DFG-VK Darmstadt "Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt"
Sinti und Roma Roma ist die Selbstbezeichnung einer Volksgruppe, die vor über 1.000 Jahren aus dem Nordwesten Indiens nach Westen abwanderte. Die Sinti sind eine Teilgruppe der Roma und seit Jahrhunderten im deutschsprachigen Raum beheimatet.

Die Diskriminierung der "Zigeuner" begann nicht erst im Nationalsozialismus.
Foto aus der Frankfurter Rundschau vom 24.1.2014
Foto aus der Frankfurter Rundschau vom 24.1.2014

Im damaligen Volksstaat Hessen war es der sozialdemokratische Innenminister und spätere NS-Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner, der ein "Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" im Hessischen Landtag einbrachte. Dieses wurde am 21. März 1929 in Erster und Zweiter Lesung vom Landtag verabschiedet und trat am 3. April 1929 in Kraft. In dem Gesetz wurde festgeschrieben, dass die Erlaubnis der Ausübung eines Wandergewerbes von einer besonderen amtlichen Erlaubnis abhängig ist, verbunden mit einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Durch die Weigerung der Erteilung hatten die staatlichen Organe somit die Möglichkeit, diejenigen Sinti und Roma, die auf Wandergewerbe angewiesen waren, in ihrer Berufstätigkeit und somit in ihrer Existenz so radikal zu reglementieren und diskriminieren, dass den betroffenen Menschen als einziger Ausweg meistens nur noch die Emigration in eine Region blieb, in der vergleichbare Gesetze nicht existierten. Leuschner formulierte seine Absichten folgendermaßen: "... die Zigeunerplage (als) Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (einer) einheitlichen Bekämpfung ... zu führen, da trotz energischen Vorgehens eine Ausrottung des Übels bisher nicht möglich war."

Die SS begann bereits 1931 mit der Erfassung der aufgrund ihrer "Rasse" als "Untermenschen" geltenden "Zigeuner". Zuständig für die Verfolgung der "Zigeuner" war das Reichskriminalpolizeiamt (ab September 1939 das Amt V des RSHA), seit ihm im Oktober 1938 die Münchner Zentrale "Zigeunerpolizeistelle" als "Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" eingegliedert wurde. Schon 1936 wurden die Zigeuner zum Gegenstand zentraler "rassenhygienischer" und "kriminalbiologischer" Untersuchungen. Am 16. Dezember 1942 befahl Heinrich Himmler per Erlass, alle im Deutschen Reich und in den besetzten Gebieten lebenden Zigeuner ins Konzentrationslager Auschwitz einzuweisen. Mehr als 500.000 Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet. Aus Darmstadt stammende in Auschwitz ermordete Sini und Roma sind in dieser Übersicht aufgeführt.

Die Phasen der Entrechtung sind hier zu lesen.

Auch nach dem Krieg, in der demokratischen Bundesrepublik Deutschland, spürten die von den Nazis Verfolgten weiterhin staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung. Nicht selten begegneten sie in den Gesundheitsämtern denselben Ärzten, von denen sie in der Nazizeit "begutachtet" wurden.

Im November 1979 übergaben Vertreter des "Verbandes Deutscher Sinti" ein Memorandum an Kanzler Schmidt, in dem auch eine "Wiedergutmachung von der Bundesregierung" gefordert wurde. Einige Überschriften in den Medien lauteten damals und in den Folgejahren:


In der Antwort auf eine Große Anfrage der SPD und FDP-Fraktionen im Deutschen Bundestag (Drucksache. 9/2369 vom 21.12.1982) erklärte die Bundesregierung u. a. "Den Sinti und Roma ist durch die NS-Diktatur schweres Unrecht zugefügt worden. Sie wurden aus rassischen Gründen verfolgt und viele von ihnen ermordet. Diese Verbrechen sind als Völkermord (jetzt § 220 a StGB) anzusehen".

Im November 1985 bekundeten alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, dass sie sich der von den Nationalsozialisten verfolgten und bis heute benachteiligten Sinti und Roma zu spät angenommen haben und versprachen einmütig, die Versäumnisse jetzt rasch nachzuholen.

