Die Katholische Kirche hingegen war stärker hierarchisch und zentralistisch strukturiert. Rom bestimmte die Grundausrichtung.
Für beide Kirchen galt eine grundsätzlich obrigkeitliche Orientierung. Erinnert sei zum Beispiel an das "Bündnis von Thron und Altar", an Römer 13 "...sei Untertan der Obrigkeit" und vieles andere.
Und zuletzt muss an die Passage im 25-Punkte-Programm der NSDAP erinnert werden, wo es im Punkt 24 hieß:
Beeinflusst von der auch staatlich gesteuerten öffentlichen Stimmung glaubten die Kirchen weiter an eine wichtige Rolle im neuen Staat. Die Katholische Kirche (Rom) schloss am 20. Juli 1933 mit der NS-Reichsregierung ein Konkordat, das ihnen auf dem Papier viele Freiheiten garantierte. Damit sicherte sich die neue Regierung die Zustimmung des katholischen Bevölkerungsteiles.
Die Evangelische Kirche überwand ihre Zersplitterung und fand - unter positiver Begleitung der Nationalsozialisten und der bereits am 6. Juni 1932 gegründeten Glaubensbewegung "Deutsche Christen (DC)""- sehr bald zu einer einheitlichen Reichskirche. Bei der Kirchenwahl am 23. Juli 1933 erzielten die DC über 70 Prozent der Stimmen.
Die Kirche als solche hat während der NS-Zeit keinen Widerstand geleistet. Die große Mehrheit ihrer Führer hatte die Ereignisse des Januar 1933 ("Machtergreifung" der Nazis) enthusiastisch begrüßt. Als aber immer deutlicher wurde, dass das neue Regime immer aggressiver seinen Einfluss auf die Kirche durchzusetzen versuchte, änderte sich die Einstellung einiger Kirchenführer. Es begann ein "Kirchenkampf" zwischen den "Deutschen Christen" und den oppositionellen Pfarrern, die sich später in der "Bekennende Kirche" (BK) organisierten. Wobei die Oppositionellen nicht unbedingt der NSDAP gegenüber feindlich eingestellt waren, aber den Einfluss der Partei auf die Kirche unterbinden wollten. So rief am 21. September 1933 Martin Niemöller zum Zusammenschluss im Pfarrernotbund auf. Aus ihm ging dann die Bekennende Kirche hervor.
Wie sah es in Darmstadt aus?
Auf evangelischer Seite gab es
1. Die Evangelische Stadtgemeinde mit der
- Stadtkirche, Kirchstraße 11 mit den Pfarrern Kleberger (1930), Vogel (1930, 1933) und Lautenschläger
(1930, 1933, 1935), Lautenschläger (1930, 1933, 1935) und F. Müller(1933, 1935)
- Stadtkapelle, Kapellplatz mit Stadtpfarrer Heß (1930, 1933, 1935)
- Schloßkirche im Schloßhof mit den Stadtpfarrern Zimmermann (1930, 1933) und Wintermann (1935)
2. Die Vereinigte Evangelische Martinsgemeinde mit der
- Martinskirche, Heinheimer Straße 41 mit Pfarrer Landeskirchenrat Pfarrer Waitz (1930, 1933), Pfarrer Beringer,
Pfarrer Köhler und Pfarrer Dr. Berger (1930, 1933, 1935), Pfarrer Widmann (1935).
3. Die Evangelische Johannesgemeinde mit der
- Johanneskirche, Liebigstraße mit den Pfarrern Marx (1912 - 1934) und Goethe (1926 - 1934), den Pfarrern
Heinrich Köhler (1935) Weinberger (1935).
4. Die Petrusgemeinde mit der
- Bessunger Kirche, Bessunger Str. 61 mit Pfarrer Weiß (1930, 1933, 1935) und Pfarrer Irle (1933, 1935)
5. Paulusgemeinde mit der
- Pauluskirche, Niebergallweg 20 mit den Pfarrern Rückert (1930, 1933), Müller (1930, 1933, 1935) und Wolf (1935).
