DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Leydhecker, Wolfgang Johannes Paul (3.5.1919 Darmstadt - .) war Sohn des Darmstädter Arztes Otto Leydhecker, dessen Vorfahren bereits Ärzte in Darmstadt waren. Otto Leydhecker hatte drei Söhne, Johann Nikolaus (geboren am 4. Oktober 1909), Friedrich Karl (geboren am 7. Juli 1911) und Wolfgang Johannes Paul, die ebenfalls alle den Arztberuf ergriffen. Bruder Johann trat der NSDAP 1938 bei, Bruder Friedrich fiel im Krieg am 12. Februar 1943.

Wolfgang Leydhecker legte im Februar 1937 als Siebzehnjähriger das Abitur am Darmstädter Ludwig-Georgs-Gymnasium ab und leistete anschließend sechs Monate in Lampertheim Arbeitsdienst und danach von November 1937 bis Frühjahr 1939 Militärdienst.

Auszug aus Leydheckers Buch
Auszug aus Leydheckers Buch [1]

Anschließend begann er im Sommersemester 1939 Medizin in München zu studieren und setzte sein Studium in Budapest, Innsbruck, Prag, Berlin und Frankfurt am Main fort. Das medizinische Staatsexamen legte er im August 1944 ab.

Der Titel seiner medizinischen Dissertation, die er 1944 in Frankfurt vorlegte, lautete "Reaktive Depressionen bei Soldaten".

Es schloss sich eine augenärztliche Ausbildung an der Universitäts-Augenklinik in Frankfurt am Main (bis 1946) und von 1946 bis 1947 ein internistisches Jahr an der Inneren Abteilung des Elisabethenstifts in Darmstadt an. Weitere Stationen waren von 1947 bis 1948 eine Augenarztausbildung in Essen, 1948 in Oxford das "Institute of Ophthalmology" in London und von 1950 bis 1953 die Universitäts-Augenklinik in Mainz.

Seine Habilitationsschrift über "Zur Frühdiagnose des Glaukoms, unter besonderer Berücksichtigung moderner Untersuchungsmethoden" legte er 1952 in Mainz vor und war anschließend von 1952 bis 1964 Assistent an der Universitäts-Augenklinik in Bonn, dann Oberarzt und 1958 apl. Professor ("apl." = außerplanmäßig). 1964 erhielt er einen Ruf an die Universität Würzburg und lehrte dort bis zu seiner Emeritierung 1987.

Wolfgang Leydhecker wurde vielfach ausgezeichnet: 1975 die Goldmedaille der Universitäts-Augenklinik Asuncion/Paraguay, 1981 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und 1987 den Bayerischen Verdienstorden.

Nach Angabe der Entnazifizierungskartei trat Wolfgang Leydhecker am 1. September 1937 der NSDAP bei. Sein Entnazifizierungsverfahren endete mit "Jugendamnestie".

Sein 1992 im Eduard Roether Verlag Darmstadt erschienenes Buch mit dem Titel "Eine Jugend im Dritten Reich: Nicht wie die anderen" ist es jedoch Wert, hier gewürdigt zu werden.

Hier ein paar Auszüge:

Der Kommentar des Vaters zum 30.1.1933 habe gelautet: Beim Papen hat's 6 Monate gedauert, beim Schleicher 6 Wochen, jetzt wird's auch nicht viel länger sein." "Laßt ihn ruhig einmal zeigen, was er kann, dann weiß man bald, was für ein Großmaul das ist". Zur Erinnerung: Vater Otto war am 1. Mai 1933 NS-Parteigenosse geworden.

Und weiter: "Wir hielten Hitler 1933 für einen redlichen Mann der Ordnung". "Der SA-Pöbel hatte einen jüdischen Landgerichtspräsidenten in Darmstadt gezwungen, die Straße zu schrubben".

Zu Hitler: "Er wirkte intelligent und energisch". Nicht nur in meinem Elternhaus waren wir so naiv, ihm zu vertrauen.

Bekannte von uns traten in die NSDAP, sogar in die SS ein, weil sie meinten, dass man die braune Bewegung nur von innen beeinflussen könne. Wir wollten lieber braun als rot sein, ...