Die Berichte über Diskriminierungen reißen nicht ab:


Selbst der Europarat kritisierte im Jahr 2010 nach einer Meldung der Frankfurter Rundschau vom 23.9.2010 die deutsche Roma-Politik scharf wegen Abschiebungen in den Kosovo, wo Roma auf keine sicheren Lebensbedingungen stießen.

Wesentlich vor dem an die Verfolgung und Ermordung erinnernden Mahnmals in Berlin weihte der Österreichische Bundespräsident Kirchschläger bereits im Oktober 1984 ein Mahnmal für die von den Nazis getöteten Zigeuner in Wien ein (FR 8.10.1984).

Das Berliner Denkmal wurde am 24. Oktober 2012 eingeweiht. Fast zeitgleich wurde von Regierenden in Deutschland vor einer Überschwemmung durch Einwanderer aus südosteuropäischen Ländern, die nur unser Sozialsystem missbrauchen wollten, gewarnt. Mit "Einwanderern aus südosteuropäischen Ländern" waren selbstredend Romas gemeint. Im Jahr zuvor hatte der Überlebende des Holocaust, Zoni Weisz, am 27.1.2011 im Deutschen Bundestag bitter festgestellt: "Nichts, fast nichts hat die Gesellschaft daraus gelernt - sonst würde man jetzt auf andere Art mit uns umgehen". Wie recht hat er!
Eine neue Untersuchung aus dem Jahr 2014 zeigt, dass jeder zweite Bundesbürger Vorurteile gegenüber Sinti und Roma äußern - die durch die oben erwähnten regierungsamtlichen Äußerungen noch Unterstützung erfahren.

Und wie sah die Situation in Darmstadt aus?

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden 70 Sinti und Roma aus Darmstadt ermordet. ("Drehscheibe der eiskalten Todeslogistik",
FR 29.09.08 ). Am Güterbahnhof erfolgten die Deportationen in die Vernichtungslager. Hieran erinnert heute das Denkzeichen Güterbahnhof in der Bismarckstraße und ein Denkmal vor dem Justus-Liebig-Haus.

Nach dem Krieg wurden viele Überlebende der Sinti und Roma in sogenannten Schlichtwohnungen untergebracht. "Hinter dem Bahndamm" lautete eine Bildunterschrift im Darmstädter Echo beschönigend über die zerstörten Bauten der von 1938 bis 1945 betriebenen Schweinemästerei des NS-Ernährungshilfswerks, deren drei Hallen laut Stadtrat Ernst Holtzmann zu 16 Wohnungen ausgebaut werden sollen. Dieses sogenannte Schlichtwohngebiet am Akazienweg - die Darmstädter nannten es "Sauställe" - war für "Zigeuner" gerade gut genug. Erst Ende der 1960er bis in die 1970er Jahre wurden nennenswerte Sanierungen und Modernisierungen mit entsprechender Infrastruktur wie Kindergarten und Jugendhaus vorgenommen.

In der Hessischen Landesregierung und einigen Kommunen gab es in den Jahren 1946 ff. sogar rechtliche Erwägungen, ob das "Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" von 1929 noch Gültigkeit besitze und demzufolge angewandt werden könne. Forciert wurde diese Diskussion durch den Darmstädter CDU-Landtagsabgeordneten und Darmstädter Stadtrat Ernst Holtzmann. Durch eine Entscheidung des Hessischen Justizministeriums wurde dies verhindert.

In einem Schreiben des Darmstädter Polizeipräsidenten vom 5. November 1947 an den Regierungspräsidenten heißt es u. a.:

"Im Sommer 1945 traten in Darmstadt wieder Zigeuner auf. ... Sämtliche damals anwesenden Zigeuner erklärten, dass sie erst kurz vorher aus Konzentrationslagern entlassen worden seien. ... Die letzte größere Zigeunerhorde mit etwa 30 Personen und 6 Wagen lagerte im August 1947 drei Wochen lang auf dem Reichsbahnsportplatz in nächster Nähe der Wohnungen des Dornheimerwegs. ... Während dieser Zeit wurden insbesondere Bewohner der Waldkolonie durch das Verhalten der Zigeuner erheblich belästigt. ... Auf alle Fälle müssten sämtliche Zigeuner erkennungsdienstlich behandelt werden. ... ". Dieses Schreiben ist von Polizeipräsident Reiber unterzeichnet!

