DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Stegmüller, Ernst
-
- "Uniformen für die NSDAP" in einerWerbung aus dem Jahr 1935 [5]
(11.11.1885 Häusern/St. Blasien - 29.10.1947 Darmstadt) Stegmüller
war ein alteingesessenes Bekleidung- und Modegeschäft in Darmstadt. Das
Adressbuch der Stadt verzeichnet Stegmüller erstmals im Jahr 1921:
"Stegmüller,
Ernst, Herrenkleiderfabrik, Schulstraße 9, Wohnung:
Moltkestraße 5 (Waldvillenkolonie Eberstadt)".
Einer
maschinenschriftlichen Aufzeichnung zufolge wurde das Geschäft im
Jahre 1920 zunächst in der Schulstraße 9 eröffnet. Es expandierte und
musste daher schon 1923 in den Schloßgraben 13a verlegt werden.
Aufgrund guter Entwicklung wurden 1932 die Anwesen im Schlossgraben 13,
13a und 15 käuflich erworben und nach Abriss des Hauses Nr. 15 ein
zusammenhängendes Geschäftshaus erbaut. Dieses Geschäftshaus wurde in
der sogenannten Brandnacht
vom 11. auf den 12. September 1944 zerstört.
Im
Adressbuch von 1934 wird das Unternehmen sowohl als "Kleiderfabrik" wie
auch als "Darmstadts bedeutendstes Kleiderhaus" bezeichnet. Im
Adressbuch von 1935 wird ausdrücklich auf "Uniformen für die NSDAP"
hingewiesen (siehe Abbildung rechts).
Im
vom Gauleiter
Sprenger herausgegebenen Dienststellenverzeichnis der NSDAP
im Gau
Hessen-Nassau ist untenstehende Anzeige enthalten. (siehe Abbildung
unten). In
diesem Verzeichnis sind auch andere Geschäfte mit Anzeigen vertreten,
die keine speziellen Angebote an die NSDAP offerieren.
Nach
eigener Aussage, wohl für das Entnazifizierungsverfahren
schriftlich
niedergelegt, standen die beiden Inhaber, Ernst Stegmüller und Hans
Krischer, "dem
Nationalsozialismus bis zur Machtergreifung offen,
später innerlich entschieden ablehnend gegenüber".

- Werbung
aus der NS-Zeit [6]
Sie
bezeichneten
sich als "gute
Katholiken". Da nach der Machtergreifung 1933 die
Nachfrage
der Kundschaft nach "Uniformen
und dergleichen ungeheuer groß" gewesen
sei, habe man zunächst auch einige Hemden und Blusen in den Verkauf
genommen. Dies sei von der Partei kritisiert worden, da die Inhaber
keine Mitglieder der Partei seien. Sie seien vor die Alternative
gestellt worden, entweder Mitglied der Partei zu werden, oder man
"werde Mittel und Wege
finden, die Firma zu schließen." Nach
dreitägiger Bedenkzeit habe man sich entschlossen, der Partei mit
Wirkung zum 1.5.1933 beizutreten. Ihre schwersten inneren
Gewissenskonflikte hätten sie immer wieder vor Vertrauten zum Ausdruck
gebracht. In diesem Zusammenhang verwiesen beide u.a. auf die Aussagen
des "jetzigen
Polizeipräsidenten Reibold und des früheren
Oberbürgermeisters Mueller". Man habe auch "die Juden bis zuletzt aus
einem tiefen Mitgefühl für ihre Lage geradezu bevorzugt bedient."
In
einem anderen von E. Stegmüller unterzeichneten Papier heißt es:
"Etwa
im Jahre 1938 erschienen bei Herrn Stegmüller zwei Werber des
SS-Förderungsdienstes, die ungeheuer dreist und frech auftraten. Sie
erklärten, der SS-Förderungsdienst diene der Unterstützung mittelloser
Personen und beriefen sich auf die Mitgliedschaft vieler anderer
Firmen. Herr Stegmüller wollte absolut nicht Mitglied werden. Nach
langem hin und her gab Herr Stegmüller nach, mit einem Monatsbetrag von
Mk. 5,-. Bei der Größe des Unternehmens ist es klar, dass es sich
hierbei nicht um einen Beitrag, sondern um einen "Abwehrbetrag"
handelte."
...
"Mitglied der DAF und NSV. Datum steht nicht genau fest."
Unterschrift: Ernst Stegmüller
Die oben
abgebildete
Anzeige aus dem Adressbuch von 1935 dokumentiert aber, dass 1935 sehr
wohl noch Geschäfte existierten, die sich nicht bei den Nazis
anbiederten.
Das Darmstädter Echo vom 7.12.1946
berichtete, dass der "Darmstädter Kaufmann Ernst Stegmüller, der wegen
Täuschungsversuchen (Verdunkelungsgefahr) in Haft genommen worden
war" wieder freigelassen wurde.
Einer
Kleinen Anfrage der KPD-Fraktion
vom 22. Oktober 1947 zufolge ging 1946 "von einem
Steuerberater oder Helfer in Steuersachen ... bei dem Hessischen
Finanzministerium eine Anzeige gegen den Diplom-Kaufmann und
Steuerberater Fritz Schäfer, Darmstadt, ein. In dieser Anzeige wurde
Schäfer vorgeworfen, daß er durch eine Auswechslung in der amtlichen
Steuerakte des Ernst Stegmüller, Kleiderfabrik o. H. G., Darmstadt,
Schloßgraben 13a, belastende Schriftstücke des St. über geleistete
Spenden und Unterstützungen an die NSDAP entfernt und durch andere
ersetzt habe. ... Schäfer, der während der Nazizeit Leiter der
Fachschaft der Steuerberater war, war seit Jahren der Steuerberater der
Kleiderfabrik Stegmüller. Sch. versuchte durch diesen Aktenaustausch
belastende Dokumente bei dem Finanzamt für das zu erwartende und
inzwischen bereits durchgeführte Spruchkammerverfahren
des Stegmüller
in die Hände zu bekommen bzw. zu vernichten."
Später
erklärte Schäfer, "daß
er im August 1945 in einem unbewachten
Augenblick in den Diensträumen des Finanzamtes Darmstadt-Stadt aus der
Steuerakte des Stegmüller die Teilbände "Betriebsführung und
Gewinnermittlung" an sich genommen, die belasteten Schriftstücke
entfernt und durch andere ersetzt habe."
In
der
Antwort des Finanzministers wird der Aktenaustausch bestätigt. Gegen
den Steuerberater Fritz Schäfer sei ein Strafverfahren eingeleitet
worden. Ihm wurde die Zulassung als Steuerberater entzogen.
Im
Jahr 1949 erscheint Stegmüller wieder als Einzelhandelsgeschäft in der
Ludwigsstraße 2-4 und Am Markt.
Ernst Stegmüller
wohnte im Nicolaiweg 1 (1930) und in der Dieburger Straße 235 (1944).
Seit
einigen Jahren befindet sich im ehemaligen
Stegmüller-Bekleidungsgeschäft in der Ludwigstraße 2 eine
Lebensmittelfiliale von Tegut. Im
Haus hat u. a. die "Ernst Stegmüller Grundbesitz GmbH und Co. KG" ihren
Sitz. Am Haus ist der Schriftzug "Stegmüller-Haus" angebracht.
Ernst
Stegmüller ist auf dem Waldfriedhof
in einem Gemeinschaftsgrab u. a.
mit seinem Partner Hans Krischer bestattet (Grab L 2 A 62).
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Abbildungen:
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