Meine Eltern waren unpolitisch, liberal, nicht kirchlich.

Einer der Onkel war Evangelischer Pfarrer in einem "roten" Arbeitervorort.

Mein Vater war in keiner Studentenverbindung.

Am 1. April wurde ein Pogrom angeordnet. SA-Kerle zerschlugen jüdische Geschäfte, prügelten die Besitzer, demolierten deren Wohnungen.

Es gab einen Verein für das Deutschtum im Ausland, VDA, in dem auch ich wie alle anderen meiner Klasse Mitglied war.

Zur SA: Es waren brutale Dummköpfe.

Die Einstellung zu Juden war in meiner Familie und deren Freundeskreis differenzierter als die Propaganda im Dritten Reich. ... Ich spielte mit jüdischen Kindern in der Wohnung. ... Im Gymnasium waren keine Juden in meiner Klasse.

Haßte man die Juden? Eindeutige Antwort: Nein.

Die öffentliche Demütigung der Juden, die 1933 von der SA eingesammelt wurden und die Straßen fegen mußten, fand man schauderhaft. Zu Hause hörte ich, daß "diese Bande" (die SA) einmal diszipliniert werden müßte und daß wahrscheinlich Hitler von vielen dieser Aktionen nichts weiß.

Konzentrationslager gab es gleich nach der sogenannten Machtübernahme im Januar 1933, das wußte man, und man wußte auch, daß man bei einer falschen Bemerkung leicht dorthin eingeliefert werden konnte, ohne Gerichtsverhandlung.

Die KZs wurden nicht etwa verschwiegen, sondern zur Einschüchterung auch von den Nazis herumerzählt. Sie galten angeblich der Umerziehung.

Meine Familie benutzte den Hitlergruß nur dann, wenn er unbedingt vorgeschrieben war, z. B. wenn man ein Amt besuchte.

So war man in den ersten Jahren des Regimes zufrieden, weil es allen wirtschaftlich besser ging und man keine Angst hatte, wenn man sich nur ein wenig duckte und den Mund hielt. ... Die Unfreiheit spürte man aber durchaus. "Halt nur das Maul, sonst kommst Du nach Osthofen", war eine schon 1933 gehörte Warnung.

Mein Vater meinte "Es wird nie so heiß gegessen, wie es gekocht ist".

Ein SS-General namens Wolff, Adjutant des Chefs der Polizei und der SS, Himmler, war ein Patenkind meines Vaters.

Von den Judenverfolgungen der "Reichskristallnacht" 1938 bekam ich bei einem Urlaub nur das Niederbrennen der Synagogen erzählt, die Einlieferung vieler Juden in ein KZ habe ich erst viele Jahre nach dem Krieg erfahren.

Man konnte sich um ein Auslandsstudium bewerben, wenn man Mitglied im NS-Studentenbund war. Ich trat ein und stellte den Antrag für Lausanne.

Frühere Studentenverbindungen waren oft geschlossen in den NS-Studentenbund übergeführt worden, und so geriet ich jetzt in eine Verbindung.

Als ich zum Weihnachtsfest (1940) einige Tage zu Hause war, bekam ich Besuch von zwei Herren in Zivil, von denen sich einer als Oberst der Abwehr vorstellte. Sie fragten, ob ich in Budapest für sie arbeiten wollte. ... Alles andere erschien mir besser, als wieder Soldat zu werden. Ich nahm also das Angebot an und bekam eine Telefonnummer genannt, die ich anrufen sollte, wenn ich einberufen würde. Von meinem Aufrag durfte ich niemandem etwas sagen, auch militärischen Dienststellen nicht.

Im Frühjahr 1940 ... kam der Gestellungsbefehl.

(In Budapest) Ich fühlte mich zwar als Deutscher, aber nicht als Nazi, doch einen Unterschied durfte ich nicht merken lassen, sonst hätte man das sogleich befriedigt überall herumerzählt.

... muss ich hier anmerken, dass von der Existenz der KZs jedermann damals wußte, von Einzelheiten aber nichts.