Dieser Bericht erscheint als Votum für die Wiederanwendung des Zigeunergesetzes von 1929.

Vom 11. bis 13. Oktober 1979 fand in Darmstadt das erste "Musikfest der Zigeuner" statt. Es wurde u. a. von der Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau veranstaltet und von mehr als 10.000 Menschen besucht. Zum Auftakt erklärte der damalige Oberbürgermeister H. W. Sabais (SPD) bei einem Empfang im Alten Rathaus u. a.

"Wir wissen schon, dass die Industriearbeiter anders leben als die Zirkusartisten. Wir sollten auch akzeptieren und anerkennen, dass die Zigeuner anders leben wollen als wir. Unsere Verfassung schreibt vor, dass die Menschenwürde jedes einzelnen in diesem Staate zu achten ist. Und daran wollen wir festhalten - nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch: Wenn Sie wieder in diese Stadt kommen, wird Sie kein Gendarm an der Stadtgrenze abweisen. In einem Land, in dem die Zigeuner umherziehen, da regiert die Freiheit. Ein Land, in dem es keine Zigeuner gibt, hat auch keine Freiheit. Seien Sie also herzlich willkommen".

Dieser Willkommensgruß zeigte auch positive Veränderungen im Verhalten der Stadt. Sie unterstützte Roma-Familien bei der Wohnungssuche. Doch dies währte nicht lange.

"Das seit 1945 schlimmste Beispiel für Rassismus in einer deutschen Stadt bot der SPD-Oberbürgermeister Günther Metzger 1983 in Darmstadt." Mit diesem Satz bezeichnete der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und die Gesellschaft für bedrohte Völker in einem Schreiben vom 7. Juni 1984 an den SPD-Vorsitzenden Willy Brandt folgenden Vorgang:

Am 18. August 1983 ließ Metzger das Haus von vier Roma-Familien in der Arheilger Straße 61 (Martinsviertel, heutiger Standort des Lebenshilfe-Kindergartens) während ihres zweiwöchigen Urlaubs ohne jede Vorankündigung niederreißen. Mit der Zertrümmerung des Hauses ließ der Nachfolger von Oberbürgermeister Sabais neben dem gesamten Hausrat und Privatbesitz auch die Kupferwerkstatt, die Existenzgrundlage der Familien, zerstören. Gleichzeitig verweigerte er ihnen die Sozialhilfe. Diesen Akt der Menschenverachtung - wie das Darmstädter Echo vom 20. August 1983 den Hausabriss nannte - rechtfertigte Metzger mit drohender Seuchen- und Einsturzgefahr.

Der Abriss führte zu einer über Deutschlands Grenzen hinaus reichende Empörungswelle. Eine Woche später kam eine Internationale Kommission von Menschenrechtlern in Darmstadt zusammen, um sich vor Ort zu informieren. Zu ihnen gehörte u. a. Eugen Kogon und Hermann Langbein (beide Überlebende des KZ Auschwitz), Peter Davies aus London, Brigitte Dechosel aus Paris und Sartoru Ogawa aus Japan. Ein Gespräch mit ihnen lehnte Oberbürgermeister Günther Metzger ab.

Ihren Protest gegen diese menschenverachtende Aktion teilten auch
dem Oberbürgermeister schriftlich mit.

Gegen die harsche Kritik an seinem Vorgehen wehrte sich der OB mit juristischen Mitteln. Er verlangte, dass die schweren Vorwürfe nicht weiter verbreitet werden sollten. Sie seien nicht nur unzutreffend sondern auch "ehrverletzend" - bis auf zwei von insgesamt sieben Punkten hat Metzger im Urteil Recht bekommen.

Später erklärte Metzger im Stadtparlament, dass "die nach Darmstadt gekommenen Zigeuner hier nicht Bürger werden (wollten), sondern sie hätten sich niedergelassen, um von diesem Platz aus ihre in der Bundesrepublik weniger rigide verfolgte Kriminalität zu organisieren".

Dem gegenüber erklärte Polizeipräsident Peter C. Bernet (SPD) gegenüber dem Spiegel: "Die Landfahrer seien keineswegs krimineller als die übrigen Darmstädter".

