FDP in Darmstadt und ihr Beitrag zur Entnazifizierung
Nachdem viele öffentliche und auch kommerzielle Institutionen ihre "jüngste" Vergangenheit erforscht haben, wie zum Beispiel das Bundeskriminalamt, einige Bundesministerien und viele andere, ist es auch Zeit, den Fokus auf die politischen Mandatsträger in Kommune, Land und Bund aus Darmstadt zu richten.
In Hessen bildete sich im Laufe des Sommers 1945 die Liberal-Demokratische-Partei (LDP). Sie hielt im Juni 1946 in Gießen ihren ersten Parteitag ab. Die Freie Demokratische Partei, gründete sich im Dezember 1948 in Heppenheim an der Bergstraße als Zusammenschluss nationalliberaler und linksliberaler Kräfte neu.
Im wesentlichen war die Partei eine Sammlungsbewegung unter Führung ehemaliger Wehrmachtsoffiziere, die nationalliberal bzw. deutschnational dachten, schreibt Hofmann [2].
In ihr sammelten sich viele, die sich im Nationalsozialismus für die Nazis engagiert hatten. Erinnert sei an (Angaben aus [15]):
Die FDP warb "gezielt um die Gunst ehemaliger Nationalsozialisten" schreibt Buchna [7] und bezieht sich dabei auf die Forschungen von Norbert Frei.
Die Zeit titelte am 29. Mai 2002 "Deutsches Programm - Wie Nordrhein-Westfalens FDP Anfang der fünfziger Jahre bewährte Nazis zur Unterwanderung der Partei einlud". Auch der aus Darmstadt stammende Nazi Werner Best tummelte sich in der NRW-FDP. In einem Manuskript von Frontal 21 vom 16.11.2010 [4] "Beitrag: Unbewältigte Vergangenheit – Die FDP und die Nazis" heißt es:
Bereits zur Bundestagswahl 1949 warb die FDP mit dem oben abgebildeten Plakat um Stimmen, wohl besonders bei den "ehemaligen" Nazis. Aber auch später noch suchte die FDP offensichtlich eine Nähe zu ehemaligen Nazis. So schreibt Hess [10] in einer Rezension einer Veröffentlichung von Udo Wengst:
Oder die Meldung des Spiegels [11], wonach "Der FDP-Ortsverband Stuttgart-Bad Cannstatt ... den Austro-Rechten und Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Jörg Haider, zu einer Podiumsdiskussion am 7. September in Bad Cannstadt eigeladen" hat.
Und wie sah es in der hessischen FDP aus?
Zum Beispiel Dr. Heiner Kappel, ein langjähriger FDP-Landtagsabgeordneter. Seine politischen Aussagen veranlassten die Grünen in Hessischen Landtag eine Aktuelle Stunde über "Rechtsextremistische Tendenzen in der FDP" zu beantragen, die wegen Kappels Rückzugs aus der FDP leider ausfiel.
Die Untersuchung von Kausch beschreibt die hessische FDP-Landtagsfraktion mit "Tief im braunen Sumpf".
Und nun die Darmstädter FDP:
In der ersten freigewählten Stadtverordnetenversammlung (1948-1952) war die FDP, damals noch unter dem Namen LDP, mit dreizehn Stadtverordneten vertreten. Mindestens zwei davon, die Ärzte Dr. Richard Hammer (SA) und Dr. Friedrich Koch (u.a. NS-Ärztebund, NSFK), waren Mitglieder nationalsozialistischer Organisationen. Wir gehen im Folgenden der Frage nach, wie sich die Vertretung der ehemaligen (?) Nazis in den weiteren Legislaturperioden des Stadtparlaments entwickelt hat. Bei der Betrachtung beziehen wir auch die Kandidaten ein, die auf der Liste der Wahlvorschläge standen, es aber aufgrund des Wahlergebnisses nicht ins Parlament geschafft haben. Und wir nennen sie beim Namen.
Das gleiche gilt für die haupt- und ehrenamtlichen Stadträte und die Kandidaten/Abgeordneten der FDP-Landtagsfraktion und der FDP-Bundestagsfraktion.
Bei dieser erstaunlichen "Latte" ehemaliger (?) Nationalsozialisten stellt sich die Frage, ob die Darmstädter FDP ein Sammelbecken ehemaliger (?) Nationalsozialisten war oder eher einen verdienstvollen Beitrag zur Resozialisierung geleistet hat.
Bezeichnend für die FDP in Darmstadt ist auch, dass sie im Juni 1955 den Wiesbadener Oberbürgermeister Erich Mix (FDP) zu einem Vortrag in die Gaststätte Bockshaut eingeladen hatte [17].
Wer war Erich Mix (1898-1971)? Wir greifen auf einen Text von Wikipedia [16] zurück:
Er war 1932 Mitglied der NSDAP und am 1. September 1933 auch der SS geworden und von 1937 bis 1945 Oberbürgermeister von Wiesbaden. Von der Spruchkammer Darmstadt wurde er 1947 als belastet (Stufe II) eingestuft. Aufgrund seiner Position wäre eine Einstufung als Hauptschuldiger (Stufe I) möglich gewesen. Nach seiner Entlassung ging er gegen dieses Urteil in Berufung. Sein Verteidiger war der hessische Landtagsabgeordnete Heinrich von Brentano di Tremezzo. Das Berufungsverfahren vor der Spruchkammer Wiesbaden stufte ihn als minderbelastet (Stufe III) ein. Nach einer Bewährungsfrist von sechs Monaten wurde er automatisch als Mitläufer (Stufe IV) eingestuft. 1949 bis 1954 war Mix zunächst als Angestellter und dann als freier Mitarbeiter für das Rechtsamt der Stadt Wiesbaden tätig. Dabei vertrat er u. a. auch die Stadt vor der Wiedergutmachungskammer, wo er sich gegen den Rückerstattungsanspruch eines von ihm selbst 1938 enteigneten Wiesbadener Juden einsetzte. Von 1952 bis 1954 war Mix für die FDP in Wiesbaden Stadtverordneter, 1953/1954 auch Stadtverordnetenvorsteher und von 1954 bis 1960 erneut Oberbürgermeister von Wiesbaden. Er ist damit der einzige Oberbürgermeister einer Landeshauptstadt, der dieses Amt sowohl im "Dritten Reich" als auch in der Bundesrepublik innehatte.