Die Judenmorde im Osten gingen den Massenvernichtungen in Auschwitz voraus. Was in Auschwitz geschah, war geheim, nur die an Morden Beteiligten wußten davon. Aber 1941 mordeten die Einsatzkommandos der SS und Sonderkommandos der Polizei für viele sichtbar unter den Augen der Armee, die manchmal Soldaten zum Absperren abstellte und das Schreckliche nicht verhinderte und nicht verhindern konnte.

Ich wurde nach Berlin entlassen. ... Berlin im Kriegswinter 1941/42 - das hieß für einen Studenten oft Hunger.

Nur in Frankfurt war die Fortsetzung des Psychologiestudiums möglich, behauptete ich, und mein Gesuch um eine Versetzung nach Frankfurt wurde im März 1942 bewilligt.

Daß seit 1942 Juden eingesammelt und abtransportiert wurden, habe ich selbst nie gesehen.

Bei ihm (Prof. Karl Kleist) ließ ich mir ein Dissertationsthema geben über reaktive Depressionen bei Soldaten. Ich schrieb die Arbeit ohne Anleitung eines Doktorvaters anhand der Krankengeschichten der Klinik. Ein Kapitel mußte ich weglassen, als ich ihm die Arbeit vorlegte, weil es "politisch nicht opportun" sei, ein anderes abmildern. (Anmerkung der Verfasser: Prof Kleist war 1940 der NSDAP beigetreten.)

Was die deutsche Luftwaffe in London angerichtet hatte, war vergleichsweise unbedeutend. ... Jetzt wurden wir ausradiert. Der englische Luftmarschall Harris setzte diese Massaker von Zivilisten auch dann noch fort, als der Krieg längst entschieden war und als auch er längst erkannt hatte, dass das Bombardieren der Städte das Kriegsende nicht beschleunigt: Darmstadt am 12. September 1944, Dresden am 13. Februar 1945 mit 35.000 Toten, davon die meisten Zivilisten, die Frauen und Kinder, die lebendig verbrannten, waren anscheinend keine Last für das christliche Gewissen der englischen und amerikanischen Nation.

Wenige Tage nach dem Ende meines Staatsexamens fuhr ich am 28. August 1944 froh zum Wochenende nach Hause und ging vom Bahnhof aus zu Fuß. ... Vor mir stand die geschwärzte Fassade meines Elternhauses, ohne Fenster, ausgebrannt, qualmend. ... Der Vater war 75 Jahre als, hatte keine Alters- oder Krankenversicherung, kein Bankdepot, nichts, auf das er zurückgreifen konnte ... . (Das Haus wurde offenbar am 25. August 1944 zerstört)

Gesinnungswechsel gab es bei zahlreiche Menschen 1933 und 1945. Der Schlaue stand immer auf der Seite der Sieger. Im März 1933 nannte man die Leute "Märzgefallene". Die Leute, die ohne eigene Überzeugung im Dritten Reich mitmachten, nannte man "Mitläufer".

Ich hatte das Glück, nicht aktiv an kriminellen Handlungen teilnehmen zu müssen, aber ich fühlte, dass dies Zufall war ... Und nun kamen die Sieger und erklärten uns, wir seien kollektivschuldig. Sie hatten Berge von verhungerten und noch nicht verbrannte Leichen in den Vernichtungslagern vorgefunden. ... Es wurde gefilmt und möglichst vielen Deutschen, teilweise auch zwangsweise, gezeigt, die angeblich nichts von den Massenmorden wußten, auch nicht, wenn sie im nächstgelegenen Dorf wohnten.

Von 1935 bis 1940 waren schätzungsweise 90 Prozent aller Deutschen für Hitler. Noch als der überwiegende Teil Deutschlands von Russen und Amerikanern erobert worden war, sträubten sich viele gegen das Aufziehen einer weißen Kapitulationsfahne in ihrem Dorf.

1945 glaubte ich naiverweise zunächst, jetzt sei die Zeit des Unrechts zu Ende. Jetzt begann aber das Justiztheater des Nürnberger Prozesses, die Herrschaft der Schwarzmarkthändler und der Besatzungsbehörden.