Auf katholischer Seite gab es die Kirchen
- St. Elisabeth, Schloßgartenstraße 57 mit Pfarrer Martin Fink (1930, 1933, 1935), Kaplan Dr. Wilhelm Michel
(1930) und Kaplanen August Hammel(1933, 1935) und Georg Jöst (1933)
- St. Fidelis, Feldbergstraße 27 mit Pfarrer Christian Danz (1930, 1933, 1935) und Kaplan Franz Albrecht
(1933, 1935)
- St. Ludwig, Wilhelminenplatz mit Dekan und Geistlichen Rat Pfarrer Wilhelm Kastell (1930, 1933, 1935)
und den Kaplänen Georg Ensinger (1930), Alfred Schüler (1930, 1933) und Leopold Becker (1933, 1935) und
Josef Heißler (1935)
- St. Martin (1930), Liebfrauen (1933), Klappacher Straße 46 mit Pfarrer Josef Daus (1930, 1933), Kaplänen
Johannes Hang (1930) und Michael Schäfer(1933, 1935) und Pfarrer Phil. Waldhelm (1935).
Auf der israelitischen Seite gab es die
- Israelitische Religionsgesellschaft, Bleichstraße/Ecke Grafenstraße und die
- Israelitische Religionsgemeinde, Friedrichstraße 2.
Was tat sich auf evangelischer Seite?
Am 12. März 1933 erschien in der Eberstädter Kirche auch eine Abteilung der dortigen SA, die ohne Fahnen auf der hinteren Empore Platz nahm.
Am 6. April 1933 wurde im Gottesdienst eine öffentliche Erklärung der Kirchenregierung zum "nationalen Umschwung" in Deutschland verlesen.
Am 12. April 1933 verfügte das Landeskirchenamt, dass im Hauptgottesdienst des Ostermontag (17. April) "des Herrn Reichskanzlers fürbittend zu gedenken ist". Und weiter:"An seinem Geburtstag (20. April) sind, soweit möglich, die kirchlichen Gebäude mit der evangelischen Kirchenfahne zu beflaggen."
Am 5. Mai 1933 beglückwünschte Prälat Diehl den Reichsstatthalter Jakob Sprenger im Namen der Landeskirche.
Am 19. Juni 1933 fand in Darmstadt eine Tagung der "Deutschen Christen" statt. Einen Tag später wurde im Feierabendhaus des Elisabethenstifts eine Ortsgruppe der "Deutschen Christen" gegründet.
Am 31. Juli 1933 fand eine Pfarrerbesprechung über die Kandidatenliste für die Kirchenwahl in Frankfurt statt, an der folgende Pfarrer aus Darmstadt teilnahmen:
- Rudolf Hickel
- Wilhelm Köhler
- Fritz Weiß
- Dr. Grünewald.
Sie monierten, dass auf der Vorschlagsliste nur Leute der "Deutschen Christen" stünden. Es wurde eine eigene Liste aufgestellt. Pfarrer Weiß zog seine Unterschrift unter die Einladung zurück.
Am 19. August 1933 machte die Landeswahlkommission das Ergebnis der Wahl zur Landessynode bekannt. Es lag nur ein Wahlvorschlag von den "Deutschen Christen" vor. Unter den geistlichen Abgeordneten befand sich kein Darmstädter Pfarrer. Als weltliche Abgeordnete wurden aus Darmstadt genannt:
- Gustav Johannes Stoll, Lehrer
- Alfred Zürtz, Maschinist
- Dr. Alexander Kraell, Landgerichtsrat und
- Dr. jur. Wilhelm Menges, Oberjustizrat.
Am 12. September wählte die neue Landessynode die neue Kirchenregierung (künftig: Landeskirchenrat), darunter auch Oberstaatsanwalt Dr. Alexander Kraell.