Am 26. März 1984, so berichtet der Spiegel, warf der OB die Roma-Familie N. mit fünf Kindern im Alter von vier Monaten bis sechs Jahren aus der Stadt. Städtische Beamte, unterstützt von der Polizei, packten morgens um acht die Koffer der Familie und setzten sie ins Flugzeug, "ruckzuck ab nach Belgrad". Warum der Rauswurf nicht rechtens war, legten die Richter in einem 18 Seiten umfassenden Beschluss dar.

Die anderen obdachlosen Roma hatten die Stadt verlassen (müssen). Selbst Willy Brandt wolle die Roma zurückholen, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter dem 4.8.1984 und auch das Landgericht Darmstadt schlug nach einer Meldung der FAZ vom 14.9.1984 die Rückholung der Roma vor.

Für sein Vorgehen in der "Zigeunerfrage" stellte sich der Vorstand der Darmstädter SPD voll hinter den Oberbürgermeister.

Die Stadt betrieb wegen "krimineller Delikte" die Abschiebung zweier Roma. Der eine war in Darmstadt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu sieben Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem war gegen ihn und seinen Sohn Geldstrafen wegen Verkehrsdelikten verhängt worden. Der Sohn war verhaftet worden, als er zur Gerichtsverhandlung gegen seinen Vater erschien - weil er sich nach Anordnung der örtlichen Ausländerbehörde nicht auf Darmstädter Gebiet aufhalten durfte. Erst im letzten Moment appellierte der Petitionsausschuss im November 1984 erfolgreich an den hessischen Innenminister, die Abschiebung zu verhindern.

Auch die Darmstädter "Arbeitsgemeinschaft der Kriegsdienstverweigerer", eine Untergruppe der DFG-VK Gruppe Darmstadt, wandte sich am 25.9.1984 wegen des Umgangs der Stadt mit den hier ansässigen Zigeunern mit einem Protestschreiben an den Oberbürgermeister. Die Kritik schloss auch den Protest gegen Mittelstreichung beim Darmstädter Jugendring wegen eines kritischen Artikels zur Roma-Situation in einer Veröffentlichung des Jugendrings ein. Das Schreiben blieb ohne Antwort.

Um seine Maßnahmen gegen die Roma zu rechtfertigen, ließ der Oberbürgermeister eine Dokumentation von Mitarbeitern städtischer Ämter erstellen, die im Frühjahr 1985 erschien und breitflächig auch an andere Städte Hessens verteilt wurde.

In Darmstadt engagierte sich der Kinderarzt Dr. Hans Joachim Landzettel für die von der Stadt diskriminierten Roma. Er hatte als Kinderarzt "über 3 Jahre die Gelegenheit, die Romafamilien besser kennenzulernen, da ich die Kinder regelmäßig behandelte". Das sich hierdurch entwickelnde Vertrauensverhältnis führte auch zu Stellungnahmen Landzettels zugunsten der Roma gegenüber der Stadt und der Öffentlichkeit.

Im Mai 1985 forderten die Grünen im Stadtparlament in einem Antrag, den weiteren Vertrieb der Druckschrift einzustellen. In der Begründung wiesen sie sehr eingehend auf den durchgängig diskriminierenden Charakter der "Dokumentation" hin.

Auch in den folgenden Jahren wurde wiederholt die Vertreibung "der Zigeuner" thematisiert.

Am 12.6.1986 organisierten die Darmstädter JUSOS eine Veranstaltung im Evangelischen Gemeindehaus in der Kiesstraße zum Thema "Verfolgt und vergessen - Sinti und Roma seit 600 Jahren in Deutschland". Hauptreferent war Klaus-Henning Rosen, der Leiter des persönlichen Büros von Willy Brandt. Die örtliche SPD-Führung sah diese Veranstaltung als parteischädigend an.

Im Februar 1988 führte eine satirische Plakataktion "Mittlerweile ist Darmstadt zigeunerfrei" zu einem Polizeieinsatz mit Festnahmen. Die Grünen Darmstadts erklärten sich solidarisch mit dieser Aktion im Martinsviertel.

