zum Stichwort SPD-Widerstand
Hier eine kurze Übersicht der Darmstädter Sozialdemokraten in der Weimarer Republik und der NS-Zeit, die politisch aktiv waren
und verfolgt und auch ermordet wurden.
Ackermann, Georg (4.5.1897 Darmstadt - 4.4.1964) lernte nach dem Besuch der Volksschule den Beruf des
Zigarrenmachers und bildete sich weiter zum Kaufmann in der Zigarrenindustrie. Von 1928 bis zur Zerschlagung der
Gewerkschaften arbeitete er als Gewerkschaftssekretär. Nach seiner Entlassung
schlug er sich als sogenannter Stundenbuchhalter und Helfer in Steuersachen durch. Nach 1945 wurde er wieder
aktiv, wurde 1949 in den Hessischen Landtag gewählt, dem er bis 1964 angehörte und war von 1951 bis 1963 Landrat
im Odenwaldkreis.
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Fulda, Dr. Heinrich(22.11.1860 Worms - 1.6.1943 KZ Auschwitz) besuchte in Worm das Gymnasium, studierte
Rechtswissenschaften in Heidelberg, Würzburg, Leipzig und Gießen, wo er auch promovierte. Nach vierjähriger
Tätigkeit als Gerichtsassessor ließ er sich Ende der 1880er Jahre in Darmstadt als Rechtsanwalt nieder. Die
Kanzlei befand sich 1894 am Louisenplatz 7, 1895 am Louisenplatz 1. 1909 wurde er Stadtverordneter, das Adressbuch
verzeichnet aber erst 1911 einen Stadtverordneten Dr. Heinrich Fulda. Von 1918 bis 1921 war Fulda Hessischer
Minister des Innern. Sein Büro befand sich am Mathildenplatz 9, die Wohnung in der Riedeselstraße 8 (AB 1913ff).
Die Nazis ermordeten Fulda in Auschwitz. Für ihn wurde am 15. März 2010 in der Riedeselstraße ein
Stolperstein verlegt.
Der Heinrich-Fulda-Weg in Kranichstein wurde 1982 nach ihm benannt.
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Glenz, Georg Philipp (28.11.1903 Darmstadt - 14.9.1944 San Marcello, Italien)
Klöß, Konrad (12.5.1900 Darmstadt - 8.1.1972) lernte Schriftsetzer und war ab 1920 als Kassierer im
Eisenbahnerverband mit Büro im Gewerkschaftshaus in der Bismarckstraße 19 beschäftigt.
Klöß gehörte dem Gemeinderat der damals selbständigen Gemeinde Arheilgen an. Von 1920 bis 1921 war er
Landesvorsitzender der hessischen Arbeiterjugendvereine. Er war auch Vorsitzender der Arbeiterjugend in Darmstadt.
1962 ehrte die Arheilger SPD Klöß aufgrund seiner 40jährigen aktiven Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie. Wie so oft
ist über die Verfolgung weniger bekannter Sozialdemokarten über deren Verfolgungsschicksal wenig bis nichts
überliefert, so auch bei Konrad Klöß. Das Adressbuch verzeichnete 1930: "Klöß, Konrad, Arbeiter, Jahnstraße".
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Maurer, Jakob Karl (30.12.1890 Darmstadt - 22.12.1975 Lauterbach) studierte als Sohn eines Schmiedemeisters
Medizin und später Naturwissenschaften in Darmstadt, Heidelberg, Tübingen und Marburg. Nach Abschluss des
Studiums 1919 wurde er Lehrer und gehörte von 1927 bis 1933 als SPD Abgeordneter dem Hessischen Landtag an. Mit der
Machtübertragung an die Nationalsozialisten verlor er das Mandat und auch seine Beschäftigung als Lehrer. Von
1934 bis 1941 und von 1945 bis 1958 war er Leiter des Hohhaus-Museums in Lauterbach. Im Hohhaus-Museum kam er in
Kontakt mit dem NSDAP-Kreisleiter Zürtz, der ihm versprach, sich für seine Rückkehr in den
Schuldienst einzusetzen, sofern er in die Partei eintrete und auch in der NSV mitarbeite. Maurer beantragte
daraufhin seine Aufnahme in die Partei, was rückwirkend zum 1. Mai 1937 auch geschah. Die versprochene und von ihm
erhoffte Lehrerstelle erhielt er jedoch nicht. Statt dessen arbeitete er ab Juni 1939 als Stadtarchivar in
Lauterbach. Auseinandersetzungen mit Zürtz führten dazu, dass er 1941 eine Anstellung im städtischen
Vonderau-Museum in Fulda fand und dies bis 1945 leitete. Nach dem Krieg kehrte er nach Lauterbach zurück und
arbeitete wieder bis 1958 im Hohhaus-Museum. Die Spruchkammer
in Lauterbach stufte ihn als Mitläufer ein und verurteilte ihn zu einer Sühneleistung von 1.000 Reichsmark. 1974
verlieh ihm der Verein für Naturkunde in Osthessen die Ehrenmitgliedschaft.
