DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Wellmann, Willy
Willy Wellmann
Willy Wellmann [1]
(29.9.1901-26.11.1983) war während der Nazizeit Oberlandesgerichtsrat in Darmstadt

Amtsgerichtsrat Dr. Wellmann wurde 1934 zum Landgerichtsrat beim Landgericht Darmstadt ernannt, am 12.4.1937 zum Leiter der Justizpressestelle und am 1.12.1938 zum Oberlandesgerichtsrat. Zur Kontrolle der Presse sollte das Reichsjustizministerium über "Ungenauigkeiten in der Gerichtsberichterstattung" informiert werden. An einem Bericht der "Offenbacher Zeitung" vom 7. Februar 1941 über "eine jüdische Angeklagte", die "wegen Doppelbezugs von Lebensmittelkarten" zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden war, kritisierte Wellmann beispielsweise fehlendes Eingehen auf die "Rassezugehörigkeit" der Angeklagten.

Von 1943 bis 1945 hatte Oberlandesgerichtsrat Dr. Wellmann mehrfach den Vorsitz des Sondergerichts Darmstadt. Dazu erklärte er 1946 vor der Spruchkammer Darmstadt: "Unter meiner Mitwirkung kam es 1943 und 1945 auch zu einigen Todesurteilen. Es mögen meines Erinnerns etwa 12 - 15 gewesen sein. Sämtliche Todesurteile bezogen sich auf Tatbestände der allgemeinen schweren Kriminalität (z.B. Plünderer, Raub, Mord, schwere Sittlichkeitsverbrecher, unverbesserliche Gewohnheits- und Berufsverbrecher usw.). Todesurteile auf politischem Gebiet sind von mir niemals ausgesprochen worden."

Wellmann war zuständig gewesen für die beim Landgericht Darmstadt zugelassenen "jüdischen Konsulenten" (So wurden Rechtsanwälte jüdischer Herkunft genannt, die seit Februar 1939 ausschließlich jüdische Klienten vertreten durften.).

Der Darmstädter Rechtsanwalt Benno Joseph (1885 - 1944, Theresienstadt) war noch am 6. April 1933 vom Darmstädter Oberlandesgerichtspräsidenten Müller als einer "unserer ersten Juristen" bezeichnet worden. Der "jüdische Konsulent" Benno Joseph wurde nach dem November-Pogrom 1938 in das KZ Buchenwald verschleppt. Dr. Wellmann behauptete 1946, sich für seine Freilassung eingesetzt zu haben. Dies bezeugte die bei Dr. Wellmann beschäftigte Justizangestellte D.. Die Verwaltungsakten über seine "Auseinandersetzung mit der Gestapo" seien "verbrannt".

Der "jüdische Konsulent" Dr. Heinrich Winter (1882 - 1961) aus Mainz war mit einer Nichtjüdin verheiratet. Als er 1943 verhaftet wurde, habe Dr. Wellmann sich für ihn bei der Gestapo eingesetzt, sagte seine Angestellte 1946 aus. Er habe aber nicht verhindern können, dass Dr. Winter seine Zulassung als "Konsulent" verlor. Dr. Winter hatte überlebt, weil der Mainzer Rechtsanwalt Erich Jung ihm nach einer erneuten Verhaftung 1944 durch eine mutige Intervention zur Flucht aus dem Gefängnis verhalf. 1946 erklärte Dr. Winter vor der Spruchkammer, Dr. Wellmann sei dafür "verantwortlich, dass mit dem Recht Schindluder getrieben wurde. […] Dr. Wellmann ist untragbar als Richter". In diesem Zusammenhang machten Winters Ehefrau und Dr. Wellmann gegensätzliche Aussagen.
Spruchkammeraussagen 1946
Spruchkammeraussagen 1946 [1]

Am 18. Oktober 1946 stufte die Spruchkammer Darmstadt Dr. Willy Wellmann im Entnazifizierungsverfahren als "Aktivist" in die Gruppe 2 ein; damit konnte er kein öffentliches Amt mehr bekleiden und nicht mehr als Anwalt tätig werden. Dr. Wellmann legte Berufung ein. Im Berufungsverfahren sagten vor allem frühere Kollegen und Mitarbeiter am Landgericht Darmstadt für Dr. Wellmann aus.

Am 24. April 1947 thematisierte die KPD-Fraktion im Hessischen Landtag die Entnazifizierung Wellmanns. Es heißt dort:

"Durch Spruchkammerentscheid in öffentlicher Sitzung wurde durch die Spruchkammer Darmstadt-Stadt der Vorsitzende des Sondergerichts in Darmstadt Dr. Hugo Wellmann, Pg. seit 1933 und Mitglied weiterer Naziorganisationen in die Gruppe II der Aktivisten eingereiht. Gegen dieses Urteil wurde seitens des Betreffenden Berufung eingelegt und derselbe als nominelles Mitglied erklärt und in die Gruppe IV der Mitläufer eingereiht. Die Fraktion der KPD ersucht den Herrn Minister um eine Stellungnahme zu diesem Urteil. Glaubt der Herr Minister, daß es richtig ist, daß ein Mann, der hunderte von Menschen wegen Abhörens fremder Sender ins Zuchthaus brachte, durch einen solchen Spruch wieder in die Lage versetzt wird, auch nur in irgend einer Form als Jurist tätig zu sein? Glaubt der Herr Minister, daß durch solche Spruchkammerbescheide die Krise in der Denazifizierung überwunden werden kann?"

Urteil der Berufungsspruchkammer vom 10.3.1948
Urteil der Berufungsspruchkammer vom 10.3.1948 [1]
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Der Vorgang war für die Hessische Landesregierung offenbar auch nicht hinnehmbar, so daß Minister Binder am 2. April 1947 antworten konnte:

"Das Ministerium für poltische Befreiung hat bereits fünf Tage vor der Kleinen Anfrage der Kommunistischen Partei, am 19. April 1947, von der Berufungskammer Darmstadt das Urteil und die Akten zur Nachprüfung angefordert. Auf Grund der Nachprüfung ist das Urteil am 30. April 1947 auf Grund des Art. 52 des Befreiungsgesetzes kassiert und an die Berufungskammer in Frankfurt verwiesen worden."

Am 10. März 1948 urteilte die Berufungsspruchkammer:

Mit diesem Urteil wurde Dr. Wellmann nun "in die Gruppe 4 der Mitläufer eingereiht".

Nach 1949 arbeitete er als Rechtsanwalt in Darmstadt (siehe auch Hoffmann, Heinz Hugo).


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