Auch das Land Hessen, namentlich das von Ekkehard Gries (FDP) geleitete Innenministerium, diskreditierte noch 1980, so zitiert die Frankfurter Rundschau aus einem Beitrag von Sebastian Lotto-Kusche, Gesprächspartner auf Seiten der Sinti und Roma, man warnte vor einer Zusammenarbeit mit Romani Rose, er und seine Gefolgsleute seien eine "radikale Gruppierung". [12]

1997 wurde in der Großen Bachgasse ein Mahnmal für die im Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma errichtet.

Anlässlich der Ausstellung über die Verfolgung von Sinti und Roma "Hornhaut auf der Seele" im Staatstheater im Mai 2004 wies Stadträtin Daniela Wagner (Grüne) darauf hin, dass die Kooperation mit dem Landesverband erweitert werden solle. Ziel sei ein eigenes Dokumentations- und Kulturzentrum in der Wissenschaftsstadt nach dem Vorbild Heidelbergs. Bei der Suche nach Kapitalgebern habe die Stadt von Ministerpräsident Koch (CDU) bereits eine Absage erhalten. Es sollten Unternehmen wie Merck, Röhm und HSE mit ins Boot geholt werden.

Eine Nachfrage bei der Stadt, was aus dem von Stadträtin Daniela Wagner (Grüne) 2004 versprochenen Dokumentationszentrum geworden ist, ergab im Jahr 2014 keine Überraschung:

1. Was wurde in den vergangenen 10 Jahren unternommen, um diesem Ziel näher zu kommen?
Die Wissenschaftsstadt Darmstadt hat dem Verband deutscher Sinti und Roma Landesverband Hessen die Unterstützung bei der Entwicklung und Umsetzung einer Dauerausstellung unter dem Titel "Zigeunerbilder" zugesagt. Diese Zusage wurde wie folgt umgesetzt:

2004: 10.000,- € für eine Broschüre zur Planung und inhaltlichen Vorbereitung (Recherche, Textteile, ppt-Präsentationen, Hörpassagen, Interviewfilme etc.) der o.g. Dauerausstellung.
2011-2014: Unterstützung des Projekts im Rahmen des Darmstädter Lokalen Aktionsplans (LAP) des Bundesprogramms "Toleranz Fördern, Kompetenz Stärken". Präsentation von Elementen der Ausstellung: 2011, 2012 und 2013 im Justus-Liebig-Haus in Kooperation zwischen dem Verband deutscher Sinti und Roma Landesverband Hessen und der Wissenschaftsstadt Darmstadt
2011: 17.000,- €
2012: 15.500,- €
2013: 12.750,- €
2014: 10.000,- €

2. Welche möglichen Sponsoren (Merck, Röhm, HSE, aber auch andere) wurden angesprochen und mit welchem Ergebnis?
Der Verband deutscher Sinti und Roma Landesverband Hessen hat Sponsoren angesprochen.

3. Welchen Erfolg hatte die Ansprache insbesondere bei der städtischen Tochter HSE?
Die HSE hat dem Verband deutscher Sinti und Roma Landesverband Hessen im Jahr 2013 7.000,- € zugesagt.

4. Welche Mittel wurden in den Haushalten von 2005 bis heute für dieses Vorhaben eingestellt?
siehe Antwort 1
2014: 20.000,- € Mittel der Wissenschaftsstadt Darmstadt + 10.000,- € über LAP

5. Existieren hierzu Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung oder/und des Magistrats?
6. In welcher Weise wurde der Landesverband deutscher Sinti und Roma auch finanziell unterstützt, um dieses Projekt inhaltlich und organisatorisch zu entwickel?
siehe Antworten 1. + 3. + 4.

Wir stellen fest: Merck und Röhm waren offenbar nicht zur Unterstützung bereit, und die große städtische Tochter HSE hat 2011 - die Pressemeldung stammt aus dem Jahr 2004! - 7.000 Euro zugesagt! Wir lernen hieraus, dass Ankündigungen von Politikern auf ihre Realisierung überprüft werden sollten.

Es soll nicht vergessen werden, dass am 16.12.2007 ein "Vertrag zwischen der Wissenschaftsstadt Darmstadt und dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Hessen" geschlossen wurde, der das "freundschaftliche Verhältnis" zwischen Stadt und Sinti und Roma fördern und festigen soll.

