DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Goebel, Maschinenfabrik Die Darmstädter Maschinenfabrik Goebel AG wurde 1851 von Peter Gandenberger gegründet. Die Produktion umfasste damals Brückenwaagen, Zollstempel, Feuerspritzen und allerlei weitere Apparate bis zu Laternensäulen. Werkstatt und Wohnung des Unternehmers lagen in der Schützenstraße. 1856  trat der in Ober-Ramstadt geborene Georg Goebel als Mitinhaber in die Fabrik ein. Neu in die Produktionspalette wurden Maschinen und Apparate zur Herstellung und Kontrolle von Eisenbahnfahrkarten und Fahrkarten-Druckmaschinen aufgenommen.

Das Verwaltungsgebäude der Goebel AG gegenüber dem Hauptbahnhof Darmstadt, 1953
Das Verwaltungsgebäude der Goebel AG
gegenüber dem Hauptbahnhof Darmstadt (1953) [8]
Ab 1864 wurde die Firma unter dem Namen Gandenberger'sche Maschinen-Fabrik Georg Goebel betrieben. Die auftretenden Platzprobleme wurden mit einer Verlagerung auf ein 3800 qm großes Anwesen im Frühjahr 1888 von der Schützenstraße in den Griesheimer Weg (heute Mornewegstraße) gelöst. Ein neues Produkt waren Papierrollenschneide- und Wickelmaschinen. Als 1912 nur etwa 200 Meter westlich der Goebelschen Fabrik nach zweijähriger Bauzeit der neue Hauptbahnhof fertiggestellt wurde, bekam die Fabrik als erstes Darmstädter Unternehmen einen eigenen Gleisanschluss.

1918 bereitete das Ende des Ersten Weltkrieges auch der Entwicklung des GOEBEL-Flugzeug-Umlaufmotors ein Ende. In der firmeninternen Geschichtsschreibung hieß es: "Mit ihm hatte 'von Staats wegen' das Werk seinen Rüstungsbeitrag leisten sollen. Vermutlich war beabsichtigt, die Motorenproduktion 'als weiteres Standbein' nach Kriegsende fort zu führen. Dies würde erklären, warum alle Motoren und Einzelteile den Inspekteuren der Siegermächte entzogen und in die Brauerei Schönberger in Groß-Bieberau/Odenwald ausgelagert worden waren und auch dort (nach deren Entdecken) zerstört wurden".

Wilhelm Goebel übernahm um 1919/1920 die Leitung der Firma.

1927 erfolgte die Überführung des Werkes in die GOEBEL AG und Dr. med. Köhler wurde zum alleinigen Vorstand bestellt. 1939 erfolgte nach vorübergehenden Einschränkungen fast mit Kriegsbeginn der Umzug in das neue Verwaltungs- und Bürogebäude in der Otto-Wolfskehl-Straße, heute Goebelstraße. Der Umzug führte zu einer Drosselung der Produktion. Auch seien "Kriegsdienstleistungen" zu erbringen gewesen, also Rüstungsgüter produziert worden.

1944 wurde das Werk durch Bomberangriffe schwer getroffen und beschädigt, im Verhältnis zur weitgehend zerstörten Innenstadt jedoch relativ gering.

Durch die Einberufung zum Militärdienst entstandener Fachkräftemangel wurde mit dem Einsatz der Zwangsarbeiter ausgeglichen. Zwischen dem 27.10.1941 und dem 23.3.1945 waren bei der Firma Goebel insgesamt 129 Kriegsgefangene (55 Franzosen und 74 Russen) und 99 Zwangsarbeiter (10 Belgier, 14 Russen, 17 Jugoslawen, 4 Italiener, 10 Niederländer, 44 Franzosen)  beschäftigt. [1]
 
Auf eine schriftliche Anfrage der Autoren nach Unterlagen über Zwangsarbeit in der Fa. Goebel wurde folgendes mitgeteilt:


"Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir keine Unterlagen oder weitergehende Kenntnisse zu dem von Ihnen angesprochenen Thema 'Zwangsarbeit in Darmstadt während des 2. Weltkrieges' haben. " [2]

Im Stadtarchiv Darmstadt sind allerdings namentliche Listen von insgesamt 144 russischen Zwangsarbeitern, am 8. August 1947 von der Fa. Goebel AG vorgelegt, vorhanden.

