So blieb es bis zum 1. Mai 1933. Als in den Nachmittagsstunden des 30. Januar 1933 Reichspräsident von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, bedeutete dies das Ende eines historischen Abschnitts. Der Versuch, nach dem Zusammenbruch der deutschen Monarchie als Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges die "Weimarer Republik" als erste offizielle Staatsform mit demokratischen Elementen in Deutschland zu etablieren, war gescheitert - nicht zuletzt durch die unheilvolle Allianz aus Faschisten, Monarchisten und den rechts-konservativen Kräften, wie u.a. der DVP (Deutsche Volkspartei) und dem Zentrum, aus dessen "ideologischem Dunstkreis" sich in der Nachkriegsära ab 1945 die "bürgerlichen" Parteien etablieren sollten.
Die grundlegenden Voraussetzungen aber, die diese politischen Kräfte erst zum Tragen kommen ließen, waren die finanzielle und personelle Unterstützung durch wesentliche Teile der Industrie (z.B. durch die IG Farben, Daimler-Benz, Siemens u.a.). Sie versprachen sich nach den die Wirtschaft in ihren Grundfesten erschütternden Jahren der Weltwirtschaftskrise in den 1920er Jahren ein neues Erstarken deutscher Leistungsfähigkeit und weltpolitischer Dominanz, um alte und neue Märkte "erschließen" zu können. Dies galt im besonderen für die Großbanken - allen voran die "Deutsche Bank" und "Dresdner Bank".
Die Haltung der deutschen Faschisten zu den Gewerkschaften hatte Adolf Hitler schon in "Mein Kampf" unmissverständlich formuliert:
Hitler hat diese Vorstellungen innerhalb der ersten sechs Monate seiner Amtszeit als Reichskanzler selbst in die Tat umgesetzt. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftbund (ADGB) versuchte als direkte Reaktion auf die Vorgänge des 30. Januar 1933 dergestalt Einfluss auf die Gewerkschaftsbasis zu nehmen, dass er die Überlegungen, sich gegen die "sozialreaktionäre Regierung" zur Wehr zu setzen, als "sachlich falsch" bezeichnete. Diese Einschätzung wurde damit begründet, dass dies der regierenden NSDAP den Vorwand zu einem Staatsstreich geben würde. Die SPD forderte in diesem Sinne ihre Mitglieder noch am gleichen Tag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler auf, sich weiterhin auf den Boden der Verfassung (und der Gesetze) zu stellen. Die Kommunistische Partei und einzelne SPD-Mitglieder sahen hingegen in einem Generalstreik, wie damals 1920 beim Kapp-Putsch, die einzige Möglichkeit, die Republik zu retten. Die uneinheitliche Reaktion des linken oppositionellen Parteienspektrums war in den Monaten nach der Machtergreifung hauptsächlich dadurch gekennzeichnet, dass SPD und KPD untereinander versuchten, sich auf Kosten des jeweils anderen zu profilieren und sich gegenseitig vorwarfen, durch ihr Verhalten (bzw. Nicht-Verhalten) ganz im Sinne der NS-Machthaber zu handeln.
Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war für die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie nicht der Ernstfall eingetreten, wie sie ihn so oft in pathetischen und kraftmeierischen Worten als die letzte noch zu schlagende Schlacht der Arbeiterschaft propagiert hatten. So wurde ein freiwilliger Anpassungsversuch an das neue Regime begonnen, der sich seitens der Gewerkschaften u.a. durch einen hemmungslosen Nationalismus auszeichnete, im Glauben, dadurch den Rechten das Wasser abgraben zu können.
Die Folgen der NS-Regierung, die wie ein wucherndes Krebsgeschwür immer mehr gesellschaftliche und politische Bereiche für sich vereinnahmen konnte, sollten die Darmstädter Gewerkschaften bereits in der Nacht vom 6. auf den 7. März 1933 zu spüren bekommen: Die SA brach in das Gewerkschaftshaus in der Bismarckstraße 19 (siehe Fotos unten) ein und plünderte, was sie an Wertvollem habhaft werden konnte.