Man mußte für die Militärregierung 131 Fragen eines riesigen Bogens ausfüllen, darunter auch so unsinnige Fragen wie: welche Partei man in einem bestimmten Jahr gewählt habe. Parteigenossen durften nirgendwo angestellt werden, wovon sie leben sollten, blieb unklar.

Die Menschen wurden in Mitläufer, leicht und schwer Belastete eingeteilt. In die letzte Gruppe gehörten auch Menschen, die nach vier Jahren Dienst im Jungvolk oder in der Hitlerjugend in die Partei übernommen worden waren. Natürlich konnte ich nicht dazu gehören, dachte ich, "ich war doch schon immer dagegen".

Die NSDAP nahm 1938 und einige Jahre zuvor bereits keine neuen Mitglieder mehr auf. Ich vermutete, Mitglieder würden Vorteile genießen, das Leben im Dritten Reich sei für sie leichter, insbesondere brauchten sie nicht in uniformierten Gliederungen der Partei Mitglied zu werden und zu marschieren. So dachte ich 1938. Das Regime war mir widerlich, aber ich hielt es 1938 noch nicht für kriminell. Einen Krieg hielt ich für unwahrscheinlich, Massenmorde waren auch mit der kühnsten Phantasie undenkbar. ... Nach vier Jahren im Jungvolk oder in der Hitlerjugend konnte man entscheiden, ob man in die Partei eintreten wollte, in diesem Fall galt die Aufnahmesperre nicht. So ließ ich mich 1938 einschreiben. Die Erwägungen damals hatten mit Moral wenig zu tun, sondern mit der Spekulation: "Vorteil oder Nachteil für die Zukunft?". Weil ich 1938 den Militärdienst ableistete und 1939 der Krieg begann, habe ich nie an Mitgliederversammlungen teilnehmen oder Beiträge bezahlen müssen. Im Frühjahr 1946 wurde ich zur Militärregierung bestellt, von einem deutschen Mitarbeiter scharf nach meiner Vergangenheit befragt, auf frühere eigene Angaben bei der Immatrikulation verwiesen - ich hatte die Parteimitgliedschaft angegeben - und wegen falscher Angaben im Fragebogen angezeigt. Der deutsche Anklagevertreter verstand aber nach einigen Gesprächen soviel, dass er mich nicht für einen Nazi hielt und die Anklage zu meinen Gunsten fälschte: Ich musste einen neuen Fragebogen ausfüllen, in dem ich angab, Parteianwärter gewesen zu sein. ... Jetzt kam die Strafe für meine Charakterlosigkeit, diesem Verein beizutreten. Die Arbeit in der Klinik hörte sofort auf. Ich konnte ein paar Tage lang versuchen, Zeugen für meine Gesinnung zu bringen und mußte dann zur Gerichtsverhandlung erscheinen. Die Verhandlung war sehr kurz. Auf die Gesinnung kam es nicht an, sondern nur auf die falschen Angaben - Anwärter statt Parteigenosse. "Six months prison and 2.000 Mark" sagte der Richter. (Er war dann wohl über eine Nacht im Gefängnis)

Der Ankläger hatte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Meine Mutter konnte die Entlassung mit Hilfe einer Silberschale, die nicht verbrannt oder danach von unserem Hausmädchen gestohlen worden war, beschleunigen. Die 2.000 Mark hatten meine Eltern inzwischen bezahlt - ich weiß nicht wovon. Das Urteil sei "suspended", bekam ich mitgeteilt. Monate später kam die Nachricht, es sei aufgehoben. Mein Richter war abgelöst worden. Er hatte noch in anderen Fällen zu hart geurteilt. Im Nachhinein halte ich das Erlebnis für einen verdienten und nützlichen Schreckschuß für die Vogel-Strauß-Haltung und die Verdrängung: "es wird schon gut gehen", wozu ich neige.

Sie (die Amerikaner) sagten uns, wir müßten für unsere Ernährung selbst aufkommen, wir seien alle schuldig an diesem Krieg. Sie treiben eine sehr oft wiederholte Propaganda mit den Greueln der Konzentrationslager und sagen uns immer wieder, wir alle müssten uns schämen. (Juni 1945)

Man verlangt von uns nicht nur Buße, sondern auch Reue und Selbstanklage. Die eigene Schuld einzusehen ist immer mißlich, durch das Auftreten der Befreier als Sieger wird es noch mißlicher, zumal wenn man die durch Bombenangriffe zerstörten Städte täglich vor Augen sieht, die KZ-Greuel aber nicht, die obendrein nicht von der Nation begangen oder auch nur gebilligt, nicht einmal gewußt wurden, während die Städtezerstörung offiziell erfolgte.