Am 22. September 1933 waren unter den 1.300 Pfarrern aus dem Reichsgebiet auch zahlreiche Hessen, die dem Aufruf zur Gründung des "Pfarrernotbundes" folgten. Am 20. Oktober 1933 wurde in Berlin-Dahlem der Notbruderrat gebildet.
Am 7. Dezember 1933 hatte Pfarrer Rudolf Marx zu einer Versammlung des Pfarrernotbundes in das Gemeindehaus der Johannesgemeinde Darmstadt eingeladen.
Am 15. Januar 1934 fand eine weitere Versammlung des Pfarrernotbundes auf Einladung von Pfarrer Marx statt. Die Versammlung wurde von 54 Mitgliedern besucht.
Am 7. Februar 1934 erstattete Pfarrer Goethe von der Johannesgemeinde Anzeige wegen schweren Hausfriedensbruchs gegen den Stabsleiter der Hilterjugend (HJ) Richter und Genossen. Es waren am 1. Februar etwa 40 junge HJ-ler in das Gemeindehaus eingedrungen und hatten massiv gestört.
Am 6. Februar ernannte Reichsbischof Ludwig Müller Pfarrer Lic. Dr. Ernst Ludwig Dietrich zum Landesbischof der Evangelischen Kirche Nassau-Hessen. Zum rechtskundigen Mitglied wurde Amtsgerichtsrat Kipper (Wiesbaden) berufen.
Am 16. Februar 1934 verfügt der Landesbischof Dietrich, dass "angesichts der Notlage vieler Eltern" den Konfirmanden gestattet sei, im Dienstanzug der HJ, des Jungvolks oder des BDM bei der Konfirmation zu erscheinen.
Im Ergebnis ist die Evangelische Kirche in Nassau-Hessen im Sinne der Nationalsozialisten gleichgeschaltet.
In Darmstadt waren wohl nur drei der sechzehn evangelischen Pfarrer den Deutschen Christen zuzurechnen. Ein am 27. Juli 1933 von Darmstadt ergangenes Rundschreiben, das u.a. auch der Leiter des Elisabethenstiftes Theodor Hickel und die Pfarrer Dr. Friedrich Grünewald und Wilhelm Köhler unterschrieben hatten, gilt als erstes Manifest der Bekennenden Kirche in Hessen.
Das wichtigste Ereignis in der Auseinandersetzung mit dem Totalitätsanspruch der Nationalsozialisten im evangelischen Darmstadt war die Evangelische Woche 1937.
Die Pfarrer, die in der Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten in der Literatur wiederholt Erwähnung finden, waren die Pfarrer
- Rudolf Goethe (23.12.1880 Geisenheim - 24.5.1965 Mainz)
- Karl Grein (21.11.1881 Darmstadt - 26.7.1957 Darmstadt)
- Theodor Hickel (1912 - 1934 Leiter des Elisabethenstiftes)
- Bernhard Knell (13.7.1907 Darmstadt - 13.1.1956 Darmstadt)
- Wilhelm Köhler
- Rudolf Marx (6.4.1972 Friedberg - 14.5.1961 Darmstadt)
- Arthur Müller
- Wilhelm Weinberger (1.5.1899 Lardenbach - 26.8.1963 Gießen, Grabstätte
Waldfriedhof Darmstadt)
- Rudolf Christian Wintermann (10.1.1886 Bremen - 27.5.1970 Darmstadt)
- Robert Wolf
Der erste Oberbürgermeister Darmstadts nach 1945, Ludwig Metzger, befasste sich zu dieser Zeit, nachdem er aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entlassen worden war, als Rechtsanwalt wiederholt mit der Vertretung politisch Verfolgter. So hatte er sich auch für die beiden versetzten Pfarrer der Johannesgemeinde eingesetzt. Der Landesbischof Dr. Dietrich wies in einem Schreiben an Metzger vom 19. April 1934 darauf hin, dass "die Kirche allen Anlaß hat, an der deutschen Bewegung so positiv als nur möglich mitzuarbeiten." Der Brief schloss mit "Heil Hitler".