Das europäische Parlament hat 2015 den 2. August zum europäischen Holocaust-Gedenktag für die Roma/Romnija und Sinti/Sintizze erklärt.

Über Antiziganismus gibt die Studie von Markus End dem Interessierten vertiefte Einblicke. Sie steht im Netz, der Titel lautet "Antiziganismus - Zum Stand der Forschung und der Gegenstrategien", herausgegeben von Daniel Strauß, RomnoKher Mannheim, 2013.

Im Jahr 2023 wurde beschlossen, das Sinti- und Roma-Zentrum in der Grafenstraße 30, dem früheren Stadthaus, in Form einer Dauerausstellung einzurichten.

Einen guten Überblick über die öffentliche Auseinandersetzung geben auch die Berichte der Presse, die hier in Überschriften dargestellt werden. Die Artikel sind zugleich auch zum Teil die Quellen für den vorliegenden Lexikon-Artikel:


Quellen:

15.10.1979, Frankfurter Rundschau: Das Leben etwas leichter machen - Beim Musikfest wurde den Zigeunern ein Forum für ihre Probleme geboten, von Birgit-Ingeborg Loff

Dokumentation Roma in Darmstadt - Integration auf Widerruf Oktober 1979 bis Mai 1984 (romadoku@waltpolitik.de)

18./19.8.1983, Frankfurter Rundschau: Fassungslos stehen sie vor den Trümmern, Stadt ließ Wohnungen der Roma abreißen / Auch "ideelle Werte" vernichtet

26.8.1983, Frankfurter Rundschau: "Es besteht die Gefahr, dass Rassismus wieder auflebt" - Internationale Kommission von Menschenrechtler informierte sich über die Nöte der Roma, von Hans Helmut Kohl

12.10.1983, Frankfurter Allgemeine Zeitung: SPD spricht von weltweiter Diskriminierungskampagne - Magistrat zieht heute aus dem Roma-Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Konsequenzen

27.3.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung:  Stadt schiebt Roma-Familie ab - Anwälte sprechen von rechtswidriger Handlung

5.4.1984, Frankfurter Rundschau: "Beschämendes Armutszeugnis" - Zahlreiche Proteste gegen die Abschiebung von sieben Roma

6.4.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Stadt stellt Roma-Familien keine Wohnwagen - Metzger: Gastrecht, solange keine Gesetzesverstöße vorliegen

15.4.1984, weg und wahrheit: Empört über Abschiebung - Caritas und Diakonie boten Unterstützung an

19.4.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Eingereist, um strafbare Handlungen zu begehen - Oberbürgermeister Metzger verteidigt Vorgehen der Stadt gegenüber jugoslawischen Zigeunerfamilien

8.5.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Stadt soll ausgewiesene Zigeuner zurückholen - Verwaltungsrichter heben Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung auf / "Rechtswidrige Eile"

17.5.1984, Frankfurter Rundschau: "Rechtsmittel" zum politischen Zweck, Darmstadts Oberbürgermeister Metzger und die abgeschobenen Roma, von Peter Rabe

Juni 1984, Vierte Welt Aktuell, Hrsg. Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen, Sonderausgabe zu den Vorgängen in Darmstadt

21/1984, Der Spiegel: Landfahrer, Ruckzuck ab, Darmstadt muss eine Zigeunersippe wieder zurückholen, die Abschiebung war "rechtswidrig"

16.7.1984, Frankfurter Rundschau: "Mit großer Betroffenheit…" - Jüdische Studenten schrieben Brandt zum Streit Metzger/Roma

August 1984, Die Stadt Darmstadt lehnt einen Artikel zur Roma-Vertreibung ab und entzieht dem Stadtjugendring die finanzielle Unterstützung

4.8.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Willy Brandt will Roma zurückholen - Aber Darmstadt will sie nicht mehr haben / Spendenaufruf der Kirchen

14.9.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Gericht schlägt Rückholung der Roma vor - Rechtsstreit um "Vertreibungspolitik" in der dritten Runde

14.9.1984, Frankfurter Rundschau: Urteil für 4. Oktober erwartet - Rechtsstreit zwischen Romani Rose und Günther Metzger

