DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Roeder Ofenfabrik (Gebrüder Roeder Aktiengesellschaft)
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Der Vorläufer der Ofen- und Herdfabrik der Gebrüder Roeder war eine in der Bleichstraße 27 gelegene Schlosserwerkstatt, die Philipp Roeder (1842-1912) 1866 übernahm und unter anderem schmiedeeiserne Kochherde und Einbrennöfen herstellte und vertrieb. Das Unternehmen hatte Erfolg, konnte expandieren und verlegte seine Produktion in die Alicenstraße. Bruder Louis Roeder (1844-1914) trat 1873 in die Firma als kaufmännischer Leiter ein. Wegen der weiterhin guten Nachfrage erfolgte 1877 die Verlegung auf das Areal Rheinstraße/Mornewegstraße, postalisch Rheinstraße 99. Angeschlossen war eine große Eisengießerei.

Im Ersten Weltkrieg dehnte sich die Produktion auf die Herstellung von Herden für die Soldatenverpflegung aus.

Wie das NS-Regime nach 1933 nicht nur in alle Lebensbereiche der Menschen, sondern auch in den betrieblichen Alltag hineinwirkte, zeigt das mittlere Foto (NSBO = Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Am 15. Januar 1931 gegründete Kampftruppe der NSDAP, um dem Nationalsozialismus Eingang in die deutschen Betriebe zu verschaffen und alle Beschäftigte für den Nationalsozialismus zu gewinnen.).

NSBO-Gruppe am 1.Mai 1933 auf dem Fabrikgelände (Quelle leider unbekannt)
NSBO-Gruppe am 1.Mai 1933 auf dem Fabrikgelände
(Quelle leider unbekannt. Bedeutung "NSBO" siehe Text)

Eine Anzeige in der Programmbroschüre zur NS-Gaukulturwoche 1937 - sollte sie den Absatz der Firma befördern, oder stellt sie eine Unterstützung des NS-Regimes dar? Wohl beides. (Anzeige siehe Foto unten)

Anzeige in der Broschüre zur NS-Gaukulturwoche 1937
Anzeige in der Broschüre zur NS-Gaukulturwoche 1937 [2]

Im Vorstand hatte neben anderen auch Hans Bochow einen Sitz. Das Vorstandsmitglied Dr. Willi Bernauer, wohnhaft im Olbrichweg 19, war 1938 Mitglied der NSDAP geworden und nach 1945 als Mitläufer mit 2.000 Reichsmark Sühne "entnazifiziert" worden.

Im Haus der Gebrüder Roeder AG gehörenden Rheinstraße 95 hatten auch die folgenden NS-Organisationen ihren Sitz:

- NSDAP-Kreisleitung,
- NS-Frauenschaft Kreisamtsleitung,
- NS-Bund Deutscher Techniker und das
- Luftamt Darmstadt.

Im Zweiten Weltkrieg konnte die Produktion in verringertem Maße fortgesetzt werden. Hierbei kamen auch Zwangsarbeiter zum Einsatz. Nach im Stadtarchiv vorhandenen Unterlagen waren 311 aus Russland (268), Frankreich (36) und Belgien (7) stammende Menschen als Zwangsarbeiter eingesetzt. Nach anderen Quellen waren zwischen April 1942 bis April 1945 zwischen 400 und 500 Zwangsarbeiter aus Belgien, Frankreich, Italien, den Niederlanden und Ossetien (Kaukasus) bei Roeder tätig. Sie waren in Lagern in der Gardistenstraße, der Kiesstraße 21, der Weinbergstraße (Restaurant "Harmonie"), dem Kapellplatz und Auf dem Exercierplatz untergebracht. Auf eine schriftliche Anfrage der Darmstädter Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft zu diesem Sachverhalt im Jahr 1995 reagierte die Firma Roeder nicht.

In der Darmstädter Brandnacht wurde das Werk auch Ziel von Bombenabwürfen, konnte jedoch weiter produzieren. Nach dem Krieg produzierte das Unternehmen wieder Kohle-, Gas- und Elektroherde und stellte später auf Großküchentechnik um. Für die Bundeswehr stellte Roeder Feldküchen her.

Mitte der 1960er Jahre geriet das Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde 1966 stillgelegt. Heute befinden sich auf diesem Areal Geschäfts- und Bürogebäude.

Der Prokurist Hans Roeder lebte in der Gabelsbergerstraße 31 (1935), der Fabrikant Philipp Roeder im Olbrichweg 15 (1935). Die letztgenannte Liegenschaft war auch nach 1945 im Eigentum der Roeder AG und beherbergte zum Beispiel den Darmstädter Oberbürgermeister Dr. Ludwig Engel (SPD) und Studienassessor Dr. Eckehard Born, den späteren Oberstudiendirektor der Georg Büchner Schule (1954/55).

Gusseiserner Sockel eines alten Kandelabers in der Rheinstraße 99 (2016)
Gusseiserner Sockel eines alten Kandelabers in der Rheinstraße 99 (2016)
Verdeckt durch ein Gebüsch direkt hinter dem Bürgersteig in der Rheinstraße 99 auf dem Gelände der ehemaligen Herdfabrik steht die 1929 gegossene Bronzeschale des Darmstädter Künstlers Robert Cauer (1863-1947) (siehe Foto). Die Firma Roeder hatte das Kunstwerk 1930 der Stadt Darmstadt und ihren Bürgern zum 600 jährigen Stadtjubiläum geschenkt. Auf dem gusseisernen Sockel eines alten Kandelabers, der wohl in der Brandnacht 1944 verschwunden ist, sind Eisengießer bei der Arbeit zu sehen. Der ursprüngliche Standort war an der heutigen Ecke Rheinstraße/Berliner Straße vor der einstigen Festhalle am Exerzierplatz. In der Brandnacht wurde dieses Denkmal zerstört. Eine Kopie stand vor der Villa Roeder auf dem Grundstück Rheinstraße 99. Nach dem Krieg wurde die zerstörte Villa abgetragen und die Schale auf den heutigen Platz gestellt [13] [14].


Q: [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14], Abbildungen: [2] [12], Autoren (Kandelaber)

 

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