Hier muss aber auch erwähnt werden, dass evangelische Pfarrer Mitglied der NSDAP und/oder ihrer Unterorganisationen geworden waren. Beispielhaft seien hier einige erwähnt, die zwar nicht alle ihr Pfarramt in Darmstadt ausübten, aber in Darmstadt "entnazifiziert" wurden:
- von der Au, Hans Ludwig, geb. 16.2.1892 in Darmstadt
- Griesheimer, Friedrich, geb. 23.4.1911 in Darmstadt
- Jacob, Dr. Siegfried, geb. 26.4.1912 in Darmstadt
- Kempf, Friedrich, geb. 2.7.1903 in Darmstadt
- Lorenz, Fritz, geb. 25.10.1916 in Gießen
- Nürnberger, Paul, geb. 10.10.1894 in Lindheim/Büdingen
- Orth, Hans, geb. 23.5.1914 in Darmstadt
- Scheuer, Rudolf, geb. 22.9.1907 in Gießen
- Weiss, Fritz, geb. 19.4.1885 in Muschenheim/Giessen
- Weissgerber, Wolfgang, geb. 10.8.1900 in Dieburg
- Wolf, Kurt, geb. 1.10.1912 in Saarbrücken
Was tat sich auf katholischer Seite?
Das katholische Bischöfliche Ordinariat Mainz bestimmte am 17. Juli 1933:
Als wohl erster hat sich Rolf Hochhuth mit seinem Schauspiel "Der Stellvertreter" (1963) mit dem Vatikan als "schweigendem Komplizen des Holocaust" (Der Spiegel) beschäftigt und damit einen große Diskussion ausgelöst.
Erst im Frühjahr 1979 - nach der "Holocaust"-Fernsehserie - räumte die Katholische Deutsche Bischofskonferenz Fehler der Kirche in der NS-Zeit ein. Es sei heute schwer zu begreifen, dass sie weder zum Boykott jüdischer Geschäfte, nicht zum Erlass der Nürnberger Rassegesetze 1935, noch zu den Ausschreitungen in der sogenannten "Reichskristallnacht" (Reichspogromnacht) 1938 Stellung genommen habe.
Der Spiegel veröffentlichte 1997 eine Zitatensammlung, "Wie führende deutsche Katholiken Hitler und den Krieg priesen".
Einen Widerstand der katholische Kirche gegen das politische System habe es "zugegebenermaßen kaum gegeben", sagte Bernd Wittschier, Leiter des Joseph-Teusch-Werk in Bad Neuenahr anlässlich einer Ausstellungseröffnung 1988 über die "Katholische Kirche im Dritten Reich" im Historischen Museum Frankfurt (Main). Doch seien 9.000 katholische Priester, und damit 40 Prozent der Priester im Herrschaftsbereich der Nazis mit der Gestapo in Konflikt gekommen, betonte er.
Natürlich hat es auch katholische Priester gegeben, die unangepasst und mutig die Verbrechen der Nationalsozialisten registrierten und öffentlich anprangerten. Berühmt ist die Predigt von Kardinal von Galen am 3.8.1941 in Münster, in der er gegen die Ermordung von Geisteskranken und alle den Menschen, die die Nazis als "lebensunwertes Leben" bezeichneten, mit klaren Worten protestierte. Beispielhaft für viele weitere mutige Priester sei an Edith Stein, Prälat Bernhard Lichtenberg und Pater Maximilian Kolbe erinnert.
In den 1980er Jahren erschienen in den nationalen wie internationalen Medien wiederholt Berichte,
wonach der Vatikan sich als Fluchthelfer für Nazis betätigt habe.
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