Die Zwangsdeportationen deutscher Arbeiter nach Rußland, die gehen genau so vor sich, wie es die Deutschen vormachten: Umstellen des Hauses in der Nacht, Durchschneiden des Telefons, Abtransport innerhalb von 3 Stunden, oft auch Trennung von der Familie. In Nürnberg hat man Deutsche deshalb gehenkt, jetzt machen es die Russen im Frieden nicht besser, und die Welt schweigt dazu. (Nov. 1946)

Bei der Rechtsprechung sind Korruption und Rechtsbeugung eingerissen. ... Einerseits macht sich seit den Nazizeiten schon, heute wieder aufgewärmt, die Tendenz breit, frühere Vergehen durch nachträglich erlassene Gesetze zu ahnden; was in der Nazizeit positives Recht, wenn auch menschlich Unrecht war, wird heute verurteilt und der Betroffene kommt ins Kittchen oder wird gehängt. Gewiß ist dies in vielen Fällen berechtigt, da das damals gesetzlich angeordnete Unrecht oft so himmelschreiend war, daß ein Ausweg im Einzelfall wohl zu finden gewesen wäre; in anderen Fällen wurde wohl sogar die Möglichkeit, vom Unrecht-Gesetz gedeckte Verbrechen straffrei zu begehen, gern benutzt. (Sept. 1947)

Gewiß wäre die Lage der europäischen Länder nicht besser, wenn Hitler gesiegt hätte. Er hätte sie ausgenutzt bis zum letzten und sich auch nicht im geringsten darum gekümmert, wieviele Menschen dort verhungert oder verkommen wären.

Dem Leser dieses Textes werden die Widersprüche aufgefallen sein, dennoch wollen wir auf einige wenige Formulierungen hinweisen, die den Geist des Wolfgang Leydhecker deutlich machen und ggf. in Klammer einen Kommentar hinzufügen:

"Wir hielten Hitler 1933 für einen redlichen Mann der Ordnung". "Der SA-Pöbel hatte einen jüdischen Landgerichtspräsidenten in Darmstadt gezwungen, die Straße zu schrubben".

Die öffentliche Demütigung der Juden, die 1933 von der SA eingesammelt wurden ... (Anmerkung: eingesammelt!)

Bekannte von uns traten in die NSDAP (von seinem Vater spricht er nicht!)

Die öffentliche Demütigung der Juden, die 1933 von der SA eingesammelt wurden und die Straßen fegen mußten, fand man schauderhaft. Zu Hause hörte ich, daß "diese Bande" (die SA) einmal diszipliniert werden müßte und daß wahrscheinlich Hitler von vielen dieser Aktionen nichts weiß. (Die Juden wurden nicht eingesammelt, sondern von der SA aus ihren Wohnungen geprügelt! Und der Spruch "Wenn das der Führer wüßte" ist ein typischer Spruch der Verharmlosung!)

Meine Familie benutzte den Hitlergruß nur dann, wenn er unbedingt vorgeschrieben war ... (Das ist ja total glaubwürdig bei einer Familie, wo der Vater am 1. Mai 1933 der NSDAP beigetreten war.)

Von den Judenverfolgungen der "Reichskristallnacht" 1938 bekam ich bei einem Urlaub nur das Niederbrennen der Synagogen erzählt ...(Dann las er wohl keine Zeitung)

Man konnte sich um ein Auslandsstudium bewerben, wenn man Mitglied im NS-Studentenbund war. Ich trat ein und stellte den Antrag für Lausanne.(Für ein Auslandsstudium schloss man sich schon mal einer Bande an, die nur "arische" Menschen in ihre Reihen aufnahm und auch für die reichsweite Bücherverbrennung verantwortlich war - wovon in seinem Werk nichts zu lesen ist.)