Dieser Umstand zwang die Gewerkschafter zum Umzug in die Gaststätte Glenz in der Kahlertstraße 41 (heute Kneipe "41" im Johannesviertel). Dort wurden im ersten Stockwerk in zwei Zimmern Materialien untergebracht. Am 17. März 1933 erklärten sich die christlichen Gewerkschaften für "unpolitisch" und verhandelten mit Goebbels "über die Teilnahme ihrer Anhänger am neuen Staat". Am 21. März 1933 erklärte der Vorsitzende des ADGB, Leipart, die Bereitschaft, alle Verbindungen mit der SPD zu lösen und mit den Unternehmern zusammenzuarbeiten und begrüßte die Erhebung des 1. Mai zum "Feiertag der nationalen Arbeit".
Am 31. März 1933 erkannten die Gewerkschaften auf Reichsebene in einer Erklärung das Recht des Staates an (sprich der NS-Regierung), "im Allgemeininteresse in die Austauschbeziehung zwischen Kapital und Arbeit einzugreifen". Die Dienstbarmachung der durch die Gewerkschaften geschaffenen Selbstverwaltungsorgane für den NS-Staat am 9. April war nur noch eine logische Konsequenz. Der Bundesvorstand des ADGB gab am gleichen Tag eine Erklärung ab, in dem sich die Gewerkschaften offiziell in den Dienst des NS-Staates stellte, da die "... eigene Bewegungsfreiheit ihre Grenzen finden muss an dem höheren Recht des (NS-)Staates als Repräsentanten der gesamten Volksgemeinschaft ...". Zu keinem Zeitpunkt hatten die deutschen Faschisten je einen Zweifel daran gelassen, die Gewerkschaften hätten unter ihnen keine Existenzberechtigung - jedenfalls nicht in der bisherigen Form und Aufgabe. All diejenigen, die an etwas anderes geglaubt hatten, wurden spätestens jetzt eines besseren belehrt. Joseph Goebbels notierte am 17. April 1933:
Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auf diesem Gebiet. Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, aber dann gehören sie uns."
So sollte es dann auch kommen. In Folge der auf Reichsebene durchgeführten Besetzungsmaßnahmen der Gewerkschaftshäuser am 2. Mai wurden viele hessische Funktionäre im KZ Osthofen (bei Worms) interniert. Von einer ausgesprochen gewerkschaftlich orientierten Widerstandstätigkeit gegen den Nationalsozialismus kann in Darmstadt nicht die Rede sein. Zwar arbeiteten verschiedene Darmstädter Gewerkschafter in der Illegalität, so unter anderem Albert Mayer, doch wurde diesem eher aus sozialdemokratischer Tradition und Bindung entstandenen Widerstand durch die Massenverhaftungen im März 1936 ein Ende bereitet. Auch die Widerstandstätigkeit von Georg Fröba, des langjährigen Vorsitzenden der Gewerkschaft der Bekleidungsarbeiter, Stadtverordneten und Unterbezirksvorsitzenden der KPD, stand nicht nur unter gewerkschaftlichem, sondern auch unter kommunistischem Vorzeichen.
Nur die Jugendgruppen des Zentralverbandes der Angestellten (ZdA) in Darmstadt und Frankfurt hatten sich frühzeitig auf die Illegalität vorbereitet. So wurden schon Ende 1932 Vorbereitungen auf die zu erwartende Arbeit im Untergrund getroffen:
Fritz Wittersheim, ehemaliger Jugendleiter des ZdA in Darmstadt, berichtete über seine Arbeit:
Im Adressbuch von 1935 heißt es dann:
Bereits im Oktober 1934 wurde die Widerstandsorganisation der ZdA-Jugendgruppe zerschlagen und ihr Mitglied Hans Riffel zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Viele andere Gewerkschafter, Kommunisten und Sozialdemokraten wurden verfolgt und ermordet.
Nach der Befreiung Deutschlands 1945 durch sowjetische und amerikanische Truppen konnte sich wieder eine
Gewerkschaftsbewegung entwickeln. Bereits am 10. April, also zwei
Wochen nach Einmarsch US-amerikanischer Truppen in Darmstadt, trafen
sich "erstmals wieder
ehemaligen Gewerkschafter, um den Wiederaufbau
und Neubeginn ihrer Organisation zu beraten", schreibt
Lutz Ewald in seinem äußerst lesenswerten Beitrag
[12].