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Neumann, Hermann (8.10.1882 Buskow Krs. Ruppin - 8.3.1933 Darmstadt) besuchte das Lehrerseminar in Neu-Ruppin,
machte eine Steindruckerlehre, arbeitete bei der AOK in Offenbach, war von 1911 bis 1919 SPD-Landesparteisekretär
für Hessen, Stadtverordneter in Offenbach. 1919 wurde er Präsident des Hessischen Landesernährungsamtes und von
1920 bis 1933 Präsident der Landesversicherungsanstalt mit Sitz in Darmstadt, Neckarstraße 7 (1921) und 1930
Wilhelminenstraße 34. Von 1919 bis 1924 war Neumann Mitglied des Hessischen Landtages. Er wurde 1933 von der
SA ermordet.
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Reinowski, Hans Johann (28.1.1900 Bernburg a. d. Saale - 3.1.1977 Darmstadt) trat 1917 der Unabhängigen
Sozialdemokratischen Partei (USPD) und wechselte 1922 zur SPD. Von 1922 bis 1933 war er Bezirkssekretär der SPD in
Braunschweig. 1933 erschien die 30-seitige Broschüre "Terror in Braunschweig", die sich mit dem Terror der
Nationalsozialisten nach der Machtübertragung 1933 beschäftigte. Die Nazis wüteten gegen die Braunschweiger
Arbeiterbewegung. Reinowski - auch aktiv beim Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold - war mehrmals Ziel von SA-Einsätzen,
die ihn in seiner Wohnung überfielen. Er musste nach Kopenhagen fliehen und schrieb dort auch für die
deutschsprachige Presse. Später ging er nach Schweden und schrieb unter dem Pseudonym Hans Reinow Bücher.
1947 kehrte er nach Deutschland zurück, ließ sich in Darmstadt nieder und wurde Herausgeber und Chefredakteur
des Darmstädter Echos. Reinowski wurde mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet, Darmstadt zeichnete ihn mit
dem Silbernen Verdienstplakette aus, das Land Hessen verlieh ihm 1969 die
Wilhelm-Leuschner-Medaille.
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Riffel, Hans (12.1.1915 Darmstadt - ...) war gelernter Kaufmann. Er gehörte der SPD und dem Reichsbanner
Schwarz-Rot-Gold an. Nach 1933 entwickelte er sich zum Anführer der jungen Widerstandsgruppe des
Zentralverbandes der Angestellten in Darmstadt. 1934 wurde er mit
20 weiteren Personen wegen des Vorwurfs der Vorbereitung zu einem hochverräterischen Unternehmen verhaftet. Sie
sollen im Sommer und Herbst 1934 als Anhänger der SPD bzw. KPD gemeinschaftlich u.a. politische Schulungen
durchgeführt und durch Verbindungen zu anderen Gleichgesinnten aus Frankfurt und Darmstadt einen
organisatorischen Zusammenhalt aufrechterhalten haben.
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Rodemann, Paul (22.4.1887 Magdeburg - 22.2.1963 Offenbach) war von 1919 bis 1920 Mitglied des Deutschen
Reichstages. Rodemann war 1907 der SPD beigetreten und bis zur Einberufung 1914 als Soldat im
Ersten Weltkrieg journalistisch tätig. Von 1927 bis 1933 war er
Redakteur des Abendblattes in Offenbach. Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten wurde er verhaftet
und auch im KZ Osthofen inhaftiert. Nach 1945 bis 1949 war er Lizenzträger bzw.
Herausgeber des Darmstädter Echos.
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Stock, Christian (28.8.1884 Darmstadt - 13.4.1967 Seeheim an der Bergstraße) arbeitete bis 1910 als Tabakarbeiter.
Er war 1901 der Gewerkschaft beigetreten und war von 1910 bis 1913 hauptamtlicher Funktionär ("Gauleiter") des
Tabakarbeiterverbandes für Unter-Baden, Pfalz und Südhessen mit Sitz in Heidelberg. Von 1914 bis 1920 war er
Arbeitersekretär in Heidelberg - unterbrochen durch die Einberufung als Kriegsteilnehmer von 1914 - 1917. Im Jahr
1918 wurde er Vorsitzender des Volksrats in Heidelberg. Von 1919 bis 1920 war er Mitglied des Deutschen Reichstags.