Daß seit 1942 Juden eingesammelt und abtransportiert wurden, habe ich selbst nie gesehen. (In Darmstadt und anderen Städten wurden Juden tagsüber zusammengetrieben und zu den Transporten geführt und geprügelt!)

Gesinnungswechsel gab es bei zahlreiche Menschen 1933 und 1945. Der Schlaue stand immer auf der Seite der Sieger. (Er zählt sich wohl zu den "Schlauen"!)

Und nun kamen die Sieger und erklärten uns, wir seien kollektivschuldig. Sie hatten Berge von verhungerten und noch nicht verbrannte Leichen in den Vernichtungslagern vorgefunden. ... Es wurde gefilmt und möglichst vielen Deutschen, teilweise auch zwangsweise, gezeigt, die angeblich nichts von den Massenmorden wußten, auch nicht, wenn sie im nächstgelegenen Dorf wohnten. ... Von 1935 bis 1940 waren schätzungsweise 90 Prozent aller Deutschen für Hitler. Noch als der überwiegende Teil Deutschlands von Russen und Amerikanern erobert worden war, sträubten sich viele gegen das Aufziehen einer weißen Kapitulationsfahne in ihrem Dorf. (Bei 90 Prozent Zustimmung zu einem mörderischen Regime darf man schon von einer "Kollektivschuld" sprechen! Weiter oben schreibt er, von der Synagogenzerstörung nichts mitbekommen zu haben!)

1945 glaubte ich naiverweise zunächst, jetzt sei die Zeit des Unrechts zu Ende. Jetzt begann aber das Justiztheater des Nürnberger Prozesses. (Wer den nicht gelungenen Versuch der justitiellen "Bewältigung" der Massaker des NS-Regimes als "Justiztheater" bezeichnet, hätte nicht entnazifiziert werden dürfen.)

Die NSDAP nahm 1938 und einige Jahre zuvor bereits keine neuen Mitglieder mehr auf. Ich vermutete, Mitglieder würden Vorteile genießen, das Leben im Dritten Reich sei für sie leichter, insbesondere brauchten sie nicht in uniformierten Gliederungen der Partei Mitglied zu werden und zu marschieren. So dachte ich 1938. (Auch an diesen nur ihren Vorteil Suchenden ist die Weimarer Demokratie zugrunde gegangen.)

So ließ ich mich 1938 einschreiben. Die Erwägungen damals hatten mit Moral wenig zu tun, sondern mit der Spekulation: "Vorteil oder Nachteil für die Zukunft?"("Einschreiben" eine schöne Umschreibung dafür, einem verbrecherischen Regime zu dienen!)

Sie (die Amerikaner) treiben eine sehr oft wiederholte Propaganda mit den Greueln der Konzentrationslager und sagen uns immer wieder, wir alle müssten uns schämen. (Juni 1945).(Die Massenmorde waren offenbar nur Greuel und Propaganda der Amerikaner!)

Die Zwangsdeportationen deutscher Arbeiter nach Rußland, die gehen genau so vor sich, wie es die Deutschen vormachten: Umstellen des Hauses in der Nacht, Durchschneiden des Telefons, Abtransport innerhalb von 3 Stunden, oft auch Trennung von der Familie. In Nürnberg hat man Deutsche deshalb gehenkt, jetzt machen es die Russen im Frieden nicht besser, und die Welt schweigt dazu. (Nov. 1946) (Den in Nürnberg Verurteilten ist offenbar Unrecht geschehen.)

Gewiß wäre die Lage der europäischen Länder nicht besser, wenn Hitler gesiegt hätte. (Kein Kommentar. Und dieser Wissenschaftler hat bis 1987 als Universitätsprofessor junge Menschen unterrichtet und ausgebildet und wurde mit höchsten Auszeichnungen der Bundesrepublik Deutschland geehrt.)

Und was diese Sätze in seinem Buch von 1992 aussagen sollen - von einem Hochschullehrer, der bis 1987 junge Mediziner ausbildete - bleibt zweifelhaft - oder sollen sie sogar die Morde und Vernichtung von 6 Millionen Juden relativieren?


Q: [1] [2] [3] [4] [5], Abbildung: [1]

 

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