängnis Klarastraße in Mainz
- Ostheimer Hof (SA-Hauptquartier) in Mainz
- das "Braune Haus" in Worms
- Polizeipräsidium in Worms

Übereinstimmend wird von allen überlebenden Häftlingen die von Anfang an besonders schikanöse und menschenverachtende Behandlung der in Osthofen inhaftierten Juden beschrieben. Sie wurden vom Lagerpersonal als "Untermenschen" missachtet, misshandelt und gedemütigt. Zum Beispiel mussten sie die im Lager befindliche Jauchegrube mit Konservendosen oder ihrem eigenen Essgeschirr entleeren. Die Jauche wurde dann von anderen Häftlingen auf den daneben liegenden Misthaufen gegossen, von wo aus sie immer wieder in die Grube zurücklief. Für die Juden gab es einen besonderen Stacheldrahtverhau, in dem sie zur Belustigung der Wachmannschaft bis zur totalen physischen Erschöpfung im Kreis herumlaufen mussten.

Berichtet wird auch über Korruption. Wer über genügend Geldmittel verfügte, konnte sich bei der Lagerleitung Vergünstigungen bis hin zur Entlassung aus dem Lager erkaufen. Diese Tatsache darf allerdings nicht verwundern. Ähnliche Vorgänge haben sich im ganzen Reich in fast allen Lagern abgespielt. Wer dies aber öffentlich bekannt machte, musste mit empfindlichen Strafen rechnen. Ein ehemaliger Osthofen-Häftling, der einen solchen Vorgang nach seiner Haftzeit anprangerte (ein jüdischer Häftling hatte die Lagerleistung bestochen und war daraufhin entlassen worden) wurde zu einem Jahr und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Bei ihrer Entlassung mussten die Häftlinge unterschreiben, dass sie im Lager nicht geschlagen worden waren und dass sie sich künftig nicht gegen die "Regierung der nationalen Erhebung" betätigen würden. Damit war der Terror aber noch nicht beendet. Viele mussten sich danach bis zu zweimal täglich auf der heimatlichen Bürgermeisterei melden. Sie wurden beruflich degradiert oder verloren ihre Arbeitsstelle ganz, falls dies nicht schon vorher aufgrund des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 geschehen war. Juden waren darüber hinaus noch durch Boykottmaßnahmen und Sonderregelungen an der Ausübung ihres Berufes gehindert.

Im Zuge der angestrebten Zentralisierung der Konzentrationslager beauftragte Heinrich Himmler im Mai 1934 Theodor Eicke, Kommandant des KZ Dachau, die bestehenden Konzentrationslager zu übernehmen, umzuorganisieren und zu vereinheitlichen. Damit einher ging die Auflösung der meisten kleineren KZ-Lager. Als eines der letzten frühen Lager wurde das KZ Osthofen im Juli 1934 aufgelöst.

In Anna Seghers Roman "Das Siebte Kreuz" (1942) findet das KZ Osthofen besondere Erwähnung.

1989 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. 1991 erwarb das Land Rheinland-Pfalz die Liegenschaft mit dem Ziel, hier eine Gedenkstätte einzurichten.

Seit 2002 haben das Referat Gedenkarbeit und das NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz der Landeszentrale für politische Bildung ihren Sitz in der Gedenkstätte. Mit der Eröffnung der Dauerausstellung "Verfolgung und Widerstand in Rheinland-Pfalz 1933-1945" im Mai 2004 war der Ausbau der Gedenkstätte KZ Osthofen beendet. Heute arbeiten die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und der Förderverein Projekt Osthofen dort Hand in Hand.

Weitere Informationen finden sich im Stichwort Lager.

Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6], Fotos:  [7] [8] [9]

 

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