1920 wurde er zur Überwindung des Kapp-Putsches für fünf Monate (April bis August) zum Unterstaatssekretär im
Reichswehrministerium berufen. Von 1921 bis 1925 gehörte er dem Landtag Baden an. Bis zur Machtübertragung an die
Nationalsozialisten übte er mehrere leitende Funktionen im Gesundheits- und Sozialwesen aus (u. a. Direktor der
Ortskrankenkasse (OKK) Heidelberg, Stadtrat für Sozialwesen in Heidelberg, Direktor der OKK Frankfurt/Main. Von den
Nazis wurde er entlassen und für acht Monate ins KZ Kislau verschleppt. Bis zur Befreiung arbeitete er als
Handelsvertreter und Zigarrenhändler. Nach 1945 leitete er die Landesversicherungsanstalt zunächst in Darmstadt,
später in Frankfurt. Von 1946 bis 1951 war er der erste Ministerpräsident des neuen Landes Hessen.
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Storck, Karl (24.7.1891 Ober-Nauses - 13.1.1955 Dillenburg) war ausgebildeter Lehrer. Dem Hessischen Landtag
gehörte er von 1921 bis 1931 und von 1932 bis 1933 an, 1928 war er Reichstagskandidat für den Wahlkreis
Hessen-Darmstadt. Von 1927 bis 1928 war er Rektor und von 1928 bis 1933 Kreisschulrat in Darmstadt. Die
Nazis versetzten ihn sofort nach der Machtübertragung in den Ruhestand. Das Adressbuch verzeichnete 1933
"Storck, Karl, Kreis-Schulrat, Heidelberger Straße 75", 1934 heißt es "Kreis-Schulrat a. D.".
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Strecker, Heinrich (22.1.1876 Berlin - 26.7.1951 Gießen) war ein deutscher Pädagoge, Philosoph, Hochschuldozent
und Kultusminister. Strecker, Sohn eines Majors, studierte Geographie, Germanistik und Geschichte in Greifswald,
Heidelberg, Leipzig und Gießen, wo er 1901 promovierte. Anschließend arbeitete er als Lehrer.
1917 habilitierte er sich in Gießen und erhielt eine Stelle als Dozent für Philosophie. Zwei Jahre später trat er
der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei, die er 1922 wieder verließ und etwa 1923 der SPD beitrat.
Von 1919 bis 1921 war er Abgeordneter des Hessischen Landtags und leitete zeitgleich als Präsident bzw.
Kultusminister das Hessische Landesamt für Bildungswesen, was dem Kultusministerium entsprach. Hier galt sein
Einsatz besonders einer demokratischen und pazifistischen Erziehung. Nach Rückkehr von einer Studienreise durch die
USA 1923 wurde er Oberschulrat für die Gebiete Eisenach und Meiningen. Von 1924 bis 1925 gehörte er erneut dem
Hessischen Landtag an und übernahm 1924 für ein Jahr eine Honorarprofessur in Jena.
1933 wurde er erneut Landtagsabgeordneter in Hessen und gehörte diesem bis zur Auflösung am 2. April 1933 an. Nach
einer kurzen Beschäftigung an der Forsthochschule Eberswalde wurde Strecker am 13. Oktober 1933 auf Grund § 4 des
"Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" aus dem Staatsdienst entlassen.
Dessen ungeachtet gehörte Strecker zu den Unterzeichnen des "Bekenntnis der Professoren an den deutschen
Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat" vom 11. November 1933. Ein
Wiedereinstieg in eine Hochschullaufbahn blieb ihm jedoch verwehrt.
In der NS-Zeit wurde er mehrfach von der Gestapo verhört und war von Hausdurchsuchungen
betroffen. Ab 1942 hatte er Kontakte zum Widerstandskreis um Wilhelm Leuschner.
Nach 1945 wurde Strecker Stadtschulrat und Honorarprofessor in Leipzig, geriet mit der SED-Politik jedoch in
Widerspruch und flüchtete im März 1946 nach Hessen, wo er bis 1951 einen Lehrauftrag für Staatsphilosophie an der
Universität in Gießen hatte.
In der Zeit seiner Tätigkeit im Volksstaat Hessen wohnte "Strecker, Heinrich, Dr., Präsident des Landesamtes für
Bildungswesen" in der Schießhausstraße 116.
Strecker war auch Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft.
siehe auch Homosexuellenverfolgung
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Sturmfels, Otto (19.5.1880 Seligenstadt - 2.4.1945 Dachau) studierte von 1898 bis 1902 Rechtswissenschaften in
Berlin und Gießen und war von 1903 bis 1904 Gerichtsassessor in Seligenstadt und Darmstadt und von 1906 bis 1933
Rechtsanwalt in Groß-Umstadt und ab 1927 in Darmstadt. Im Jahr 1909 hatte sich Sturmfels der SPD angeschlossen.
Von 1921 bis 1931 gehörte er als SPD-Abgeordneter dem Hessischen Landtag an. Nach der Machtübertragung an die
Nazis wurde er verhaftet und zu 18 Monaten Zuchthaus verurteilt. Nach dem 20. Juli 1944 wurde er erneut verhaftet
und in das KZ Dachau verschleppt, wo er verstarb oder ermordet wurde.
Für Sturmfels wurde in der Hermannstraße 45 ein
Stolperstein verlegt.
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