DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Metzger, Ludwig (18.3.1902 Darmstadt - 13.1.1993 Darmstadt) war religiöser Sozialist, sozialdemokratischer Politiker, erster Oberbürgermeister Darmstadts nach 1945, danach Hessischer Kultusminister und SPD-Bundestagsabgeordneter.

Nach Besuch der Mittelschule, Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung und Erlangung der Hochschulreife über Abendkurse studierte Metzger ab 1924 Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an den Universitäten Gießen, München und Wien. Nach dem Zweiten Staatsexamen wurde er Gerichtsassessor an den Amtsgerichten Gießen und Darmstadt und Regierungsassessor beim Kreisamt Heppenheim. In dieser Position war er der Stellvertreter des Kreisdirektors.

Metzger schloss sich dem Bund religiöser Sozialisten an, war zeitweise deren Vorsitzender und wurde 1932 Mitglied der SPD.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde er wie viele andere aus dem Staatsdienst entlassen. Der nationalsozialistische Staatssekretär Jung, so schreibt Kiraly, sicherte Metzger zu, ihn nach einer Frist von drei Monaten als Rechtsanwalt zuzulassen. Metzger berichtet selbst von dieser Zusage, die trotz ablehnender Haltung der Rechtsanwaltskammer eingehalten wurde. Seine Kanzlei eröffnete er im Januar 1934 in der Rheinstraße 22. Metzgers wohnten in der Frankfurter Straße 62. Später wurde Ludwig Engel, sein Nachfolger 1951 als Oberbürgermeister in Darmstadt, sein Sozius.

Als evangelischer Christ schloss sich Metzger auch der Bekennenden Kirche an. Als Anwalt vertat er Mandanten vornehmlich in politischen und kirchlichen Prozessen.

Metzger wurde Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund, dessen Aufgabe die "Formung des gesamten deutschen Rechtslebens nach den Grundsätzen des Nationalsozialismus" war. Dennoch hielt er Kontakte zu einer sozialdemokratischen Widerstandsgruppe in Darmstadt und weiterhin zu seiner Evangelischen Johannesgemeinde.

1936 wurde er vorübergehend im Gestapo-Gefängnis in der Riedeselstraße in Haft genommen.

Metzger berichtete, dass er von seinem Freund, dem Maler Willi Hofferbert, der als Landsturmmann eingezogen worden war und Bewacherdienste an einer Schule leisten musste, darüber informiert wurde, dass dort Juden hinein getrieben wurden. Bei der Schule handelt es sich ganz sicher um die Justus-Liebig-Schule, in der Juden hausen mussten, bevor sie in die Vernichtungslager deportiert wurden.

Nachdem Metzger befürchtete, dass der Druck der Gestapo aufgrund seiner Anwaltstätigkeit zunehmen würde, wechselte er 1943 als Leiter der Rechtsabteilung der Deutschen Umsiedlungs-Treuhandgesellschaft (DUT) in das von den Nazis besetzte Luxemburg, schreibt Metzger. Leider bleibt unklar, wie dieser Wechsel ablief und welche Parteistellen ihn dabei unterstützten. Diese Organisation wickelte im Auftrag des "Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums im Ausland" die rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte der nationalsozialistischen Umsiedlungsaktionen ab.

"Die Gesellschaft besitze Außenstellen in den von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiete, denen die treuhänderische Verwaltung des Vermögens von umgesiedelten Personen obliege." heißt es bei Metzger. Dies ist doch wohl die verschleiernde Bezeichnung des Raubes von Vermögen der in die Vernichtungslager deportierten Juden und anderer Nazigegner. Die Zentrale der Gesellschaft befand sich in Berlin. Metzger bekundete auch, dass er "Beim Studium der Satzung der Gesellschaft (feststellte), dass die SS finanziell mitbeteiligt war. Es wurde mir aber versichert, dass sie keinen Einfluss ausübe und die leitenden Personen, die alle Zivilisten seien und nicht der SS angehörten, ihre Entscheidungen selbständig treffen könnten". Metzger habe die Angelegenheit mit Wilhelm Leuschner besprochen, der ihm zur Annahme geraten habe.

Kuhl schreibt über die DUT:

"Diese 1939 auf Anweisung Heinrich Himmlers gegründete Organisation unterstand dem Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung des Deutschen Volkstums, also Heinrich Himmler. Der Chef dieses Amtes war SS-Obergruppenführer Ulrich Greifelt. Die Aufgabe der D.U.T. bestand in der vermögensrechtlichen und wirtschaftlichen Abwicklung der Umsiedlung (sprich: Vertreibung und Einsperrung) der einheimischen Bevölkerung zugunsten neu anzusiedelnder. Unter anderem in Elsaß-Lothringen und Luxemburg verwaltete die D.U.T. das beschlagnahmte Vermögen.