19.9.1984, Darmstädter Tagblatt: SPD: Das Kapitel Zigeuner in Darmstadt nicht neu auflegen - Forderung der Jungsozialisten "schlichtweg dümmlich"

21.9.1984, Presseerklärung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma: SPD-Unterbezirksvorstand sabotiert menschliche Lösung für Roma-Familien in Darmstadt

25.9.1984, Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Kriegsdienstverweigerer Darmstadt an Oberbürgermeister Metzger

5.10.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Roma nennen das Gerichtsurteil unhaltbar - Im Streit mit Oberbürgermeister Metzger dürfen die meisten Vorwürfe nicht wiederholt werden
   
6.10.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Rückkehr der Roma kommt nicht in Frage" - Oberbürgermeister Metzger sieht das Recht auf seiner Seite

1.11.1984, Frankfurter Rundschau: Für die Sinti lebt der Rassismus in deutschen Behörden weiter - Zentralrat prangert zunehmende Feindseligkeit und Diskriminierung in der Bundesrepublik an / Schützenhilfe von Wiesenthal

29.11.1984, Frankfurter Rundschau: Abschiebung in letzter Minute verhindert - Petitionsausschuss veranlasst Innenminister zum Eingreifen zugunsten zweier Roma

29.11.1984, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Abschiebung zweier Roma vom Innenminister vereitelt - Grüne-Landtagsabgeordneter hatte Petitionsausschuß mobilisiert / Oberbürgermeister: Nicht aufgehoben

25.1.1985, Frankfurter Rundschau: Metzger und Roma sollen sich gütlich einigen - Auch Simon Wiesenthal unterstützt Vergleichsvorschlag

25.1.1985, Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Wir haben alle eine verwundete Seele" - Rassismus-Vorwurf gegen Oberbürgermeister Metzger könnte durch Vergleich bereinigt werden

5.3.1985, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Weiter Rechtsstreit um Rassismus-Vorwurf - Weder Oberbürgermeister noch Roma-Verband akzeptieren Vergleich

7.3.1985, Frankfurter Rundschau: Metzgers Rechtfertigung auf 201 Seiten - Darmstadt gibt Roma-Dokumentation heraus/Vorwürfe gegen Zigeunerverband

9.3.1985, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Warum die Roma nicht bleiben durften - Antrag beim Verwaltungsgericht: Städtische Dokumentation soll eingezogen werden

22.3.1985, Frankfurter Neue Presse: Darmstadts OB verliert vor Gericht - Sinti und Roma dürfen Metzger des Rassismus bezichtigen

22.3.1985, Frankfurter Allgemeine Zeitung: Behutsamer Umgang mit Rechten von Minderheiten - Oberlandesgericht: Oberbürgermeister muß sich massive Kritik von Sinti und Roma gefallen lassen

22.3.1985, Frankfurter Rundschau: Darmstadts OB muß sich Vorwurf des Rassismus gefallen lassen - Gericht gesteht Zentralrat der Sinti und Roma "aggressive" Formulierungen zu/Streit wegen Abriß eines Hauses

30.3.1985, Vorwärts, Oberlandesgericht erklärt harte Attacke nach Haus-Abriß für zulässig - Eine Aktion bei Nacht und Nebel mit üblen Folgen - SPD-OB muß sich Vorwurf des Rassismus gefallen lassen

15.5.1985, Stadtverordnetenfraktion "Die Grünen" stellt den Antrag, die Roma-Dokumentation der Stadt zurück zu ziehen

20.6.1985, Frankfurter Neue Presse: Streit um Roma geht weiter - Darmstadts OB klagt gegen Rassismus-Vorwurf

8.11.1985, Frankfurter Rundschau: Parteien bekennen Schuld gegenüber Sinti und Roma, Kanzler beklagt auch pauschale Vorurteile

26.5.1986, Resolutionsentwurf der SPD-Darmstadt gegen die von den JUSOS geplante Veranstaltung über den Konflikt

28.5.1986, Schreiben des SPD-Unterbezirksvorstands Darmstadt (Fritz Glenz, Vorsitzender, Eike Ebert, stellv. Vorsitzender) an den Juso-Vorsitzenden betreffend der geplanten Veranstaltung am 12.6.1986