Die Liste endet mit der Versicherung:

"Ich bestätige nach besten Wissen und Gewissen, dass dies eine treue und vollständige Wiedergabe der verlangten Informationen ist."

und ist mit zwei Unterschriften, eine davon ppa., unterzeichnet.

Weiterhin existiert eine Liste mit 99 französischen Zwangsarbeitern, ebenfalls mit Datum vom 8. August 1947.

Die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter waren auf verschiedene Lager verteilt. Während die Kriegsgefangenen in einem Lager in Hetzbach bei Erbach im Odenwald untergebracht waren, wohnten die Zwangsarbeiter in Darmstadt. Die Lager befanden sich in der Obergasse 38 (ehemalige Altstadt) und der Mühlstraße 5. Die Zwangsarbeiter aus dem Lager in der Mühlstraße wurden später zum Marktplatz 5 und nach dem 11.9.1944 in die Otto-Wolfskehl-Straße (heutige Goebelstraße) verlegt.

In einer Broschüre [4] der Tochter von Wilhelm Köhler (Leiter von 1924-1956) heißt es, er habe versucht, die Firma so weit wie möglich dem Einfluss der Nationalsozialisten zu entziehen. In der derselben Broschüre wird in Aufzeichnungen von Wilhelm Köhler selber ein Vorfall geschildert, wo er durch Denunziation mit der Gestapo in einen ersten Konflikt geraten war.

Bei Goebel existierte aber auch eine sogenannte Betriebsgruppe um den Kommunisten Hans Otto Fillsack. Diese Gruppe versuchte u. a., durch heimliche Zuteilung von Essens- und Tabakrationen den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen die Lage etwas zu erleichtern. Hauptaufgabe der Gruppe aber war die Drosselung der Rüstungsproduktion. Durch absichtliche Fehlbedienung der Maschinen zum Beispiel wurden zeitraubende Reparaturen verursacht. Außerdem sammelte man Geld, um andere Gruppen und Verfolgte des Naziregimes zu unterstützen.

In der bereits oben zitierte Broschüre ist von dieser Betriebsgruppe auch die Rede:

"In eine heikle Situation kam der Betriebsangehörige (Schlosser Hans) Fillsack, dies aber nicht im Zusammenhang mit der Betriebsgemeinschaft sondern durch seine Zugehörige zu einer Tarnorganisation der KPD, deren gemeinsamer Stammtisch aufflog. Es darf angenommen werden, daß die von uns über Fillsack erteilten Auskünfte ihm das Leben gerettet haben." In einer Fußnote ist noch vermerkt: "Fillsack war 1933 als "Schutzhäftling" im Konzentrationslager Osthofen".

Nachdem die Firma 1986 den besten Auftragseingang, den das Unternehmen je zu verzeichnen hatte, erzielte und 1988 die beiden Werke in Darmstadt und Münster fast 1.350 Mitarbeiter beschäftigte und über 100 Jugendliche ausgebildet hatte, geriet das bedeutende Darmstädter Unternehmen in große wirtschaftliche Schwierigkeiten. Über Kurzarbeit und Personalabbau 1993 verringerte sich die Zahl der Mitarbeiter weiter, bis es im Jahr 2000 Insolvenz anmelden musste. Es wurde erfolgreich saniert und in die "Goebel Schneid- und Wickeltechnik GmbH" und die "Goebel Graphic Machines GmbH" aufgeteilt.

Im Dezember 2020 wurde mitgeteilt [9], dass die "Goebel Schneid- und Wickeltechnik GmbH" ihre Fertigung bis Jahresende von Darmstadt komplett nach Italien verlegt. In Darmstadt verbleibe nur noch eine Konstruktionsabteilung.

Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [9], Foto: [8]

 

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