Diese Gesellschaft gehörte demnach zur Plünderabteilung des Nazi-Vernichtungsfeldzugs im Osten, aber auch in den besetzten Westgebieten; und so auch in Luxemburg und Elsaß-Lothringen. Unter Beteiligung der Deutschen Bank und der Dresdner Bank wurde das Vermögen von Jüdinnen und Juden, aber auch anderen zur Zwangsarbeit Gepreßten requiriert und sollte dort neu angesiedelten Volksdeutschen übereignet werden. Zu dieser "Arisierung" in Luxemburg schrieb der Historiker Michael Hepp: "Für Luxemburg wurde vom Reichsfinanzministerium der Wert des jüdischen Vermögens, der nach zahlreichen Transaktionen und umfangreichen Verwertungsaktionen schließlich noch dem Reich zufloß, mit etwas über 20 Mio. Reichsmark angegeben. Den Beschwerden des Finanzministeriums nach muß die eigenmächtige Verwertung vor Ort erheblich gewesen sein, so daß eine Gesamtsumme von vorsichtig geschätzt 60 Mio. Reichsmark angesetzt werden muß.""

In einem Dokument des Bundesarchivs lesen wir:

"Am 03.11.1939 auf Anweisung des Reichsführers SS in dessen Eigenschaft als Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums (RKFV) durch die Deutsche Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft und die Garantie-Abwicklungsgesellschaft mbH gegründet. Sie unterstand dem Stabshauptamt des RKFV und betreute die reichs- und volksdeutschen Umsiedler in vermögensrechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Außerdem verwaltete die Gesellschaft die beschlagnahmten Vermögen in den Ansiedlungsgebieten Elsaß-Lothringen, Luxemburg, Oberkrain und Untersteiermark."

Deutlicher kann die Funktion der Deutschen Umsiedlungs-Treuhandgesellschaft nicht beschrieben werden: Enteignung der Juden, deren Deportation in die Vernichtungslager und Ansiedlung der "Volksdeutschen".

Nach 1945 war Metzger bis 1950 Darmstadts Oberbürgermeister, von 1946 bis 1953 Mitglied des Hessischen Landtags, von 1951 bis 1954 Hessischer Minister für Erziehung und Volksbildung und von 1954 bis 1969 Mitglied des Deutschen Bundestages. Metzger gehörte auch dem SPD-Parteivorstand und den Synoden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der EKD an. Dem Europäischen Parlament gehörte er bis 1970 an, zeitweise als Vizepräsident. In seinen Erinnerungen erwähnte Metzger unter anderen Hans Schiebelhuth, Fritz Usinger, Karl Gunschmann, Ernst Kreuder, Karl Krolow und Elisabeth Langgässer und hebt ihre positive Bedeutung für Darmstadt hervor.

Über Metzgers Verhalten als Oberbürgermeister schreibt im Jahr 2006 der Darmstädter Kommunist Dr. Heinz Schäfer, dass sein Anwärterverhältnis am 9. Oktober 1950 von Oberbürgermeister Ludwig Metzger mit sofortiger Wirkung aufgelöst wurde. Begründet wurde die Entlassung mit einem Beschluss der Bundesregierung, wonach die Unterstützung von Organisationen und Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Staatsordnung gerichtet sind, als unvereinbar mit den Dienstpflichten angesehen wird. Zu diesen Organisationen gehörte u. a. die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) mit all ihren Unterorganisationen. Schäfer sei aktives Mitglied der KPD, der Freien Deutschen Jugend (FDJ) sowie mehrerer anderer kommunistischer Unterorganisationen. Die Entlassung sei auch deshalb notwendig, weil er sich in der letzten Zeit mehrfach - sowohl mündlich als auch schriftlich - gegenüber Vorgesetzten in einer Art und Weise benommen hätte, die erkennen lasse, dass ihm neben dem guten Willen auch die erforderliche Eignung fehle, ein brauchbarer Beamter des öffentlichen Dienstes zu werden. Bereits am 11. September habe der Magistrat den Arbeitnehmerrat gebeten, seiner Entlassung zuzustimmen, weil er an einer verbotenen Kundgebung teilgenommen hätte. Gemeint war eine Kundgebung anlässlich des 6. Jahrestages der Zerstörung Darmstadts am 11./12. September 1944. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und das Komitee der Kämpfer für den Frieden hatten zu einer Gedenkveranstaltung auf dem Darmstädter Friedensplatz aufgerufen. Das "Darmstädter Tagblatt" vom 11. September 1950 berichtete:

"Große weiße Plakate riefen seit etwa acht Tagen im Stadtgebiet zu einer Friedens- und Gedenkkundgebung zu Ehren der Opfer des Krieges und des Faschismus auf. (.) Im Anschluss an die Kundgebung waren ein Schweigemarsch und eine Kranzniederlegung vorgesehen. Die Ansprache sollte Pfarrer Heinrich Eckert, Mannheim, halten. (.) Auf Anweisung des hessischen Innenministers vom 31.8.1950 wurde diese Veranstaltung kurzfristig vom Polizeipräsidenten in Darmstadt verboten." Die Polizei habe sich "nach Berichten von neutralen Augenzeugen nicht in allen Momenten besonnen verhalten".

In der 2016 erschienen Untersuchung über die Ehrengräber auf Darmstadts Friedhöfen heißt es zu Metzger:

"Metzgers Engagement in der Zeit des Nationalsozialismus schwankte zwischen Widerstand und Anpassung - wenngleich er ob seiner gelebten politischen Überzeugung nie im Verdacht stand, sich der Ideologie des Nationalsozialismus verschrieben zu haben".

Seit 10. Juni 1976 ist Ludwig Metzger Ehrenbürger seiner Heimatstadt Darmstadt. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten Darmstädter Friedhof (3 D 41).


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