31.5.1986, Frankfurter Rundschau: Angst, dass Vergangenes wiederbelebt werden soll - SPD-Parteivorstand gegen Juso-Forum über Roma

12.6.1986, Frankfurter Rundschau: Sinti und Roma kommen nicht - Heute Juso-Forum in Darmstadt / "SPD unfähig zum Dialog"

14.6.1986, Frankfurter Rundschau: Die Andersartigkeit achten und akzeptieren - JUSO-Forum: "Verfolgt und vergessen - Sinti und Roma seit 600 Jahren in Deutschland"

Juli 1986, az: Streit um Zigeuner

Februar 1988, Auftauchen einer "Amtlichen Bekanntmachung" mit Unterschrift von Oberbürgermeister Günther Metzger: "Mittlerweile ist Darmstadt Zigeunerfrei" (Fälschung!)

2.2.1988, Darmstädter Echo: Polizei stoppt Plakataktion - "Amtliche Bekanntmachungen" sechs junger Männer

5.2.1988, Darmstädter Echo: Polizei weist Vorwürfe der Plakatierer entschieden zurück - Festgenommene sprechen von Misshandlungen und Demütigungen - Grüne solidarisieren sich mit Aktion im Martinsviertel

6.2.1988, Darmstädter Echo: Grüne sehen "Kesseltreiben" - Plakat-Aktion: Kritik an Stadt und Polizeiführung

9.2.1988, taz: "Mittlerweile ist Darmstadt zigeunerfrei" - Satirische Plakataktion gegen Darmstädter Oberbürgermeister Metzger lässt Polizei zuschlagen / Hintergrund ist die Vernichtung sozialen Wohnraums in der Provinzmetropole / Metzger ließ ein von Roma bewohntes Haus abreißen

Initiative Gedenkort Güterbahnhof Darmstadt (Hrsg.), Darmstadt als Deportationsort, Zur Erinnerung an die unter dem Nazi-Regime aus dem ehemaligen Volksstaat Hessen Deportierte Juden und Sinti, Darmstadt 2004

10.5.2004, Frankfurter Rundschau: "Vorurteile führen zur Entmenschlichung" - Ausstellung über die Verfolgung von Sinti und Roma im Theater / Völkermord von einem Darmstädter organisiert

2.12.2006, Darmstädter Echo: Durch die Hölle von Auschwitz - Zeitzeugenberichte von Sinti-Frauen, die den Völkermord überlebten (Lesung im Justus-Liebig-Haus)

27.1.2007, Darmstädter Echo: Vorerst kein Vertrag mit den Sinti und Roma - Verband wirft Hoffmann Verschleppung vor - OB: "So nicht"

17.12.2007, Frankfurter Rundschau: Ein Vertrag mit den Sinti und Roma - Stadt möchte Minderheit fördern / Lehrkräfte werden zu Wissen befragt

11.6.2008, Frankfurter Rundschau: Klischees und Vorurteile leben weiter - Studie zu "Zigeunerbildern" bei Tagung des Verbandes deutscher Sinti und Roma vorgestellt

17.11.2011, Darmstädter Tagung zur Antiziganismusforschung im Justus-Liebig-Haus

17.11.2011, Frankfurter Rundschau: Gegen Klischees - Ausstellung "Zigeuner"-Bilder

November 2012, "Folgenloses Gedenken", Komitee für Grundrechte und Demokratie

16.4.2013, Frankfurter Rundschau: Tagung gegen Rassismus - Lokaler Aktionsplan blickt auf Sinti und Roma im Nationalsozialismus

10.9.2013, Frankfurter Rundschau: Nach wie vor Vorurteile - Forscher Sebastian Lotto-Kusche über die Geschichte der Anerkennung des Völkermordes an den Sinti und Roma

10.9.2013, Frankfurter Rundschau: Die Zeit ist reif - Ausstellung über Sinti und Roma (im Justus-Liebig-Haus bis 28.9.2013)

30.10.2013, Frankfurter Rundschau: Stadt duldet Wohnwagen - Am Nordbad campieren Sinti und Roma



weitere Quellen:
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